Privatisierung ist politisch
Die Positionen könnten nicht konträrer sein: "Wasser ist ein Lebensmittel, und so wie jedes andere Lebensmittel auch sollte das einen Marktwert haben." Die Position des Nestlé-Konzernchefs Peter Brabeck ist eindeutig. Ganz anders argumentiert der UNO-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, Jean Ziegler: "Vor allem müsste die Nahrungsmittelbörse von Chicago geschlossen werden ... Lebensmittel dürfen nicht privaten Spekulationen unterworfen werden. Vielmehr müssen ihre Preise international vertraglich festgesetzt werden." Was dem einen sein Markt, ist dem anderen sein Staat.
Seit über zwei Jahrzehnten ist die Privatisierung öffentlicher Güter ein zentraler Bestandteil neoliberaler Politik. Öffentliche Güter und sozialstaatliche Standards gerieten als Teil des "sozialen Lohns" ebenso unter Druck wie die Löhne selbst. Eine adäquate Antwort auf diesen Angriff auf die Lebens- und Arbeitsverhältnisse steht bisher aus. Soziale Auseinandersetzungen sind bis heute wesentlich Abwehrkämpfe und voneinander isoliert. Selbst die Kämpfe der ArbeiterInnen in der "weißen Fabrik", den Krankenhäusern, sind kaum mit dem Widerstand gegen die Privatisierung des Gesundheitswesens verknüpft. Von Privatisierungspolitik Betroffene wehren sich entweder gar nicht, oder ihre Aktionen bleiben Teilkämpfe. Dabei stehen die Zeichen für eine Verbreiterung und Verknüpfung des Widerstands nicht schlecht.
Mit dem Slogan "Die Welt ist keine Ware" rückte mit der globalisierungskritischen Bewegung die Form der Produktion wieder verstärkt ins Zentrum des Interesses. Der Privatisierung der Welt müsse die Stirn geboten werden. Dabei übernahm die "Bewegung der Bewegungen" zumindest in Deutschland die Rolle der traditionellen Sozialdemokratie. Leider wurde das Erbe des Staatszentrismus, das Verständnis des Staates als Deus ex Machina, ebenso übernommen.
Aber auch innerhalb der parlamentarischen Linken bewegt sich etwas. Die PDS ist weiterhin von der Zwangsneurose getrieben, ja keinem Dogmatismus zu verfallen. Schließlich hatte man diesen 40 Jahre. Dies gelte auch in der Frage der Privatisierung. Es müsse immer im Einzelfall entschieden werden - siehe die Wohnungsprivatisierung in Dresden.
Oskar Lafontaine hat an diesem Punkt mit dem Einzug ins Parlament auf dem Ticket der Linkspartei.PDS eine ungeahnt progressive Rolle gespielt. So hat er, wie es sich für einen aufrechten Sozialdemokraten gehört, mit stark staatszentrierten Vorzeichen, eine rote Line festgezurrt: Keine weitere Privatisierung.
In dem Anfang Juni vorgestellten Manifest "Aufruf zur Gründung einer neuen Linken" heißt es gar: "Die Linke will Schluss machen mit einer Politik, die das öffentliche Vermögen verkauft und damit die Bevölkerung enteignet." Und weiter: "Schlüsselbereiche der Wirtschaft und der Daseinsfürsorge müssen in öffentliche Eigentumsformen überführt werden und demokratischer Kontrolle unterliegen." Lafontaine ging bei der Präsentation sogar noch einen Schritt weiter: "Wir denken dabei insbesondere an den Energie- und Bankensektor". Man höre und staune.
Aber auch die Herrschenden sind nicht untätig. Nicht nur sollen im Rahmen des GATS-Abkommens bisher öffentlich organisierte Dienstleistungen für das renditesuchende Kapital geöffnet, d.h. privatisiert werden. Die Dominanz von Privateigentum und Verwertung wird auch auf internationaler Ebene vorangetrieben. So werden auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm die so genannten geistigen Eigentumsrechte, die "Intellectual property rights", zentrales Thema werden. Mit diesem transnationalen Regelwerk sollen traditionelles Wissen, Saatgut, Software, Geschmacksmuster und vieles mehr für das Kapital in Wert gesetzt werden.
Der Versuch der sozialen Bewegungen und der politischen Linken, in die Offensive zu kommen, bedarf vor diesem Hintergrund weiterer Anstrengungen. Nicht zuletzt bei der linken Gretchenfrage: "Nun sag, wie hältst du es mit dem Staat?"
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