Aufgeblättert
Der Libanonkrieg 2006
Eine engagierte Kritik der US-amerikanischen und israelischen Politik zu schreiben, ist nichts Verwerfliches. Ebenso wenig verwerflich ist es, auf die Widersprüche zwischen Kriegsrealität und Legitimationsversuchen hinzuweisen. Problematisch an dem Buch "Der 33 Tage-Krieg. Israels Krieg gegen Hisbollah im Libanon und seine Konsequenzen" ist jedoch der Anspruch der Verfasser Gilbert Achcar und Michael Warschawski, die "Lücke im spärlich vorhandenen Wissen über den Libanon und die Hisbollah" zu schließen und eine "fundierte Bewertung des aktuellen Israel-Libanon-Konfliktes" zu leisten - während sie hauptsächlich die bekannte und vielfach formulierte Kritik der US-amerikanischen und israelischen Politik reproduzieren. Dies zeigt sich etwa in der Darstellung der Hisbollah auf knapp zehn Seiten, die unterbrochen wird von polemischen Einwürfen gegen die USA und Israel. Zu finden sind etwa Hinweise auf die "sozialen Dienstleistungen" der Hisbollah, allerdings ohne eine genauere Analyse dieser oft genannten sozialen Seite einer Organisation, die auch eine politisch-militärische ist. Die Darstellung der militärischen Seite der Hisbollah lehnt sich sehr eng an das Selbstverständnis der Hisbollah an. So ist etwa die Rede von der "im Interesse des Libanon legitimen Bewaffnung" zur Landesverteidigung. Dass die militärischen Aktionen der Hisbollah gegen Israel auch dazu dienen, sich im innerlibanesischen Konflikt zu profilieren, bleibt ausgeblendet. Die Darstellung der Geschichte Libanons von der Staatsgründung bis 2006 ist mit einem Umfang von fünf Seiten ebenfalls sehr kompakt. Mehrfach wird der Libanonkrieg 2006 als Teil eines von USA und Israel geplanten und durchgeführten "unbegrenzten globalen Krieges" auf der Basis einer "gemeinsam erarbeiteten Strategie der Neokonservativen beider Länder" bezeichnet. Die Formulierung, die USA und Israel seien ein "zweiköpfiges Monster", ist dann eine Konsequenz dieser Perspektive und macht die analytischen Schwächen deutlich.
Ismail Küpeli
Gilbert Achcar und Michael Warschawski: Der 33 Tage-Krieg. Israels Krieg gegen Hisbollah im Libanon und seine Konsequenzen. Edition Nautilus, Hamburg 2007, 93 Seiten, 10,90 EUR
Flexibel weniger Lohn
Die Tariflandschaft unterliegt einem starken Wandel. Die Tarifbindung geht seit Mitte der 1990er Jahre zurück. Es gibt keine wichtige Branche, für die nicht in den vergangenen Jahren substanzielle Öffnungsklauseln vereinbart worden sind. Das "Tarifhandbuch 2007" des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI), das der Hans-Böckler-Stiftung zugeordnet ist, dokumentiert die Tarifabschlüsse der letzten Jahre. Tarifverträge der verschiedenen Branchen zeigen, wie weit die Eingriffe gehen: Löhne, Urlaubs- und Weihnachtsgeld können betrieblich gesenkt werden. In der Chemie-Industrie gibt es niedrigere Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose. Eine Härtefallklausel in der Metallindustrie sieht vor, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich auf 30 Stunden zu verkürzen, wenn der Unternehmer dies will. Eine Klausel für den Einzelhandel in Ostdeutschland sieht geringere Gehälter in kleineren und mittleren Firmen vor. Für immer mehr Beschäftigte hängt darüber hinaus die Höhe der Bezahlung vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ab. Zu den Varianten gehören Einmalzahlungen, jährliche Sonderzahlungen, variabler Bonus oder die Absenkung des Entgeltes bei wirtschaftlichen Problemen des Unternehmens. "Den Arbeitgebern geht es seit Jahren darum, bislang feste Tarifbestandteile gewinnabhängig zu gestalten bzw. dauerhafte Tariferhöhungen durch variable Einmalzahlungen zu ersetzen. Die Gewerkschaften wollen dagegen die Tarifvergütungen möglichst stabil halten und stärkere ertragsabhängige Schwankungen vermeiden", betont der Leiter des WSI-Tarifarchivs Reinhard Bispinck. Der Band beschreibt auch eine besondere Form der betrieblichen Gegenwehr: Streiks für Sozialtarifverträge. Für die Gewerkschaften ist es oft das letzte Mittel, wenn mit Verlagerung ins Ausland oder Betriebsschließung gedroht wird und die Unternehmensleitung lediglich zu Scheinverhandlungen bereit ist. Diese Streiks sind auch eine Protestform gegen Formen der Globalisierung, die zur Verlagerung von Arbeit führen.
Marcus Schwarzbach
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI): WSI Tarifhandbuch 2007, Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2007, 305 Seiten, 19,90 EUR
Zwangsumzüge nach Hartz IV
Die Wirtschaft boomt, und die Zahl der Erwerbslosen geht zurück. Gleichzeitig hat die Zahl der Hartz-IV-EmpfängerInnen einen Höchststand erreicht. Für ihre soziale Situation interessieren sich die Medien kaum noch. Daher ist es um so wichtiger, dass die Berliner Kampagne gegen Zwangsumzüge jetzt mit einem kleinen Buch auf den sozialpolitischen Skandal hinweist. In leicht verständlicher Form, kombiniert mit Gedichten und Prosa von Bertolt Brecht und Georg Büchner, bekommen die LeserInnen eine Ahnung, was Wohnen unter Hartz IV bedeutet. So werden in zahlreichen Städten Erwerbslose zur Senkung ihrer Mietkosten aufgefordert. Die meisten suchen sich eine billigere Wohnung oder ziehen zu Verwandten. Manche verschulden sich, um die Miete bezahlen zu können. Oft gibt es schlicht keine Wohnungen zu den Preisen, die vom Jobcenter als angemessene Höchstmiete deklariert werden. An zahlreichen Beispielen wird aufgezeigt, wie Betroffene von den Ämtern hingehalten werden, wenn es beispielsweise um nötige Bescheinigungen zum Abschluss eines Mietvertrags oder um die Kostenübernahme für Umzüge oder Kautionen geht. Besonders prekär ist die Situation für jugendliche Hartz-IV-EmpfängerInnen. Die werden von den Ämtern teilweise sogar dazu gezwungen, bei ihren Eltern zu wohnen, trotz schwer zerrütteter Familienverhältnisse. Das Buch enthält auch Ratschläge, wie die Betroffenen sich gegen die Vertreibung aus ihren Wohnungen wehren können. Besonders nützlich sind die im Anhang aufgelisteten Adressen von Beratungsstellen, sowie die Notrufnummern und Internetseiten, die beim Kampf gegen drohende Zwangsumzüge hilfreich sind. In einem Kapitel wird ein kurzer Exkurs in die Vergangenheit gemacht. Wer weiß heute noch, dass Anfang der 1930er Jahre in vielen Häuserblocks in den proletarischen Kiezen Berlins der Mietstreik ausgerufen wurde? Damals wurden Zwangsräumungen von einer solidarischen Nachbarschaft mit vereinten Kräften verhindert. Heute ist gemeinsamer Widerstand im Stadtteil schwieriger geworden, weil es kaum feste politische Strukturen gibt. Dass es dennoch möglich ist, die Vertreibung von Menschen aus ihren Wohnungen zu verhindern, wird bei der Lektüre des Buches deutlich.
Peter Nowak
Kampagne gegen Zwangsumzüge (Hg.): Wohnst du noch oder haust du schon? Zur Wohnungsfrage nach dem SGB II, Fachhochschulverlag, Frankfurt am Main 2007, 103 Seiten 8 EUR