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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 504 / 17.3.2006

Kombiniere: Nicht erst den Herbst abwarten!

Zur neu eröffneten Diskussion um Kombilöhne

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages definiert Kombilohn so: "Überwiegend versteht man unter Kombilohn im engeren Sinn staatliche Transferleistungen an Arbeitnehmer zur Aufstockung besonders niedriger Löhne." SPD und CDU wollen im Herbst ein solches Modell vorlegen - die große Koalition geht davon aus, dass "der so genannte Niedriglohnsektor an sich und seine Zusammenhänge mit der Gesamthöhe von Sozialtransfers an Bedarfsgemeinschaften einer Neuregelung bedürfen".

Die "Aufnahme einfacher Arbeiten" soll durch eine "ausgewogene Kombination aus Arbeitslohn und Sozialleistung lohnend" gemacht werden. Dazu sollen bestehende Programme und Maßnahmen zur Lohnergänzung (ergänzendes AlG II, Einstiegsgeld, Kinderzuschlag) zu einem Förderansatz zusammengefasst werden.

Die Kombilohn-Idee wird seit Jahren regelmäßig in die Debatte geworfen, zuletzt von Hans-Werner Sinn vom Münchner Ifo-Institut. Er benennt unverblümt die Tendenzen, die Kombilohnmodellen eigen sind: Die Löhne insgesamt sollen runter, und die Bedarfssätze der staatlichen Leistungen, die das Existenzminimum sichern (wie das AlG II), sollen um 30% gesenkt werden. Nur so könne der "Anreiz" erhöht werden, mehr Niedriglohnarbeit zu verrichten. Im Gegenzug plädiert Sinn dafür, die Grenzen des nicht anrechenbaren Zuverdienstes auf 500 Euro zu erhöhen. Parallel dazu sollen die Kommunen alle Erwerbslosen, die auf dem freien Markt keine Arbeit finden, zu einer Arbeit verpflichten oder sie als billige Arbeitskräfte an Unternehmen verleihen.

Doch eine solche flächendeckende Subventionierung niedrig entlohnter Beschäftigung wäre extrem teuer. Zudem ist eine massive flächendeckende Kürzung des AlG-II-Regelsatzes momentan eher unrealistisch. (1) Die Gleichzeitigkeit von Mindestlohn- und Kombilohndiskussion deutet darauf hin, dass man in Berlin weiß, dass das Lob des Niedriglohns mit vorhandenen Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit in Konflikt geraten kann.

Für die anstehenden Diskussionen lohnt es sich allerdings, auch die immanenten Erwartungen, die an Kombilöhne gestellt werden, zu betrachten. "Zielgruppe" der bisherigen Modelle waren in der Regel gering qualifizierte ArbeiterInnen, insbesondere Langzeitarbeitslose. Es wird davon ausgegangen, dass bei dieser Personengruppe ein besonderer Arbeitsanreiz erforderlich sei, da der Unterschied zwischen Sozialleistungen und tatsächlich verfügbarem Einkommen bei Beschäftigung nur gering ist. Gleichzeitig wird unterstellt, es gebe genügend Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich, die nur deswegen nicht besetzt werden können, weil die Lohnerwartungen der ArbeiterInnen unangemessen hoch seien.

Wenn man sich die Ergebnisse der bisher praktizierten Kombilohn-Modelle anschaut, so lässt sich feststellen, dass sie weit weniger als erwartet in Anspruch genommen wurden. Einige wie z.B. das "Mainzer Modell" werden auch von den verantwortlichen PolitikerInnen als "Flop" bezeichnet. Die Nichtbesetzung von Niedriglohnarbeitsplätzen lag hauptsächlich daran, dass entweder die Anforderungen der Unternehmen nicht zu den BewerberInnen passten oder dass es in der Lebenssituation der Arbeitssuchenden Hindernisse für die Arbeitsaufnahme gab (z.B.: fehlende Kinderbetreuung, fehlender PKW oder Führerschein). Die Auswertungen ergaben auch, dass die anvisierten "Zielgruppen" nicht im erwarteten Umfang erreicht worden sind. Oftmals waren mehr als die Hälfte der mit Kombilöhnen geförderten Menschen keineswegs gering qualifiziert, sondern besaßen eine abgeschlossene berufliche Ausbildung. Und Langzeitarbeitslose waren ebenfalls nicht der Hauptteil der KombilöhnerInnen. Auch ältere Erwerbslose wurden nur in sehr geringem Unfang erreicht. Unter dem Strich kam es eher zu einem Creamingeffekt (Bestenauslese).

Aufgrund dieser Erfahrungen können die nachfolgenden Argumente in die Debatten um Kombilohn eingebracht werden: a) Wer formal niedrige Qualifikation als einen Grund für Arbeitslosigkeit bekämpfen will, muss Qualifikation und berufliche Weiterbildung anbieten und durchführen. b) Kombilöhne erreichen die selbst gesetzten (benachteiligten) Zielgruppen kaum. c) Ein Niedriglohnsektor muss nicht noch staatlich gefördert werden. Es gibt ihn schon in wachsendem Umfang. d) Kombilöhne können bei geringer Akzeptanz und Nutzung Mitnahmeeffekte auf Seiten der Unternehmen erzeugen: Betriebe nutzen die Förderung von ArbeiterInnen durch Kombilöhne für niedrig entlohnte Arbeitsplätze, die sie ohne Förderung auch geschaffen hätten. e) Alle Erfahrungen mit Kombilohnmodellen zeigen, dass schlecht bezahlte Arbeiten nur geringe Chancen bieten, die Existenz dauerhaft zu sichern. Gerade im Niedriglohnbereich kommt es häufig zu einem Hin und Her zwischen extrem niedrig entlohnter Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. Selbst wenn durch solche Jobs Ansprüche an die Arbeitslosenversicherung erworben werden, fallen diese so gering aus, dass die ArbeiterInnen auf ergänzende AlG-II-Leistungen angewiesen sind. f) Kombilöhne sind ein weiterer Schritt zur Ausweitung der Sphäre nicht oder kaum Existenz sichernder Lohnarbeit. g) Im Rahmen des SGB II können Erwerbslose gezwungen werden, Kombilohnbeschäftigungen anzunehmen. Sie gehören zu den so genannten zumutbaren Arbeiten.

Ideologischer Popanz, arbeitsmarktpolitischer Flop

Bei der Diskussion um Kombilöhne geht es vor allem um einen Druck auf Tariflöhne in vorhandenen Beschäftigungsverhältnissen und um den Druck auf die Höhe der Regelsätze beim AlG II. Die Kombilohnidee geht von einer einfachen Theorie des materiellen Zwangs aus: Je niedriger die Sozialleistungen, desto höher der wirtschaftliche Zwang, den Lebensunterhalt auch mit schlecht bezahlter Arbeit zu verdienen. Das sozialpolitisch schon stark angegriffene Bedarfsprinzip für das Existenzminimum ist der Kombilohnidee völlig fremd und ein "Fehlanreiz".

Wolfgang Völker

Anmerkung:

1) Immerhin sind die ALG-II-Sätze im Osten gerade auf 345 Euro angehoben worden. Andererseits konnte die gleichzeitige Kürzung der Sätze für arbeitslose Menschen zwischen 18 und 25 Jahren offenbar ohne großen Widerstand durchgesetzt werden.