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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 510 / 20.10.2006

Aufgeblättert

Widerstand in Italien 1943-1945

Die Broschüre "la resistenza" des Vereins zur Förderung alternativer Medien Erlangen enthält eine reichhaltige Textsammlung zum Faschismus, der deutschen Besatzung und dem antifaschistischen Widerstand in Italien. Aufschlussreich sind vor allem die zahlreichen Interviews mit ZeitzeugInnen und die Porträts ehemaliger PartisanInnen. Fast alle diese Texte beruhen auf Gesprächen, die in den letzten Jahren während der Wanderungen "Sentieri Partigiani" geführt wurden, die das ISTORECO (Istituto per la storia della Resistenza) in Reggio Emilia einmal jährlich organisiert. (www.istoreco.re.it) Zunächst geben Nadja Bennewitz und Heike Herzog einen Überblick zum Thema. Sie beginnen mit Mussolinis Sturz im Juli 1943, als sich der Faschistische Großrat und der König gegen den Diktator stellten, und beschreiben dann die verschiedenen Partisanen-Einheiten, das brutale Vorgehen der deutschen Truppen, die ab September 1943 das Land besetzt hielten, den Kriegsverlauf bis zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. Noch vor der Ankunft der Alliierten gelang es den Partisanenverbänden gemeinsam mit Teilen der Bevölkerung, zahlreiche Städte in Norditalien zu befreien. Es folgen Beiträge über Frauen in der Resistenza, über die Arbeit eines Saboteurs und die Massaker der Deutschen in Marzabotto, Cumiana und St. Anna di Stazzema. Auch auf deutsche Deserteure in der Resistenza, auf italienische Zwangsarbeiter und Militärinternierte wird eingegangen. Das Durchgangslager Fossoli, von dem aus etwa 5.000 Menschen nach Auschwitz deportiert wurden, wird als Teil des deutschen Lagersystems beschrieben; in einem Protokoll schildert die Venezianierin Amalia Navarro das Lagerleben. 1944 wurde sie zusammen mit ihrer Mutter und den Geschwistern dort interniert. Neben den historischen Betrachtungen greift die Broschüre auch aktuelle Aspekte auf, etwa die Nazi-Veteranen-Treffen auf dem Soldatenfriedhof Costermano und die schleppenden Ermittlungen in Deutschland gegen Kriegsverbrecher. Alle Artikel sind mit aktuellen und historischen Fotos bebildert. Das empfehlenswerte Heft ist die dritte Ausgabe der Reihe "la resistenza", wobei auch wichtige Texte aus den vorherigen Nummern übernommen wurden.

Anke Schwarzer

limovobi - Verein zur Förderung alternativer Medien e.V.: la resistenza. Beiträge zu Faschismus, deutscher Besatzung und dem Widerstand in Italien (3). Erlangen, September 2006. Zu beziehen bei: limovobi - Verein zur Förderung alternativer Medien e.V., Feldstr. 22, 91052 Erlangen, E-Mail post@feld22.de, www.resistenza.de. 75 Seiten, kostenlos

Geschichtsentsorgung made in Germany

Das Meer an Deutschlandflaggen während der Fußball-WM hat anschaulich gezeigt: Die Deutschen sind auf der Suche nach "Identität" - unverkrampft und irgendwie "normal" soll sie sein. Auch wenn die Flaggen mittlerweile größtenteils verschwunden sind, die Diskurse um Nation und Identität haben hier zu Lande nicht erst seit Sommer 2006 eine patriotische Aufladung erfahren. Das im Unrast-Verlag erschienene Buch "Schleichende Wende" beschäftigt sich mit dieser Diskursverschiebung im Zuge der Konstituierung der Berliner Republik. Die Autorin Joannah Caborn untersuchte in ihrer empfehlenswerten Studie knapp 1.000 Artikel aus der Frankfurter Rundschau, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Sächsischen Zeitung, die Nation bzw. Erinnerung zum Thema haben. Deutlich wird, dass sich in den 1990er Jahren der Nationsdiskurs in Deutschland verschoben hat. Während in der Bonner Republik der Standpunkt noch weit verbreitet war, dass sich jeglicher Nationalismus auf Grund der NS-Verbrechen grundsätzlich verbiete, mehren sich seit 1989/90 die Stimmen, die eine "selbstbewusste Nation" fordern. Eine Nation, die - wie Gerhard Schröder es postulierte - "nach vorne blickt" und sich nicht mehr bei seiner unrühmlichen Geschichte aufhält. Als Ausgangspunkt für ihre Diskursanalyse nimmt Caborn die Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1985 und vergleicht Geschichts- und Nationalbewusstsein mit entsprechenden Statements aus der so genannten Hauptstadtdebatte und dem Diskurs um die neue Mitte. Einschneidend sei Martin Walsers Friedenspreis-Rede von 1998 und ihre Rezeption, da diese Erinnerungsabwehr salonfähig machte und die Abkehr vom Geschichtsverständnis der Bonner Republik markierte. "In einer beweglichen Republik, die sich des Erbes ihrer nationalsozialistischen Geschichte entledigt hat, blickte der damalige Bundeskanzler Schröder nach vorn statt zurück", bilanziert die Autorin. "Dies kann nur bedenklich stimmen und zu diskursiven Gegenstrategien aufrufen." Wie diese jedoch aussehen könnten, erfahren wir leider nicht.

NV

Joannah Carborn: Schleichende Wende. Edition DISS Bd. 10. Unrastverlag, Münster 2006, 268 Seiten, 24 EUR

Schwarzbuch Datenschutz

Am 20. Oktober 2006 werden in Bielefeld die deutschen BigBrotherAwards verliehen. Mit den Preisen werden seit nunmehr sechs Jahren Firmen, Personen und Institutionen in Deutschland "ausgezeichnet", die im zurückliegenden Jahr durch die Verletzung des Datenschutzes und der Privatsphäre von BundesbürgerInnen negativ aufgefallen sind. Die BigBrotherAwards sollen informieren, aber auch Druck auf die Nominierten ausüben und andere davon abhalten, ähnlich wie die Nominierten zu agieren. Die Preise werden in mehreren Kategorien vergeben. So bekam 2005 etwa der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily den Lebenswerk-Preis für sein Anti-Terrorgesetz und im Jahr 2002 die Bayer-AG, die Auszubildende zum Drogentest zwang, den Arbeitswelt-Preis. Dass die US-Regierung für den Zugriff auf europäische Flugpassagierdaten und die Grundschule Ennigloh in Westfalen für die Übermittlung ihrer Schülerdaten an eine Sparkasse "geehrt" wurden, verdeutlicht die Spannbreite der PreisträgerInnen. Alle PreisträgerInnen wurden bei der feierlichen Gala mit einer Laudatio bedacht. Diese sind nun gesammelt in dem Band "Schwarzbuch Datenschutz" erschienen. Dankenswerterweise haben die Herausgeber die Reden mit aktuellen Informationen und kleinen Randgeschichten ergänzt. Informativ sind etwa Hinweise wie der, dass Microsoft 2002 den Lebenswerk-Preis tatsächlich entgegennahm und Besserung gelobte, oder konkrete Verbesserungsvorschläge, z.B. die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens über einen festen Anteil an der Mehrwertsteuer. Entsetzt ist man dagegen beim Lesen der Reden über die Dreistigkeit mancher Unternehmen und Organisationen im Umgang mit privaten Daten. Der Nutzen der BigBrotherAwards wird durch Erfolgsmeldungen deutlich: So musste etwa die Metro-AG im Zuge der "StopRFID-Kampagne" im Jahr 2004 etwa 10.000 verwanzte Kundenkarten austauschen. "Schwarzbuch Datenschutz" bietet einen guten Einblick in den Gebrauch von Daten und die Verletzung des Datenschutzes. Abgerundet wird das Buch mit einem Text, der die Relevanz der Privatsphäre noch einmal verdeutlicht, und klar stellt, dass Datenschutz nicht dem freien Markt überlassen werden darf.

Jonas Füllner

Rena Tangens & padeluun (Hrsg.): Schwarzbuch Datenschutz. Ausgezeichnete Datenkraken der BigBrotherAwards. Edition Nautilus, Hamburg, 2006, 192 Seiten, 13,90 EUR