Widerstand ist möglich
Gegen 1-Euro-Jobs kann auf vielfältige Weise vorgegangen werden
Ob und wie Hartz IV umgesetzt wird, entscheidet sich nicht zuletzt in den dezentralen Auseinandersetzungen vor Ort. Vieles ist hier noch unklar und im Fluss, und entsprechend anfällig für vielfältige Störungen sind die beabsichtigten Maßnahmen. Das gilt auch und besonders für die so genannten 1-Euro-Jobs.
Geht es nach dem Willen der Hartz IV-Strategen, dann wird die so genannte "aktive Arbeitsmarktpolitik" flächendeckend und vollständig durch Pflichtarbeiten für Erwerbslose ersetzt. 600.000 dieser 1-Euro-Arbeitsgelegenheiten sind bundesweit geplant, 10.000 in Hamburg und 7.200 allein im Berliner Bezirk Kreuzberg-Friedrichshain. Dafür wird viel Geld in die Hand genommen, allein in Hamburg stehen für "Arbeitsmarktpolitik" so viele Finanzmittel zur Verfügung wie nie zuvor.
Doch was oben geplant und anschließend tatsächlich umgesetzt wird, ist auch im Falle der Arbeitsgelegenheiten nicht dasselbe. An vielen Ecken und Kanten knirscht es bei der Umsetzung im Gebälk. So sind viele der 1-Euro-JobberInnen, die in diesen Tagen und Wochen bei Trägern und Einrichtungen arbeiten, ehemalige ArbeitslosenhilfebeziehrInnen, die sich noch im Herbst/Winter 2004 mangels realer Jobperspektiven "freiwillig" zu 1-Euro-Einsätzen gemeldet hatten. Vielerorts sind die Arbeitsagenturen angesichts des allgemeinen Verwaltungschaos, das mit Hartz IV über sie hereingebrochen ist, überhaupt noch nicht in der Lage, Alg-II-BezieherInnen in großem Umfang in die Zwangsdienste zu pressen.
Betriebsräte als Sand im Getriebe
Kein Zweifel: Bei 300 bis 600 Euro Kopfprämie pro 1-Euro-JobberInnen winkt für manche Träger und Einrichtungen ein lukratives Geschäft. Doch angesichts der Größenordnungen von hunderten oder gar tausenden ZwangsdienstlerInnen sind die wenigsten Beschäftigungsträger und sonstigen Einrichtungen in der Lage, diese Menschen direkt in eigenen Betriebsstätten unterzubringen. Ob das Geschäft mit der Erwerbslosigkeit also realisiert werden kann, hängt ganz entscheidend davon ab, ob sich genügend KooperationspartnerInnen finden, die die 1-Euro-Kräfte "abnehmen". Jede Schule, jede Kirchengemeinde, jede soziale Einrichtung, die sich einer solchen Kooperation verweigert, trägt so dazu bei, Sand ins Getriebe der Pflichtarbeit zu streuen (siehe nebenstehende Dokumentation).
Wenn es darum geht, den Einsatz von PflichtarbeiterInnen zu unterbinden oder zumindest in erheblichem Maße zu erschweren, dann kommt den innerbetrieblichen Interessenvertretungen der Beschäftigten eine maßgebliche Rolle zu. 1-Euro-ZwangsdienstlerInnen sind zwar keine regulären ArbeitnehmerInnen, doch ihre Beschäftigung ist dennoch in aller Regel mitbestimmungspflichtig. Das gilt auf jeden Fall für solche Träger und Betriebe, die etwa als Beschäftigungsträger direkt ZwangsdienstlerInnen zugewiesen bekommen. Die Integration in die innerbetriebliche Weisungshierarchie und die "Fürsorgepflicht" der Geschäftsleitung begründet hier einen unmittelbaren Mitbestimmungstatbestand. Betriebs- und Personalräte müssen daher der Beschäftigung von 1-Euro-Kräften zustimmen. Sie können sie ablehnen, wenn die Kriterien der "Zusätzlichkeit" und des "öffentlichen Interesses" nicht erfüllt sind, und sie können strenge Betriebsvereinbarungen aushandeln, nach denen 1-Euro-Kräfte beispielsweise das Recht haben, an Betriebsversammlungen teilzunehmen, vom Betriebsrat beraten zu werden oder auch sich umfassend selbst zu informieren. Auch verbindliche Übernahmeverpflichtungen können so vereinbart werden.
Nach jüngsten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts kann sich die Mitbestimmungspflicht auch auf 1-Euro-JobberInnen erstrecken, die im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen von "Fremdfirmen" nur "ausgeliehen" sind. (1) Auch hier gilt, dass der Mitbestimmungstatbestand in dem Moment greift, wo diese Kräfte - obwohl formal etwa bei einem Beschäftigungsträger angestellt - in die innerbetriebliche Weisungshierarchie des "Entleihers" integriert sind oder z.B. dessen Arbeitsgeräte und Arbeitskleidung benutzen. Das dürfte in den allermeisten Fällen zutreffen. Der Personalrat einer Schule oder die MitarbeiterInnenvertretung eines Kirchenkreises kann also sein/ihr Veto einlegen, wenn etwa eine 1-Euro-Vertretung für einen erkrankten Hausmeister engagiert werden soll. Zumindest aber könnte die Personalvertretung darauf bestehen, dass diese Vertretung einen - wenn auch befristeten - regulären, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsvertrag erhält.
Stammtische und Selbstorganisation
Diese Beispiele machen deutlich, wie wichtig die Kommunikation mit engagierten GewerkschafterInnen, Betriebs- und Personalräten ist, wenn es darum geht, die 1-Euro-Maschinerie zu blockieren. Neben dem politischen Druck auf Träger und Einrichtungen und dem widerständigen Verhalten der Personalvertretungen ist die (Selbst-)Organisation der Betroffen ein drittes Moment im Widerstand gegen die 1-Euro-Zwangsdienste. In Berlin hat es bereits mehrere erstaunlich gut besuchte 1-Euro-Stammtische gegeben. In Hamburg und anderswo gibt es Versuche seitens gewerkschaftlicher Erwerbslosengruppen, die Gewerkschaften dazu zu bewegen, Geld und Ressourcen für Beschwerdestellen und Betroffenentreffs zur Verfügung zu stellen. Einen ähnlichen Gedanken verfolgt das Agenturschluss-Bündnis mit der Idee der Informationssammelstellen, mit denen die konkrete Praxis der Arbeitsagenturen vor Ort beobachtet und ausgewertet werden soll (vgl. ak 491). Aus diesem Kreis heraus wird im übrigen auch zu einem bundesweiten dezentralen Aktionstag gegen 1-Euro-Jobs mobilisiert. Angedacht ist dabei der 25. März
dk
Anmerkung:
1) vgl. die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 8.1.2003, Der Personalrat 2004, S. 148 und vom 13.4.2004; Der Personalrat, S. 269