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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 499 / 21.10.2005

Leben als ständiges Bewerbungsgespräch

"Fake for Real" beschreibt das Lebensgefühl einer metropolitanen Kulturszene

Es kommt nicht darauf an, wie viel Wahrheit eine Aussage enthält, sondern darauf, wie spektakulär sie wirkt und ob sie das Image des Urhebers positiv beeinflusst. Es gibt keine guten Nachrichten, außer du machst sie selber. Oberste Prämisse: Wirkung erzielen, als gut vernetzt erscheinen und damit die eigene Absatzquote sichern bzw. nach oben treiben.

Solche und ähnliche Postulate betreffen und bestimmen eine Gruppe von Menschen, die sich enorm wichtig vorkommen und ihre Bedeutung im Antlitz des Gegenüber gespiegelt sehen wollen. Ein Muss ist auch, bestimmten aktuellen Codes der Kleidung, Aussehen und Sprache zu gehorchen und sie abzulegen, bevor sie veraltet sind. Die neoliberale Politik mit ihren deregulierenden Maßnahmen hat dazu geführt, dass viele junge Intellektuelle mit akademischen Abschlüssen ohne Aussicht auf feste Jobs mit und in prekären Arbeitsverhältnissen überleben müssen. Gegen eine starke Konkurrenz buhlen sie um freie Aufträge als KuratorInnen, AutorInnen oder LektorInnen.

Kokettieren mit der Revolution

Sich kontextbezogen zu verhalten und zu diskutieren - z.B. tagsüber kapitalismuskonform zu leben und abends affirmativ über den Weg der RAF zu räsonieren - bildet im Pop-Kapitalismus schon längst keinen Widerspruch mehr. Es ist ermüdend zu wiederholen, aber: das System hat es nun mal an sich, alles in den Warenkreislauf einzufüttern und eben alles zur Ware zu machen inklusive der ProtagonistInnen selber. Das schließt auch das Kokettieren mit Revolution und der Antiglobalisierungsbewegung, attac und der Anti-Branding-Bewegung mit ein.

Matthias Reichelt

Judith Mair u. Silke Becker: Fake For Real. Über die private und politische Taktik des So-Tun-Als-Ob. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2005. 285 Seiten, 19,90 EUR