Lauter stolze Deutsche
Alle sorgen sich um "Deutschland": die NPD und die Bundesregierung, Bayerns Edmund Stoiber und SPD-Generalsekretär Claus-Uwe Benneter. Bei aller Unterschiedlichkeit - "Patrioten" wollen sie alle sein, und "unpatriotisches Verhalten" ist ihnen zuwider. "Unpatriotisch" ist es, wenn ein Multi wie die Deutsche Bank Milliardengewinne erwirtschaftet und gleichzeitig 6.000 (deutsche) MitarbeiterInnen entlassen will. Da - so der Ex-Marxist Benneter - müsse doch gefragt werden, ob dieses Unternehmen "den Deutschlandbezug" im Namen tragen dürfe. Seine Parteikollegin, die hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti, beklagt, die Bank habe "jede Unternehmensethik verloren" und ihr Boss, der Schweizer (!) Josef Ackermann, könne "offenbar den Hals nicht vollkriegen". Wer so handelt, "hat den Namen Deutschland nicht verdient" und "schadet dem Wirtschaftsstandort". Gute deutsche Unternehmen, so die Benneter-Ypsilanti-Logik, sind sich ihrer "sozialen Verantwortung bewusst". Sie machen ihre Gewinne halt mit Entlassungen im Ausland, mit Schuldendiktaten in den Ländern des Südens oder mit der Finanzierung diverser kriegerischer Massenschlächtereien. Das steht dann für einen "erfolgreichen Wirtschaftsstandort" und für tolle "global players".
Da hätten Deutschlands Polit-PatriotInnen keine Probleme. Sie lieben und beschwören "Siegertypen", in Sport, Wirtschaft und Politik. Der neue Mainstream-Patriotismus ist genauso stolz darauf, deutsch zu sein, wie seine SchmuddelkollegInnen von rechtsaußen. Deutsche Spitzenplätze liegen ihnen alle gemeinsam am Herzen, bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften genauso wie bei Exporten und Aktienkursen oder bei kriegerischen Abenteuern und dem Einfluss im UN-Sicherheitsrat. Deutschstolz ist angesagt, nicht in seiner völkischen Glatzen-und-Stiefel-Variante, wohl aber in der weltmarktkompatiblen Form "berechtigter deutscher Interessen" bis hin zum Hindukusch. Söhnke Worthmanns "Wunder von Bern" ist der kulturpolitische Prototyp dieses rot-grün gewendeten Deutschstolzes. Dazu passt ein geschichtspolitischer Trend, der die Verbrechen des Faschismus zwar nicht leugnet, aber nicht mehr anklagen mag. Beschworen wird "Verständnis", Verständnis für den "Menschen Hitler", wie in dem neu-patriotischen Kinohit "Der Untergang", Verständnis für die "Opfer des Krieges", für die ermordeten Jüdinnen und Juden wie für die Leiden deutscher Kriegsgefangener oder der Vertriebenen. Die Botschaft eines Guido Knopp ist eindeutig: Sind wir nicht alle ein bisschen Opfer?
Weit davon entfernt, die politische Auseinandersetzung mit einem
erstarkten Neofaschismus zu suchen, agiert die offizielle
Staatsantifa hilflos. Selbst wenn es am 8. Mai zu einem
Schulterschluss der DemokratInnen am Brandenburger Tor kommen
sollte - eine politische Antwort auf die NPD in den Landtagen oder
die Freien Kameradschaften auf den Straßen gibt es nicht. Bei der
Nazi-Demo vom 29.1. in Kiel hatte die CDU-Bürgermeisterin dazu
aufgerufen, die Straßen zu meiden und die Geschäfte zu schließen.
Sie wollte die Stadt den Nazis schlichtweg überlassen. Dass dies
nicht geschah, ist allein das Verdienst linker
GegendemonstrantInnen gewesen.
Am NPD-Verbot hat sich die politische Klasse die Finger verbrannt.
In den ostdeutschen Ländern versucht die CDU verloren gegangenes
Terrain dadurch zurückzugewinnen, dass sie sich den Themen und
Inhalten der NPD öffnet. Die SPD beschwört den Patriotismus als
"labour issue", und Edmund Stoiber erkennt in der verfehlten
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik die Wurzel für den Erfolg der
Rechten. Er spricht damit zumindest eine Wahrheit aus: Wo bewusst
und gewollt Lebens- und Arbeitszusammenhänge aufgemischt,
durcheinander gewirbelt werden und die Perspektiven und
Lebensentwürfe vieler prinzipiell und existenziell unsicher gemacht
werden, dort wird eine neue "soziale Frage" produziert. Im
Gegensatz zur NPD hat die Staatsantifa auf diese Frage keine
Antwort.
Das Thema: NPD und Antifa S. 15-18