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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 515 / 16.3.2007

... denn sie wissen was sie tun

Deutschland setzt den Schutz seiner Investitionen und China auf die G8-Agenda

Die Weltwirtschaft wächst weiter stark. Auch deutsche Unternehmen und Politiker erfreuen sich des Aufschwungs, und Deutschland gewann 2006 einmal mehr den Titel des Waren-Exportweltmeisters. Doch auch wachsender Reichtum stimmt die Staatenlenker nicht friedlicher: Deutschlands Regierende sind unzufrieden mit der Weltwirtschaft, speziell mit zwei Typen von Entwicklungsländern: den Aufsteigern (China, Indien) und den Absteigern (Afrika). An beiden wird nicht genug verdient. Ihre Unzufriedenheit machen die Politiker zum Thema des nächsten G8-Gipfels in Heiligendamm.

Nach Auskunft der Presse führen die G8 derzeit mindestens drei Weltkriege: den "Weltkrieg um Wohlstand" (1), den Weltkrieg um Rohstoffe (Spiegel, 27.3. 06) und den Weltkrieg um das Klima (Welt am Sonntag, 11.02.07). In der Sprache der Politik: "Zentrale Handlungsfelder sind für uns weltweite Investitionsbedingungen, der Schutz von Innovationen sowie der nachhaltige Umgang mit Ressourcen", so Staatsekretär Bernd Pfaffenbach. (2) Diese drei Weltkriege setzt Deutschland - ohne sie so zu nennen - ins Zentrum der G8-Gespräche. Schließlich hat es dieses Jahr die G8-Präsidentschaft inne. Im Visier hat es vor allem den Aufsteiger der Weltwirtschaft: China, das Land, das inzwischen hinter den USA, Japan und Deutschland an Nummer vier der Weltwirtschaft steht.

"Ungeachtet des Wachstumsschubes" existieren laut Pfaffenbach "Risiken für die Stabilität der weiteren weltwirtschaftlichen Entwicklung: Die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft werden größer statt kleiner". Seit Jahren wächst das Außenhandelsdefizit der USA. 2006 importierten sie 764 Mrd. US-Dollar mehr als sie exportierten. Profiteur des US-amerikanischen Kaufrauschs ist nicht nur die Exportmacht Deutschland, sondern vor allem China, dessen Außenhandelsüberschuss 2006 um 74 Prozent auf 177 Mrd. US-Dollar stieg und 2008 Deutschland als Exportweltmeister ablösen wird.

Ein Drittel des US-Handelsbilanzdefizits geht auf Kosten des Handels mit China. Mit diesem Defizit wachsen nicht nur die Schulden der USA, sondern auch die US-Dollarguthaben in den Tresoren der asiatischen Zentralbanken: Dieses Jahr werden Chinas Devisenreserven voraussichtlich um weitere 200 Mrd. US-Dollar auf etwa 1.200 Mrd. US-Dollar ansteigen. (3)

Risiken für die Stabilität trotz Wachstumsschub

Daraus erwächst China Macht: Gefürchtet wird, dass das Land eines Tages große Teile seiner US-Dollars verkaufen könnte. Folge wäre ein Absturz der US-Währung. Peking wird daher erstens aufgefordert, "verantwortungsvoll" mit dem US-Dollar umzugehen. Zweitens wird China dazu aufgefordert, seine Währung aufzuwerten. Bisher ist der Wechselkurs politisch reguliert. Damit würden chinesische Waren weltweit teurer und verlören an Konkurrenzfähigkeit; zudem würden Importe für China billiger und dies trüge zur "Stärkung der Inlandsnachfrage" bei, sprich: Die G8 könnten mehr nach China verkaufen als bisher.

Um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Firmen gegenüber den chinesischen weiter zu erhöhen, fordern die G8 China auf, sein Lohnniveau erhöhen und soziale Sicherungssysteme aufzubauen. Gefordert wird "die freiwillige Einhaltung bestimmter Mindeststandards im Umgang mit ihren Beschäftigten an den Investitionsstandorten". Unter dem Titel "soziale Dimension der Globalisierung" agitiert Deutschland also gegen das chinesische ArbeiterInnen-Elend als unfaire Kostensenkungsmaßnahme ("Sozial-Dumping") und für eine Erhöhung der chinesischen Lohn- und damit Produktionskosten.

Deutschland fordert außerdem "grenzüberschreitende Übernahmen" von Unternehmen zu erleichtern. Es beklagt "massive Eingriffe in die Kapitalverkehrs- und Investitionsfreiheit" von deutschen Unternehmen. Um einen "neuen Investitionsprotektionismus" zu verhindern, wolle man in einen "Dialog insbesondere mit den fortgeschrittenen Schwellenländern über Investitionsbedingungen" treten. Das heißt: Deutschland will nicht länger hinnehmen, dass China ausländischen Investitionen Hürden in den Weg legt. AusländerInnen dürfen dort keine Unternehmen übernehmen, Gemeinschaftsunternehmen müssen mit chinesischer Mehrheit gegründet werden, die ausländischen Konzerne müssen viele Auflagen erfüllen, unter anderem der chinesischen Seite Zugang zu technologischen Details eröffnen usw.

Unter dem Stichwort "Innovationsschutz" stößt den deutschen Staatenlenkern noch ein weiteres "Hindernis" im Geschäft mit China auf: Das Land missachtet internationale Patentschutzregeln und Copyrights (ak 511).

Auch das Geschäft mit und in den armen Ländern des Globus ist nach deutscher Meinung nicht lukrativ genug: Die "weniger fortgeschrittenen Entwicklungsländer" werden daher zur "Verbesserung der Regierungsführung" und der "Rechtsstaatlichkeit" aufgefordert, zur "Bekämpfung von HIV/AIDS", zum "kontinuierlichen Ausbau des Privatsektors" und einer "leistungsfähigen staatlichen Verwaltung", zum Aufbau "flächendeckender Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsysteme" und "funktionierender Kapitalmärkte".

Nicht verheimlicht wird, wozu all das dienen soll: damit es "für potenzielle Investoren attraktiv wird, massiv in Afrika zu investieren". Sprich: Die armen Länder müssen Bedingungen schaffen, dass an ihnen verdient werden kann. Um für die G8 lohnend zu sein, wird Afrika ein ganzer Katalog von Anforderungen präsentiert. Jedes Element staatlicher Politik in den armen Ländern wird darauf geprüft, ob es Investitionen aus dem Ausland profitabel macht. Investitionen erscheinen in dieser Darstellung als Dienstleistung - eine ebenso bemerkenswerte wie übliche Verkehrung: Investiert ein Unternehmen in einem Land, um dort von der Ausbeutung von Arbeitskraft und Bodenschätzen zu profitieren, dann soll dies als eine Art Geschenk betrachtet werden.

Exportschlager Kapitalismus mit Deutschlandbonus

Auf Hilfe aus dem Ausland kann Afrika dabei kaum hoffen. "Wenn es gelingt, Armut in Afrika zu überwinden", so Pfaffenbach, "wird das in erster Linie das Verdienst der Afrikaner und ihrer eigenen Anstrengungen sein." Nur damit niemand auf dumme Gedanken kommt, stellt er zusätzlich fest, dass dabei "die Marktwirtschaft ohne Alternative und Grundlage der Globalisierung" ist.

Doch auch in den Elendsregionen der Welt kommen den G8 die neuen Konkurrenten aus Fernost in die Quere: "Beunruhigt registrieren die Finanzminister, dass vor allem China, aber auch Indien, in afrikanischen Ländern mit vollen Händen neue Kredite verteilen ... Die Strategie der Chinesen ist dabei sehr durchsichtig. Sie wollen sich Absatzmärkte und Rohstofflieferanten sichern, um ihren enormen Bedarf zu decken." (Berliner Zeitung, 8.2.07) China betreibe in dieser Hinsicht "eine sehr bewusste Außenpolitik", merkte Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung im Dezember 2006 an.

Was auch immer die Strategie der Industrieländer bei der Kreditierung Afrikas in der Vergangenheit gewesen sein mag - heute stören sie sich an der Konkurrenz im Kampf um die Rohstoffe. Für sein rapides Wachstum braucht China diese Rohstoffe. Es ist heute schon der zweitgrößte Ölverbraucher, es verbraucht etwa ein Drittel der Kohle weltweit, ein Viertel des Stahls und zwei Fünftel des Kupfers. Die chinesische Nachfrage hat die Rohstoffpreise weltweit auf Rekordhöhen getrieben. Das freut zwar Russland, das selber hauptsächlich Rohstoffe exportiert. Die G7 allerdings registrieren diese Entwicklung erstens als unangenehme Erhöhung ihrer Produktionskosten und zweitens als verschärften Kampf um schlichten Zugang zu den für die Produktion von Industriegütern notwendigen und unersetzlichen Vorprodukten.

Das schreckt Länder wie Deutschland. Nicht nur mit China, auch mit den USA und Russland stehen drei Atommächte bereit, die die Rohstoff-Vorkommen der Welt zunehmend unter ihre exklusive Kontrolle nehmen bzw. unter Kontrolle haben. Auch in den Auseinandersetzungen mit Russland, Weißrussland und der Ukraine um Produktion und den Transit des russischen Erdgases bemerkt die deutsche Regierung ihre existenzielle Abhängigkeit von anderen Staaten. Pfaffenbach warnt daher davor, dass "politische Weltwirtschaftsmacht missbraucht wird ... Die Verfügbarkeit von Rohstoffen bildet eine der zentralen Grundlagen für die Weltwirtschaft."

Innerhalb der G7 wird der Ruf nach einer "Energieaußenpolitik" immer lauter, um die eigene Verwundbarkeit zu verringern. Daher fordert Deutschland ein Mitspracherecht bei der internationalen Verteilung der Rohstoffe, es "strebt einen intensiven Austausch mit den G8-Partnern über Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz hinsichtlich der Rohstoffvorkommen, ihrer Verfügbarkeit und ihrer Handelsströme an". Der Rohstoffhandel brauche neue "Regeln", und diese Regeln möchte Deutschland natürlich idealerweise selbst festlegen.

Was die Rohstoff-Lieferländer davon haben, was ihre Notwendigkeiten sind, das spielt in dieser Perspektive keine Rolle. Rohstoffe sollen billig und verfügbar sein. Dafür sollen die Lieferanten sorgen, wann immer Bedarf besteht. Damit wird klar gestellt: Die Rohstoffe sind nicht ihre Güter, über die sie verfügen können; sondern sie stehen den Abnehmern zu.

Sicheren Profit mit der Klimakatastrophe

Der rasch steigende Ressourcenverbrauch stellt die Welt aber noch vor eine andere "Herausforderung". Der Schutz des Klimas und die Energieeffizienz sind daher ein weiterer Schwerpunkt beim G8-Gipfel. Damit erkennen die Staatenlenker an, dass die kapitalistische Benutzung der natürlichen Ressourcen es so weit gebracht hat, dass der Bestand des Systems gefährdet ist. Dies ist aus Sicht der Politiker keine Bankrotterklärung, sondern ein "Problem". Der "Kampf um das Klima" verläuft als Kampf um die Verteilung von Kosten und Erträgen des Klimaschutzes. Da trifft es sich für Deutschland gut, dass die USA und China die Hauptverschmutzer sind. 85 Prozent der Kohlendioxid-Gase entstehen laut Merkel außerhalb Europas. Dementsprechend müssen andere die Hauptlast des Klimaschutzes tragen.

Bei den Erträgen dagegen will Deutschland ganz vorne mit dabei sein. Vom Klimaschutz erhofft man sich einen Investitionsboom. "Wir stehen vor einem neuen Hype", meint zum Beispiel die Unternehmensberatung Roland Berger (Wirtschaftswoche, 22.1.07). Da Deutschland in den meisten Sparten erneuerbarer Energien weltweit führend ist, entwickelt sich die Sparte zum "Exportschlager". Daher befürwortet auch die Bundesregierung die Förderung des Klimaschutzes durch "Energieeffizienz", unter anderem durch die Entwicklung der "sauberen Kohle". Da Öl immer teurer wird, sind die "Potenziale für Clean Coal Technologien immens", schwärmt bereits die Deutsche Bank. "Gelingt der Technologiesprung, würde der deutsche Maschinen- und Anlagenbau noch stärker als bisher vom global sehr hohen Investitionsbedarf profitieren." In 15 Jahren, so das Berliner DIW-Institut, werde die Umwelttechnik in Deutschland die Autoindustrie als Leitindustrie abgelöst haben. So lukrativ kann Verantwortung für das globale Klima sein.

So sieht sie aus, Deutschlands G8-Agenda. Sie zielt darauf ab, die Regeln des internationalen Geschäftsverkehrs in den Dienst der (deutschen) Kapitalrendite zu stellen. Bei Analyse und Kritik dieser Agenda muss man allerdings darauf achten, nicht in die "Nationen-Falle" zu laufen: Die Akteure sind hier zwar Regierungen, Länder. Dennoch verteilen sich auch innerhalb der Länder GewinnerInnen und VerliererInnen der Agenda. Während den Unternehmen bessere Verwertungsbedingungen geschaffen werden, sind Lohnabhängige, Arbeitslose, Kranke und RentnerInnen weiter zur Bescheidenheit aufgefordert. Mit Flexibilität, Mobilität, Sparsamkeit und Lohnzurückhaltung sollen sie dazu beitragen, dass "Deutschland" die verbesserten Verwertungsbedingungen auch nutzen kann.

Anna Blume und Stefan Kaufmann

Anmerkungen:

1) Titel des jüngsten Buches von Gabor Steingart, Ressortleiter Wirtschaft des "Spiegel".

2) Bernd Pfaffenbach: Schwerpunkte des G8-Gipfels der Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm vom 6.-8. Juni 2007. 10. Oktober 2006. Das Papier des persönlichen Beauftragten der Bundeskanzlerin für den G8-Gipfel stellt die offizielle G8-Agenda der Regierung dar.

3) Zum Vergleich: Deutschlands Wirtschaftsleistung eines Jahres liegt bei etwa 2.800 Mrd. US-Dollar.