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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 483 / 23.4.2004

Der Lern-Prozess

Das Frankfurter Auschwitz-Verfahren und die Linke

Herr Präsident

man soll in diesem Prozess

auch nicht die Millionen vergessen

die für unser Land ihr Leben ließen

und man soll nicht vergessen

was nach dem Krieg geschah

und was immer noch

gegen uns vorgenommen wird

Wir alle

das möchte ich nochmals betonen

haben nichts als unsere Schuldigkeit getan

selbst wenn es uns oft schwer fiel

und wenn wir daran verzweifeln wollten

Heute

da unsere Nation sich wieder

zu einer führenden Stellung

emporgearbeitet hat

sollten wir uns mit anderen Dingen befassen

als mit Vorwürfen

die längst als verjährt

angesehen werden müssten

Laute Zustimmung von Seiten der Angeklagten

Mit diesem Schlusswort des "Angeklagten 1" endet "Die Ermittlung", das "Oratorium in 11 Gesängen", in dem Peter Weiss - "ohne jede Zutat aus eigener Erfindung" - den Verlauf des Frankfurter Auschwitz-Prozesses verarbeitet hat. Die Ansicht, dass man sich, statt die Massenmörder vor Gericht zu stellen, "mit anderen Dingen befassen" sollte, war in der westdeutschen Gesellschaft der 1960er Jahre weit verbreitet. Deshalb war der Auschwitz-Prozess nicht nur eine juristische Angelegenheit, sondern vor allem eine geschichtspolitische Tat gegen das gewollte Vergessen. Micha Brumlik, Direktor des Fritz-Bauer-Instituts, spricht sogar von einem "Wendepunkt in der Geschichte der Bundesrepublik". Durch diesen Prozess, schreibt Brumlik, "der - mitten im Kalten Krieg - nicht zuletzt durch eine Zusammenarbeit mit dem kommunistisch regierten Polen möglich wurde, bekam das Böse plötzlich Namen und Gesicht, Alter und Adresse. (...) Was die westdeutsche Gesellschaft verdrängte, was ihre Politik nicht vermochte und wozu die Geschichtswissenschaft damals weder willens noch fähig war, nämlich den von Deutschen begangenen industriellen Massenmord konkret aufzuklären, das übernahm die Justiz." (Frankfurter Rundschau, 27.9.2002)

Antifaschismus galt in der BRD als "zersetzend"

Die "Schuld des Verschweigens" (C. Geissler)

"Nicht Teufel, sondern Deutsche"

Js.