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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 514 / 16.2.2007

Aufgeblättert

Renaissance des Religiösen

Wie hältst du's mit der Religion? Die Gretchenfrage beschäftigt nicht nur unzählige TheologInnen und PhilosophInnen, sondern auch kritische WissenschaftlerInnen, die sich - von einem laizistischen Standpunkt aus - mit dem Themenkomplex Religion befassen. Unter dem Titel "Macht - Religion - Politik" hatte das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) im November 2005 zu einem Colloquium geladen. Die Tagungsbeiträge sind nun als Sammelband im Unrast-Verlag erschienen. Ausgangspunkt der Beiträge ist die Frage, wie mit Religion Politik gemacht wird und wie dies mit Macht verknüpft ist. Nicht erst seit dem 11. September 2001 kann man von einer Renaissance des Religiösen im politischen Feld sprechen. Eine Problematisierung findet hier zu Lande fast nur in Bezug auf den Islam statt, der als Feindbild beschworen und gegenüber den eigenen christlichen Werten in Stellung gebracht wird. Welche Ein- und Ausschlussmechanismen diese diskursive Frontstellung Islam versus Christentum produziert, zeigen besonders eindrücklich die Beiträge von Margarete Jäger zur Kopftuchdebatte und von Daniela Marx über Alice Schwarzer. Jäger zeigt, wie sowohl GegnerInnen als auch BefürworterInnen des Kopftuchverbots die Debatte unnötig aufheizen. Dies, indem sie z.B. real existierende Unterdrückung von Muslima, die sich auch im Kopftuch manifestieren kann, komplett negieren - oder aber indem sie unzulässige Vergleiche zwischen Kopftuch und Genitalverstümmelung ziehen. Insgesamt legt die Debatte bestehende Dominanzverhältnisse offen: Während sich die Mehrheitsgesellschaft als plural und offen imaginiert, wird dies muslimisch orientierten Menschen per se abgesprochen. Selten tauchen Muslimas als Subjekte auf; vielmehr ist die Debatte geprägt durch das Sprechen über sie, die als monolithische Einheit, als verschleierte Opfer gedacht werden. Daniela Marx hingegen zeigt, wie sich Alice Schwarzer mit ihrer Islamismuskritik einen Eintritt in die Mainstreammedien verschafft hat. Erschreckende rassistische Zitate gibt es von Schwarzer zuhauf; diese Ausfälle speisen sich aus einem Verständnis von Feminismus, das die Unterdrückung von Frauen zum Hauptwiderspruch deklariert und gegenüber anderen Herrschaftsverhältnissen blind ist. Neben diesen Diskursanalysen in Bezug auf das Verhältnis zwischen Mehrheitsgesellschaft und ihren jeweiligen religiösen Minderheiten finden sich in dem Sammelband Artikel, die sich mit den religiösen Praktiken der (westlichen) Mehrheitsgesellschaften beschäftigen. So zeigt Frank Unger den Einfluss "wiedergeborener" Christen auf die aktuelle US-Politik und Andreas Umland analysiert die Rolle der orthodoxen Kirche für die russische Neue Rechte. Festzuhalten bleibt, dass weltweit religiöse Praxen und Mentalitäten bedeutsamer werden und sich dies zunehmend in gesellschaftlichen Konflikten entlädt. Die Beiträge des Bandes zeichnet aus, dass sie das gesteigerte Bedürfnis nach Religiösität auf seinen materiellen Gehalt untersuchen und dem "Opium" seine (vermeintlich) narkotische Wirkung entziehen.

NV

Margarete Jäger, Jürgen Link (Hg.): Macht - Religion - Politik. Zur Renaissance religiöser Praktiken und Mentalitäten. Edition DISS Bd. 11, Unrast-Verlag, Münster 2006, 304 Seiten, 24 EUR

Kapitalverfehlung

In Katya Sanders Video "What is Capitalism?" stellt eine Reporterin vorbeischlendernden PassantInnen eben diese Frage. Für die Szenerie stellt man sich eigentlich eine Fußgängerzone vor, hier findet aber alles in einer grünen und bis zum Horizont reichenden Landschaft statt. Eine junge Familie wundert sich im Weggehen - "was für eine komisch Frage", sagt der Mann; "ja, das war merkwürdig", sagt die Frau. Neben der Dokumentation dieses und verschiedener anderer künstlerischer Projekte enthält der Band "Capital (it fails us now)" auch sieben Aufsätze zum Thema. All das geht zurück auf zwei Ausstellungen in Oslo (2005) und in Tallin/Estland (2006). Das schön aufgemachte Buch ist Teil einer neuen Reihe beim Berliner b_books Verlag. Das ambitionierte Projekt ist speziell solchen Diskursen gewidmet, die an den Grenzen des künstlerischen Feldes Potenziale des Politischen ausloten. So sind hier nicht nur spannende künstlerische Arbeiten, sondern auch zentrale Fragen der linken Gegenwartsdiskussionen versammelt. Katja Diefenbach beispielsweise analysiert mit Foucault und Marx die Koexistenz von Biomacht und Kapital und fragt danach, wie mit der "biopolitischen Ware" umzugehen sei. Denn in ihr stoßen wir schließlich "auf eine fortgeschrittene Strategie des biopolitischen Kapitalismus, Norm und Abweichung gleichzeitig zu besetzen, die Mobilisierung und Ausdifferenzierung der Lebensformen und den Angriff auf sie." Dass die widerständigen Alternativen der 1970er sich als Pionierleistungen des flexiblen Kapitalismus herauskristallisiert haben, meint auch Isabel Lorey. Angesichts dieser linken und künstlerischen "Selbstprekarisierung" fragt sie nach Möglichkeiten des "Gegen-Verhaltens". Statt uns zu verfehlen, hat das Kapital uns offenbar eher auf freiem Feld erwischt.

Jens Kastner

Simon Sheikh (Hg.): Capital (it fails us now). critical readers in visual culture #6. b_books Verlag, Berlin 2006, 368 Seiten, 16 EUR. Einige der ausschließlich englischsprachigen Texte des Bandes finden sich in deutscher Übersetzung im Webjournal transversal: http://transform.eipcp.net/transversal/1106

Internetsicherheit für EinsteigerInnen

Stell dir vor, dass die Polizei unbemerkt in deine Wohnung eindringen und dort deine Unterlagen durchwühlen darf. Diese Horrorvorstellung ist schon nahe an der Realität, wenn es um die elektronische Kommunikation geht. Da kommt eine Broschüre gerade richtig, die sich der Sicherheit im Internet in einer Sprache widmet, die auch die Menschen verstehen, für die ein Computer nur eine etwas modernere Schreibmaschine ist. An praktischen Beispielen wird gezeigt, wie sich die Internet-NutzerInnen schützen können. An erster Stelle steht hier die Verschlüsselung. Sehr detailliert werden die einzelnen Schritte beim Installieren des Verschlüsselungsprogramms Pretty Good Privacy (PGP) erklärt. "Problemzone Festplatte" ist ein weiterer Abschnitt überschrieben, der sich mit der Verschlüsselung der gesamten auf dem Computer befindlichen Daten befasst. Was man bei der Computersicherung alles beachten muss, machen die HerausgeberInnen der Broschüre am Beispiel der Passwörter deutlich. So sollte man als Code nicht einfach sein Geburtsdatum wählen - damit würde man es Diensten und Beamten, die sich Zugang zu den Daten verschaffen wollen, allzu leicht machen. Ein sicheres Passwort sollte aus einer Kombination von Zahlen, Buchstaben und sonstigen Zeichen bestehen und mindestens zwölf Zeichen umfassen. Solche und ähnliche Tipps finden sich in der handlichen Broschüre viele. Im Nachwort machen die HerausgeberInnen noch einmal ihre Intention deutlich. Es geht nicht darum, Panik über den alles überwachenden Staat zu verbreiten. Allerdings sollten einige einfache Sicherheitsstandards eingehalten werden. Davor sollte man sich auch nicht mit dem Argument herummogeln, dass man ja nichts zu verbergen habe. Vielmehr sollte man sein Recht auf seine Daten einfach einfordern und sich nehmen. Die Broschüre kann ein kleiner Baustein dazu sein.

Peter Nowak

Hg.: Internationale KommunistInnen: Sicher durchs Netz, Tipps für den Umgang mit Computersicherheit und Internetüberwachung. 15 Seiten. Die Broschüre gibt es kostenlos in Buch- und Infoläden. Sie kann auch von der Internetseite www.interkomm.tk heruntergeladen werden.