Zwei Einwände
Zu Karl Heinz Roths Text in ak 482
Mit sehr viel Respekt für die differenzierte Analyse von Karl Heinz Roth habe ich doch zwei gewichtige Einwände.
Erstens. Sowohl die Zerstörung des Sozialstaates bei uns als auch die Entwicklung der Ausbeutung im Rahmen der "Globalisierung" finden in erster Linie, empirisch evident, auf dem Rücken von Frauen statt: als Teil eines globalen Krieges gegen Frauen. Der äußert sich nicht nur in immer mehr Billigjobs für Frauen sowie Re-Feminisierung der Armut bei uns und menschenunwürdiger Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft (z.B. in den Freihandelszonen in China etc.) in großen Teilen der Welt sondern auch in anwachsenden brutalsten Formen sexueller Ausbeutung. Unter vielen anderen gibt es dazu Veröffentlichungen von Saskia Sassen und viele Berichte von Amnesty. Die sexuelle Versklavung von Migrantinnen (euphemistisch z.B. Prostitution genannt), global ein gigantischer Wirtschaftskreislauf, findet aber auch vor unserer Haustür statt: durch ganz konkrete Männer. Ein großes Tabu bei linken Männern. Leider blenden männliche Theoretiker die Geschlechterfrage in ihren Analysen, so gut sie auch sein mögen, in diesem Land immer noch aus. Annihilation nennen das einige Wissenschaftlerinnen. Da sind linke Männer in anderen westlichen Ländern schon sehr viel weiter, wie z.B. postkoloniale Ansätze zeigen.
Zweitens. Wir können die Frage des Rassismus (wie die Geschlechterfrage) nicht einfach übergehen. Auch wir als Linke sind vom Rassismus geprägt. Die gesamte Aufklärung, einschließlich marxistischer Ansätze, beruht auf dem Prinzip ethnischer Exklusion. Erst wenn wir uns damit auseinander setzen, was ein schmerzlicher Prozess ist, können wir "den Anderen" begegnen. Und Begegnung hieße: keinerlei Bevormundung, sondern zurücktreten. Es sollte vielmehr endlich ein historisches Gebot für uns werden, von ihnen zu lernen. Denn auch die linken Projekte und Theoreme (feministische leider eingeschlossen) der westlichen Welt sind gescheitert. Symbolisch sind revolutionäre Bewegungen immer weiblich codiert. Also lassen wir in diesem hoffentlich realen Aufbruch für globale Gerechtigkeit endlich der nicht-weißen Frau den Vortritt.
Brigitta Huhnke,
Hamburg