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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 510 / 20.10.2006

Von G8 zu COP9 - zwei Gipfel, ein Protest

BUKO-Kampagne gegen den Raub biologischer Vielfalt und die Patentierung von Leben

Beim letzten G8-Gipfel in St. Petersburg haben die Staatschefs auch geistige Eigentumsrechte zum Problem erklärt. "Fälschungen" und "Piraterie" wird der Kampf angesagt. Gemeint ist damit in erster Linie Produktpiraterie. Nicht erwähnt wird in diesem Zusammenhang der massiv ausgeweitete Patent-, Sorten- und Markenschutz auf Medikamente, sowie pflanzliche, tierische und menschliche Gene. Doch wer Produktpiraterie mit Hilfe geistiger Eigentumsrechte bekämpft, legitimiert damit Biopiraterie, die private Aneignung von Natur und kollektivem traditionellen Wissen.

An sich legt das 1995 in Kraft getretene Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) bereits einen völkerrechtlich verbindlichen Rahmen für den Schutz geistiger Eigentumsrechte fest. Es verlangt, dass die Unterzeichnerstaaten Patentrechtssysteme bzw. Sortenschutz einführen und lässt nur wenige vage Ausnahmen von der Patentierbarkeit zu. Doch das TRIPS-Abkommen geht den Vertretern der Industrie, allen voran der Pharma- und Biotechindustrie, nicht weit genug. In den unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten binationalen Freihandelsabkommen steht mit "TRIPS-plus" die Ausweitung und Verschärfung von geistigen Eigentumsrechten auf der Agenda. Ziel ist u.a. ein weltweit gültiges Patentrecht, das jegliche Ausnahme von Patentierbarkeit ausschließt. Die Abschlusserklärung des Petersburger G8-Gipfels lässt erkennen, dass in Heiligendamm weiter an der strategischen Weichenstellung zur Erreichung dieses Ziels gearbeitet werden soll.

Wir, die BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie, beteiligen uns an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Wir protestieren gegen internationale und nationale Gesetzgebung und Regelwerke, die auf Kosten lokaler Bevölkerung biologische Vielfalt und traditionelles Wissen "patentierbar" und damit "privatisierbar" für Konzerne machen. Wir sehen darin die Kontinuität des Kolonialismus in neuer Form. Nach der Enteignung von Land und der Versklavung von Menschen im Laufe der kolonialen Eroberung der Welt, stellt Biopiraterie eine weitere große Enteignungswelle im Rahmen der kapitalistischen Expansion dar. Geistige Eigentumsrechte auf Nutzpflanzen und Saatgut sind dabei ein zentraler Aspekt, der in den letzten Jahren immer stärker negative Auswirkungen auf kleinbäuerliche Landwirtschaft zeigt: Macht und Kontrolle der Agrarkonzerne wachsen weiter und vor allem die ländliche Bevölkerung verarmt zunehmend. Dumping und Exportsubventionen auf Agrarprodukte zerstören Agrarmärkte in den Ländern des globalen Südens, bedrohen die weltweite Ernährungssicherheit und konterkarieren damit das offizielle Bekenntnis und die Maßnahmen der G8-Gipfel zur Armutsbekämpfung.

Doch der G8-Gipfel ist nur ein Forum von vielen, bei dem sich Strukturen neokolonialer Kommerzialisierungslogik finden. Die Spur führt von Heiligendamm geradewegs nach Bonn, wo im Herbst 2008 die 9. Biodiversitätskonferenz (Conference of the Parties, COP9) stattfinden wird. Im Rahmen der Konvention über biologische Vielfalt (CBD) erarbeitet sie Strategien für die Erhaltung biologischer Vielfalt, und zwar der Artenvielfalt ebenso wie der Ökosysteme und der genetischen Vielfalt. Sie setzt dabei auf eine Kombination von Schutz und Nutzung der Natur, die ausdrücklich ihre Kommerzialisierung einschließt - eine Gleichung, die so nicht aufgeht. Schutz der Biodiversität gelingt nur mit den Menschen vor Ort unter Respektierung ihrer Rechte - etwas, das die CBD bislang nicht leisten konnte und wollte.Gegen die traditionellen Rechte indigener Gemeinschaften, in deren Regionen sich häufig die größte noch existierende, biologische Vielfalt befindet, setzen sich zunehmend Interessen der Biotech- und Pharma-Konzerne durch. Während es bei G8 um die rechtliche Absicherung (nicht nur) des Raubes an der biologischen Vielfalt geht, steht bei COP9 die Reglementierung dieser Privatisierung und die Festlegung eines "offiziellen Wertes" der "Natur" auf dem Programm.

Unser Ziel in der Mobilisierung für die COP9 in Deutschland ist es, die weltweit stattfindenden Machtkämpfe um biologische Vielfalt bekannter zu machen und dabei indigene Gemeinschaften in ihren Auseinandersetzungen mit Konzernen und Kämpfen gegen Biopiraterie zu unterstützen. Bei der COP9 sind Aktionen gefragt, die nicht nur auf Mitreden setzen, sondern die Rechte indigener Gemeinschaften einklagen und die Umsetzung eingegangener Verpflichtungen einfordern. Deshalb fordern wir:

1. Die Abschaffung geistiger Eigentumsrechte auf Leben, wie Patente, Sortenschutzrechte u.a.

2. Die Kämpfe sozialer Bewegungen gegen Machtkonzentration, gegen Privatisierung und gegen die Kontrolle über biologische und kulturelle Vielfalt zu stärken.

3. Die volle Anerkennung der Rechte der indigenen und kleinbäuerlichen Gemeinschaften sowie ihre Beteiligung an jeglicher Entscheidungsfindung im Rahmen der CBD.

Anne Schweigler, Franziska Müller,
BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie


Den Widerstand verstärken

Wir wollen eine Kampagne initiieren, die fantasievolle Proteste und Aktionen gegen den G8-Gipfel entwickelt und durchführt und diesen Protest bis zur COP9 weiterträgt. Dazu suchen wir noch MitstreiterInnen, die Interesse am Thema und Lust auf gemeinsames Planen und widerständige kreative Aktionen haben. (Vorwissen erwünscht, aber nicht erforderlich.) Herzlich eingeladen sind auch Leute aus themenähnlichen Gruppen und Initiativen, zur Vernetzung und Kooperation, um zusammen Proteste gegen geistige Eigentumsrechte und/oder globale Landwirtschaft zu entwickeln und umzusetzen. Wir freuen uns auf euch!

Mehr Infos unter: www.biopiraterie.de