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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 511 / 17.11.2006

Gipfelprotest macht Mühe

Signale von der Internationalen Aktionskonferenz in Rostock

Groß Klein, eine Plattenbausiedlung am Stadtrand von Rostock - hier fand die zweite Aktionskonferenz zum G8-Gipfel statt, der im Juni 2007 im rund 20 Kilometer entfernten Strandbad Heiligendamm stattfinden soll. Zwischen dem 10. und dem 12. November diskutierten rund 450 AktivistInnen aus dem In- und Ausland über die so genannte Choreografie des Widerstands während der Gipfeltage und steckten einen Aktionsfahrplan ab. Deutlich wurde dabei: Vor den GipfelprotestiererInnen liegt auf dem Weg nach Heiligendamm noch viel organisatorische Arbeit, und es müssen noch einige bündnispolitische Brocken aus dem Weg geräumt werden.

Die Stadt Rostock zeigt sich gegenüber den G8-KritikerInnen bislang wenig gastfreundlich. Zwei heruntergekommene Turnhallen und eine Schule im Neubauviertel Groß Klein - weit ab von der Innenstadt - waren Schauplatz des dreitägigen Treffens. Vielleicht lag es an der Umgebung, dass die Stimmung etwas spannungsgeladen war. Die Anti-G8-Mobilisierung hat ganz offensichtlich mit den Mühen der Ebene zu kämpfen.

Im Vergleich zur Aktionskonferenz im März fällt die Bilanz der Konferenz jedenfalls zwiespältiger aus, auch wenn wichtige Entscheidungen getroffen wurden. Mit der Verabschiedung eines Aktionsfahrplans wurde eine gute und brauchbare Grundlage gelegt für den Protest und Widerstand gegen die sozial ungerechte, ökologisch unverantwortliche und militaristische Politik der G8. Man hat sich viel vorgenommen. Erwerbslosengruppen und sozialpolitische Initiativen aus verschiedenen Ländern starten im Rahmen der Euromärsche ihren Gipfelprotest schon am 17. Mai mit einem Marsch, der am 2. Juni in Rostock enden soll. Ab diesem Tag will man eine ganze Woche lang seine Kritik am Vorgehen der Wirtschaftsnationen öffentlich zeigen und Alternativen diskutieren.

Geplant ist ein gemeinsames Camp, für das noch ein oder mehrere geeignete Plätze in der Nähe von Bad Doberan gesucht werden. Es soll Platz für bis zu 15.000 Menschen bieten. Los geht es am Samstag, dem 2. Juni 2007, mit einer Großdemonstration in Rostock, zu der 100.000 TeilnehmerInnen erwartet werden. Parallel zu einer großen Auftaktveranstaltung in Rostock am Sonntag und einem Aktionstag "G8 und Landwirtschaft" ist die Wiederbesetzung des rund 100 Kilometer entfernten Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide angekündigt. Bundeswehr und NATO planen, aus dem Gebiet einen Übungsplatz für den komplexen Luftkrieg zu machen; auch das Abwerfen von Atombomben soll dort trainiert werden.

Mit einem migrantionspolitischen Aktionstag unter dem Motto "Für globale Bewegungsfreiheit! Gleiche Rechte für alle!" geht es am Montag weiter. Am Dienstag, dem 5. Juni 2007, soll im Rahmen eines "Aktionstags gegen Militarismus, Krieg, Folter und den globalen Ausnahmezustand" der Flughafen Rostock-Laage blockiert und umzingelt werden. Hier, wo auch Geschwader der Luftwaffen stationiert sind, werden die Staats- und Regierungschefs ankommen. Am Abend beginnt in Rostock ein Alternativgipfel mit internationaler Beteiligung. Er dauert bis zum Donnerstag, wobei die Veranstaltungen so terminiert werden, dass Rücksicht auf diejenigen genommen wird, die auch an den Straßenprotesten teilnehmen wollen. Parallel dazu ist auch eine Reihe von Veranstaltungen im Rahmen des Alternativgipfels geplant, die zum Beispiel auf dem Camp und bei den Aktionen stattfinden sollen.

Der Aktionsfahrplan steht: Jetzt kommt die Umsetzung

Mit dem offiziellen Beginn des G8-Gipfels am Mittwoch, dem 6. Juni 2007, soll es Blockaden rund um Heiligendamm geben, die am Donnerstag fortgesetzt werden sollen. Die Kampagne "Block G8" hat sich vorgenommen, Blockaden als Aktionen zivilen Ungehorsams zu organisieren, an denen sich Tausende Menschen mit unterschiedlichen politischen, sozialen und kulturellen Hintergründen beteiligen sollen. Ziel ist es, die Zufahrten zum Tagungsort zu blockieren, die der Tross von DiplomatInnen, ÜbersetzerInnen und Versorgungsfahrzeugen passieren muss, um nach Heiligendamm zu gelangen.

Für den Donnerstag ist zudem eine Demonstration nach Heiligendamm im Gespräch. Am Abend wollen schließlich in einem großen Konzert unter dem Motto "Music and Message" in der Nähe des 13 Kilometer langen Zaunes rund um Heiligendamm zahlreiche MusikerInnen - unter ihnen Herbert Grönemeyer - auftreten. Unklar ist, was am Freitag, dem offiziellen Abschlusstag des G8-Gipfels, stattfinden wird.

Erfreulich war die große internationale Beteiligung an der Konferenz. Aus allen Teilen Europas waren Bewegungs- und SozialforumsaktivistInnen sowie VertreterInnen linker Organisationen und Parteien nach Rostock gekommen, u.a. aus Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Polen, Russland und Skandinavien. Selbst VertreterInnen der japanischen Erlassjahrkampagne nahmen an der Konferenz teil. Auch in Japan bereitet man sich bereits jetzt auf den G8-Gipfel 2008 in Osaka vor; die japanischen KonferenzteilnehmerInnen riefen in diesem Zusammenhang die deutsche Anti-G8-Mobilisierung zur Zusammenarbeit auf.

Es war der aktivistische Teil der Bewegung, der sich in Rostock traf; nur wenige VertreterInnen von NGOs und Verbänden ließen sich dort blicken. Ein überwiegend jüngeres Publikum prägte das Bild der drei Tage. Gegenüber der Aktionskonferenz im März hat sich die aktive und sichtbare Beteiligung leider nicht vergrößert. Ebenso wie damals diskutierten vor allem VertreterInnen von Umwelt- und Friedensgruppen, einige Mitglieder von entwicklungspolitischen Organisationen, der Gewerkschaftsjugend und Angehörige von Linkspartei.PDS und WASG, AktivistInnen von attac, MigrantInnen- und Antirassismusgruppen sowie der radikalen Linken - von den Gruppen der Interventionistischen Linken über das dissent!-Spektrum bis hin zum "Anti G8 Bündnis für eine revolutionäre Perspektive", in dem sich antiimperialistische, autonome und kommunistische Gruppen zusammengefunden haben.
Dass offizielle VertreterInnen von Gewerkschaften, sozialen Verbänden und NGOs nicht teilgenommen haben, mag - was immer man davon halten mag - daran liegen, dass ihr Terrain eher Koordinierungstreffen im kleineren Kreis sind. Dass aber nur wenige AktivistInnen vom BUND bis zur Katholischen Jugend in Rostock waren, dass die AktivistInnen aus Kirchen, Umweltverbänden und den Gewerkschaften fehlten, sollte zu denken geben. Auch wenn aus Sicht der radikalen Linken Rostock von der Anzahl der TeilnehmerInnen ein Erfolg war, kommt man doch nicht umhin festzustellen, dass die Beteiligung aus anderen politischen Spektren und Milieus erschreckend gering war.

Erfreulich zahlreiche internationale Beteiligung

Der auf der Konferenz vereinbarte Aktionsfahrplan wird allen Beteiligten enorme Kraftanstrengungen abverlangen. Was auf die GipfelgegnerInnen aller Couleur noch zukommt, zeigt z.B. der Ruf griechischer Delegierter nach einem deutschen Organisationskomitee, das nicht nur die verschiedenen politischen Initiativen und Aktionen bündelt, sondern auch das Ganze nach außen hin repräsentiert und organisiert. Denn in nächster Zeit gilt es, ganz praktische Probleme zu lösen und politischen Druck zu entwickeln: Die deutsche Anti-G8-Mobilisierung müsste z.B. dafür Sorge tragen, so die VertreterInnen des griechischen Sozialforums, dass eine internationalen Beteiligung an den Gipfelprotesten sichergestellt ist und AktivistInnen aus dem Ausland nicht die Einreise verwehrt wird.

Nachdem in einem einjährigen Prozess der nun beschlossene Aktionsfahrplan erarbeitet wurde, geht es jetzt darum, ihn umzusetzen. Dass geht unter den herrschenden Bedingungen nur gemeinsam und spektrenübergreifend, weil weder die sozialen Bewegungen noch die NGOs, weder die parteigebundene noch die radikale Linke alleine diese Aufgaben bewältigen können. Will man die angestrebte Mobilisierung umsetzen, dann muss der Kreis, der aktiv ist und Verantwortung übernimmt, vergrößert werden. Wenn man z.B. ein Demonstration mit 100.000 TeilnehmerInnen will, dann müssen Teile der Kirchen, der Gewerkschaften, die PDS und die Umweltverbände eingebunden werden.

Auffällig im Vergleich zur ersten Rostocker Konferenz war in diesem Zusammenhang, dass VertreterInnen von Linkspartei.PDS und WASG sich stärker im Hintergrund hielten. Bereits im Vorfeld der Konferenz gab es Auseinandersetzungen um die Rolle von PDS und WASG auf der Konferenz im Konkreten und in der Anti-G8-Mobilisierung im Allgemeinen. Einige NGOs und Teile von attac verhinderten, dass eine WASG-VertreterIn eine Arbeitsgruppe auf der Konferenz leiten konnte. Auch gab es Streit um die Besetzung der Eröffnungsveranstaltung am Freitagabend. Sie wäre in ihrer ursprünglichen Konzeption zu linkslastig, hieß es, und somit ein falsches Signal an das NGO-Spektrum.

"Das Treffen war von unterschwelligen Spaltungsängsten und emphatischen Einheitsappellen geprägt", brachte das Neue Deutschland die Atmosphäre während der drei Tage in Rostock auf den Punkt. Dies war nicht zuletzt wohl auch dem Umstand geschuldet, dass vor allem technische und organisatorische Aspekte die Diskussion bestimmten. So entzündete sich die größte Kontroverse an der Frage, ob der geplante Alternativgipfel von Dienstag bis Mittwoch nicht in Konkurrenz zu den zeitgleich anvisierten Blockadeaktionen steht.

Dass man sich in dieser Frage am Ende auf einen Kompromiss einigte, der die unterschiedlichen Interessen von NGOs und StraßenaktivistInnen berücksichtigte, ist ein gutes Zeichen. Mit dem vorgelegten Aktionsplan und unter Anerkennung des bislang die Zusammenarbeit prägenden Verständnisses der Einheit in der Vielfalt des Protestspektrums wurden die Voraussetzungen geschaffen für eine spektrenübergreifende Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Dahinter sollte niemand zurückfallen.

mb.