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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 518 / 22.6.2007

Linke Hochschulgruppen finden zusammen

Über die Chancen des neuen Hochschulverbandes Die Linke.SDS

Über einen Monat vor dem Gründungsparteitag des WASG-PDS-Zusammenschlusses DIE LINKE haben linke Hochschulgruppen bereits einen Hochschulverband der Partei aus der Taufe gehoben. Drei Tage lang tagten und debattierten Anfang Mai VertreterInnen von 34 älteren PDS- und neueren WASG-Hochschulgruppen in Frankfurt bei ihrem Gründungskongress und stritten dabei weniger über die Ausrichtung des neuen Verbandes sondern vielmehr um dessen Namen: Nach langem Tauziehen stand der neue Name fest: Die Linke.SDS.

In zwei Thesenpapieren (1) hatten die Hochschulgruppen bereits im Vorfeld der Gründung über das Namenskürzel "SDS" debattiert. Während die einen die Stärken des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes hervorhoben und auf "Aufklärung und Aktion" bauten, warnte das zweite Papier vor "bloßer Appellrhetorik" und "vergangenheitsorientierten Schwärmereien" und forderte eine stärkere Reflexion der veränderten Hochschullandschaft ein, jedoch ohne selbst konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Und so lagen am 5. Mai, pünktlich zu Karl Marx' Geburtstag, den Delegierten des Gründungskongresses am Ende zwei Vorschläge zur Abstimmung vor. Schlussendlich setzten sich die VerfechterInnen des Namensanhängsels Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband (SDS) gegen den Vorschlag Die Linke.Campus durch.

Das "Koordinierungsgremium" des Hochschulverbandes in spe hatte zuvor großspurig verlauten lassen: "Ein Gespenst geht um an den Hochschulen: das Gespenst eines neuen linken Hochschulverbandes." Ob dem so ist, wird sich noch zeigen müssen. Auch, ob Chancen und Perspektiven gesehen und genutzt werden. Wird es gelingen, den Verband auch für bereits bestehende linke Hochschulgruppen ohne Parteibindung attraktiv zu machen? Wie groß ist die Gefahr, dass der Verband Teil einer Parteikarriereleiter wird oder nichts anderes als einen linker Juso-Verband darstellt? Die ersten Schritte machen erst einmal Hoffnung. Beim Namen wie auch in den Abstimmungen über die Verbandsposten wurden die Kräfteverhältnisse im neuen Verband deutlich. Die Fraktion der "alten" parteinahen Hochschulgruppen, die einer Öffnung des Hochschulnetzwerkes kritisch gegenüberstanden, wurde abgestraft. Stattdessen setzte sich die Linie derer durch, die schon im Frühjahr mit dem größten studentischen Kongress der letzten Jahre "Get up - stand up" in Frankfurt einen Erfolg feiern konnten, die einen Blick über den Tellerrand wagten und z.B. für die G8-Proteste mobilisierten. Teil dieses Flügels sind vor allem die neugegründeten WASG-Hochschulgruppen, in denen sich auch einige trotzkistische LinksruckerInnen tummeln. Gemeinsam haben sie einen positiven Bezug auf die sozialen Bewegungen stark gemacht.

Ein wenig Bewegung könnte auch an den Universitäten nicht schaden. Die Gründung des Verbandes fällt in die Phase der fast abgeschlossenen neoliberalen Umstrukturierung der Hochschullandschaft. Der Bologna-Prozess auf europäischer Ebene und das globale Dienstleistungsabkommen GATS sehen die Errichtung eines einheitlichen Bildungsmarktes vor. Mit der Einführung allgemeiner Studiengebühren, den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen und der Schaffung marktförmiger Leitungsgremien an den Hochschulen wurde dieser Umbau in den vergangenen Jahren bundesweit vorangebracht. Trotz teilweise massiven Widerstands, z.B. in Hessen und Hamburg, muss man jedoch festhalten, dass sich die einst als rebellisch geltende Studierendenschaft im Zuge der neuen gouvernementalen Formen gewandelt hat. So konstatiert Nele Hirsch, Linksparteiabgeordnete im Bundestag und ehemalige Vorsitzende des studentischen Dachverbandes fzs, in einem Thesenpapier über die Perspektiven linker Hochschulpolitik ganz richtig: "Kein Wunder also, dass immer mehr Studierenden jegliches Verständnis von den Möglichkeiten einer gemeinsamen Interessenvertretung fehlt. Wenn einem Tag für Tag eingetrichtert wird, dass man nur Erfolg hat, wenn man sich gegen andere durchsetzt, dann mutet es natürlich als eine recht eigentümliche Vorstellung an, kollektiv für gemeinsame Interessen zu streiten." (2)

Linke Hochschulgruppen in der Defensive

Das hat auch Folgen für die Entwicklung einer kritischen Studierendenschaft. Seit dem Lucky Streik 1998 gab es keine flächendeckenden und massenhaften Proteste mehr. Außerdem sind immer weniger Studierendenvertretungen fest in Hand linker Hochschulgruppen. Zum einen haben "unpolitische" Fachschaftslisten an Gewicht gewonnen, dazu gesellt sich eine neue Entwicklung: In den vergangen Jahren haben rechte Gruppen vom RCDS bis hin zu rechten Juso-Gruppen die studentische Interessenvertretung als Feld für sich entdeckt. Schließlich ist Engagement in den Gremien der studentischen Selbstverwaltung längst kein Makel mehr im Lebenslauf sondern eher ein Pluspunkt im Wettbewerb der Arbeitssuchenden, von denen Flexibilität, Teamfähigkeit und Selbstständigkeit verlangt wird. Eigenschaften, die gerade die Selbstverwaltung lehrt. Die Stärke der rechten ASten, die durch ihre unkritische Zusammenarbeit mit Unileitungen und ihre Billigung von Kommerzialisierungstendenzen der neoliberalen Wende Vorschub leisten, resultiert dabei auch aus der Schwäche vieler linker Hochschulgruppen, die die Relevanz von sogenannten Serviceleistungen für Studierende (z.B. Beratung, Klausurhilfen) unterschätzt haben.

Mit dem faktischen Ende des Bündnisses linker und radikaldemokratischer Hochschulgruppen (LiRA) 2006 ist der Versuch einer Bündelung linker Kräfte nach nur wenigen Jahren gescheitert. Noch kurzlebiger waren die im "Summer of Resistance" 2005 entstandenen basisdemokratischen Vernetzungsstrukturen, wie das Nordnetz, die inzwischen zusammengebrochen sind. Die Linke ist daher längst auch an den Hochschulen in die Defensive geraten. Der neue Hochschulverband muss diese Entwicklungen analysieren und Perspektiven entwickeln. Vor allem kommt ihm die Aufgabe zu, eine Reorganisierung und Bündelung linker Kräfte an den Universitäten zu fördern.

Es bleibt also abzuwarten, ob der rechte CDU-Studierendenverband RCDS mit seiner Pressemitteilung als Reaktion auf die Neugründung recht behält: "Damit erreicht die Formierung der radikalen Linken an unseren Universitäten eine neue Dimension. Was es - auf häufig destruktive und manchmal sogar gewalttätige Art und Weise - bisher an linkem Aktionismus an unseren Hochschulen gab und gibt, erreicht nun einen ungekannten Organisationsgrad."

Jonas Füllner

Anmerkungen:

1) Sophie Dieckmann u.a.: Vom SDS lernen heißt ... Sozialismus Nr. 309 und Dominik Düber u.a.: Es ist 2007 und nicht mehr 1968. Sozialismus Nr. 310, beide online abrufbar: www.linke-sds.org

2) Nele Hirsch: Perspektiven linker Hochschulpolitik. Z. - Zeitschrift Marxistische Erneuerung Nr. 70