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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 496 / 17.6.2005

"Es wird Tote geben"

Bundesverteidigungsminister Peter Struck hat den 50. Geburtstag der Bundeswehr auf besondere Weise begangen. Im Interview mit dem Focus sprach er sich für weitere deutsche Kriegseinsätze aus; nicht auszuschließen sei, "dass wir in solchen Einsätzen Soldaten verlieren werden - nicht nur durch Unfälle oder Anschläge, sondern durch eine militärische Auseinandersetzung. Das ist für uns alle, die wir nach dem Krieg geboren wurden, ein ungewohnter Gedanke, aber er ist realistisch."

In der Tat trifft Struck - anders als mit seiner viel zitierten Lüge "Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt" - mit seinem neuesten Ausspruch den Nagel auf den Kopf: Wo Soldaten zur Sicherung "deutscher Interessen" in Kriegseinsätze geschickt werden, laufen sie Gefahr, getötet zu werden. Das ist eben Berufsrisiko und wäre nicht weiter erwähnenswert - wenn nicht der oberste Militarist mit seiner Intervention einen speziellen Zweck verfolgen würde. Er will nicht nur die Öffentlichkeit auf kommende Opfer vorbereiten, sondern legt zugleich auch ein Bekenntnis ab, dass diese Opfer in Kauf zu nehmen sind: Wo gehobelt wird, fallen Späne.

Dass Strucks Aufruf zum Sterben für das Vaterland ohne nennenswerte öffentliche Empörung zur Kenntnis genommen wurde, ist nicht wirklich verwunderlich. Regierungs- und Oppositionsparteien stehen "wie ein Mann" hinter ihrer Armee. Ansätze einer Kontroverse gibt es allenfalls um die Wehrpflicht oder um die eine oder andere Standortschließung. Selbst aufwendige Rüstungsprogramme - allein 15 Milliarden für 180 Eurofighter - sind unumstritten. Dass Deutschland im Waffenhandel auf Platz 4 der Weltrangliste liegt, finden die StrategInnen der Berliner Republik alles andere als skandalös. Gerade deshalb sollte der neue deutsche Militarismus zum Thema im laufenden Wahlkampf gemacht werden - etwa durch die in ak 493 und 495 vorgestellte und diskutierte Kampagne zur "Wiederentwaffnung" und "Wehrkraftzersetzung". Auch das neo-sozialdemokratische Bündnis aus WASG und PDS sollte mit klaren antimilitaristischen Forderungen konfrontiert werden. Wie haltet ihr's mit einer "Bundesrepublik ohne Armee"? Letzteres, kurz BoA, war übrigens der Name einer um 1990 auch von den Grünen getragenen Abrüstungsinitiative.

Der diesjährige Antikriegstag bietet vielfältige Gelegenheit, sich einzumischen. Dabei wäre auch daran zu erinnern, dass die Bundeswehr am Beginn ihrer angeblichen "Erfolgsgeschichte" im höchsten Maße umstritten war. Bei einer von zahlreichen Massendemonstrationen gegen die "Wiederbewaffnung" wurde 1952 in Essen der junge Kommunist Philipp Müller von der Polizei erschossen. Nicht nur KPD, DGB und Teile der SPD, auch bürgerliche Kräfte beteiligten sich damals an den Protesten. So wurde die Kampagne "Kampf dem Atomtod" durch den Appell der "Göttinger Achtzehn" unterstützt. Darin protestierten namhafte Wissenschaftler gegen Pläne einer atomaren Bewaffnung der Bundeswehr. Das war 1957, gerade mal zwölf Jahre nach dem von Deutschland entfesselten Weltkrieg und nach der Explosion der Atombombe mit ihrer bis dahin unvorstellbaren Zerstörungskraft.

In unserem Schwerpunkt erinnern wir an die Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki und die fortbestehende Gefahr von Atomkriegen.