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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 519 / 17.8.2007

Wenn man nicht kämpft, ist alles unrealistisch

Raul Zeliks Roman über die Konflikte im Baskenland

Im Oktober erscheint der Roman "Der gefrorene Mann" des im Untergrund lebenden Schriftstellers und ETA-Mitgliedes Joseba Sarrionandia (ak 494) im Blumenbar Verlag. Übersetzt haben das Buch Raul Zelik und Petra Elser. Raul Zelik scheint Gefallen am Werk Sarrionandias gefunden zu haben. Auch Alex ist fasziniert und meint: "Lies die Romane von Sarrionandia". Alex, das ist die Hauptfigur des im Baskenland spielenden neuen Romans "Der bewaffnete Freund" von Raul Zelik.

Alex, Berliner in den Mittdreißigern, ist in die baskische Hauptstadt Bilbao gekommen, um im Rahmen eines wissenschaftlichen EU-Projektes die europäische Identität zu erforschen. Eines Tages liest er in der Zeitung, dass sein alter Freund Zubieta inzwischen einer der meist gesuchten Menschen Europas ist, als führender Kopf der ETA gilt und nach Europa zurückgekehrt sein soll. Als ihn ein ETA-Mittelsmann bittet, Zubieta quer über die iberische Halbinsel zu fahren, beginnt für Alex eine aufregende Reise.

Sympathien für die Menschen des Baskenlandes

Mit "Berliner Verhältnisse" legte Raul Zelik zuletzt ein humorvolles Buch über den (linken) Alltag vor. Dem Baskenland nähert sich Zelik nun mit deutlich mehr Respekt. Ähnlich seinem Erstlingswerk "Friss und stirb trotzdem", das den Mord an dem Nazi-Funktionär Kaindl und die Folgen für die (migrantische) Linke in Berlin literarisch verarbeitete, spiegelt "Der bewaffnete Freund" eine reale Geschichte wider. Einige Figuren des Romans sind reale Personen, nur mit neuen Namen. So verhalf der spätere ETA-Führer Albizu, hier Zubieta, dem Schriftsteller Sarrionandia 1985 zur Flucht.

Auch 2006 ist von Entspannung nicht viel zu spüren, obwohl die ETA seit vier Jahren die Waffen ruhen lässt. Der spanische Staat verfolgt unnachgiebig ETA-AktivistInnen und -UnterstützerInnen. In ständiger Angst, von der Polizei geschnappt zu werden, ist Alex hin und her gerissen, wie weit er seinem Freund helfen will. Als sei das nicht schon schwierig genug, beschäftigt ihn seine gescheiterte schwule Beziehung mit seinem Freund Rabee und seine Unfähigkeit, Nähe zuzulassen, z.B. wenn es um sein Verhältnis zu Hanna, seiner vierjährigen, bei der Mutter lebenden Tochter geht. Und so ist "Der bewaffnete Freund" mehr als ein spannendes "Roadmovie": Es geht um den Mut, etwas zu wagen und die Hoffnung, etwas verändern zu können, aber auch einfach um Freundschaften und Beziehungen.

Seit Jahren bereist Raul Zelik neben Lateinamerika auch das Baskenland. Aus seinen Aufenthalten in Lateinamerika resultierten Bücher wie "La Negra" und "Made in Venezuela". Doch aufmerksamen ak-LeserInnen sollte nicht entgangen seien, dass er seit einiger Zeit Texte zur Situation im Baskenland veröffentlicht. (siehe ak 514 und ak 518) Sein Blick streift stets auch über soziale Kämpfe rund um den Globus: die Landlosenbewegung in Brasilien, die widerständigen Berber in Algerien und die "boat people" vor der spanischen Küste - illegale Einwanderer mit dem Traum von einem besseren Leben. Den Konflikt um das Baskenland verdeutlicht Raul Zelik vor allem auf der sprachlichen Ebene. "Organisation/Bande/Gruppe" nennt er in "Der bewaffnete Freund" die ETA, die in spanischen Medien stets als bewaffnete oder terroristische Bande bezeichnet wird. Und das Baskenland und seine Hauptstadt Bilbao, Orte, die einen spanischen und baskischen Namen tragen, heißen einfach "X". Zelik verdeutlicht so die Funktion des "Unsagbaren". "Jede Bezeichnung sorgt für Ein- und Ausschluss", stellt sein Protagonist Alex fest. "Man ordnet sich durch die gewählte Bezeichnung einem der verschiedenen Lager zu."

Seine Sympathien gelten dabei eindeutig den Menschen im Baskenland: Sie spielen Pelota, trinken den Apfelwein Sagardoa und feuern ihr Ersatznationalmannschaft Athletic Bilbao an. Ein wenig verklärt und äußerst pittoresk wirkt dies manchmal, doch macht gerade das Raul Zeliks Bücher aus. Ihm gelingt es, einen Lifestyle zu vermitteln, der anspricht, der Verständnis und auch Faszination für das Baskenland weckt. Klar, neben guter Musik und Alkohol, reden Zeliks Protagonisten auch viel über die politische Geschichte der Region rund um die Pyrenäen. Trotzdem ist "Der bewaffnete Freund" nicht vordergründig ein politisches Buch. Politisch ist an dem Buch eher die Tatsache, dass nicht bloß moralisch geurteilt und die baskische Linke pauschal verurteilt wird. Stattdessen kommt in Gestalt des flüchtigen Rebellen Zubieta auch die Gegenseite zu Wort. Das führte sogleich bei dem einen oder anderen zu panikartigen Reflexen. "Das ist nicht Pop-, sondern Agit-Prop-Literatur", wetterte etwa in der taz vom 2. August Rezensent Andreas Fanizadeh. Wer solche Kritiken bekommt, der kann nicht alles falsch gemacht haben ... Raul Zelik, das ist wirklich schöne Pop-Literatur für die junge Linke. Und "Der bewaffnete Freund" ein Buch, das Position bezieht und doch Fragen stellt.

Gute Musik, Alkohol und ... Politik

Nebenbei bietet der Roman eine kleine Einführung in die Geschichte und Gegenwart des Baskenlandes. Nicht identitär und folkloristisch sondern eben aus einer antikapitalistischen Sichtweise. Vor allem aber ist "Der bewaffnete Freund" ein spannender Roman. Wunderbar als Urlaubslektüre geeignet, die einen packt und nicht mehr los lässt. Das entschädigt auch für das doch recht kitschig geratene Ende.

Jonas Füllner

Raul Zelik: Der bewaffnete Freund. Blumenbar, München 2007, 287 Seiten, 18 EUR