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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 522 / 16.11.2007

Vom lokalen Ressourcenkonflikt zur Klimadebatte

Frauen(organisationen) mischen sich verstärkt in internationale Diskussionen ein

Klimawandel ist ein Thema, das Frauenorganisationen und Genderexpertinnen lange Zeit weitgehend ignorierten - im Süden ebenso wie im Norden. Auf internationaler Ebene gab es in der Vergangenheit vereinzelte Frauenaktivitäten bei den Klimakonferenzen, aber an Positionen, die sich direkt auf die Verhandlungen bezogen, mangelte es. Dies hat sich in den letzten Jahren verändert. Frauen versuchen bei den Klimaverhandlungen stärker Fuß zu fassen, von einer Integration der Genderperspektive ist die internationale Debatte aber noch weit entfernt.

Womit hängt die mangelnde Präsenz von Frauenorganisationen auf den internationalen Klimakonferenzen zusammen? Hingewiesen wird bei dieser Frage immer wieder auf die technologische und ökonomische Ausrichtung der Verhandlungen, die soziale Aspekte des Klimawandels vermissen lässt und es somit Frauen schwer macht Genderaspekte einzubringen. Auch das System der Klimakonferenzen macht es den Frauenorganisationen nicht leicht wahrgenommen zu werden. Im Gegensatz zu den Konferenzen der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung sind bei den Klimakonferenzen keine "major groups" (wichtige Akteursgruppen) an der Debatte beteiligt, wie beispielsweise Frauen, Jugendliche oder Gewerkschaften. Stattdessen sind fünf Gruppen mit Beobachterstatus eingerichtet worden, denen sich alle Organisationen zuordnen müssen: Umweltverbände, Industrie, Forschung, regionale und lokale Regierungen und Indigene Völker. Die Frauenorganisationen müssen ihre Interessen somit zuerst in der großen Gruppe der Umweltverbände durchsetzen und dabei auch in Konkurrenz zu ihnen treten, um beispielsweise im Plenum sprechen zu können.

Dieser strukturelle Nachteil bei den internationalen Klimaverhandlungen beantwortet aber nicht die Frage, warum auch auf nationaler und selbst lokaler Ebene - eine Ebene, auf der Frauen sonst am präsentesten sind - das Thema Klimaschutz nicht zu den Frauen vorgedrungen ist. Eine mögliche Antwort wird am Ende des Artikels präsentiert.

Aber die Zeiten (und Themen) ändern sich, auch bei den Frauenorganisationen: Das Thema Klimawandel ist in den Medien mittlerweile so präsent, dass sie Verbindungen zu ihrem ursprünglichen Thema erkennen - der Gleichstellung der Geschlechter. So haben beispielsweise viele "Frauenzeitschriften" über die Foto-Aktion von genanet berichtet, bei der das Thema Frauen und Klimaschutz im Fokus stand, teilweise mit einer sehr differenzierten Berichterstattung über die Genderkomponenten in diesem Themenbereich. Die Frauen selbst sind bereits sensibilisiert für das Thema, das zeigt beispielsweise eine kürzlich veröffentliche Untersuchung und ein darauf basierendes Manifest von zwei englischen Frauenorganisationen (1). Deren Daten bestätigen, was wir auch aus Deutschland wissen: Frauen sind deutlich besorgter über den Klimawandel als Männer und sie sind wesentlich häufiger der Meinung, dass die Politik zu wenig unternimmt, um das Problem zu lösen. Und sie zeigen sich auch sensibler bei ihren Konsumgewohnheiten und sind eher bereit, Klimaschutz dabei zu berücksichtigen.

Frauen und Männer unterscheiden sich in ihrer Einstellung gegenüber dem Klimawandel und auch in ihrer Bereitschaft, den eigenen Lebensstil zu ändern. Aber trifft es auch zu, dass der Klimawandel Frauen anders als Männer betrifft oder anders herum: dass Klimapolitik genderrelevant ist?

Männer sind vom Klimawandel anders betroffen

Unbestritten ist die größere Vulnerabilität von Frauen im Süden. Ursache hierfür sind ökonomische, soziale und kulturelle Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, die wiederum zu mangelndem Zugang zu Ressourcen jeglicher Art führen - ob es um Finanzen, Informations-/Frühwarnsysteme oder Netzwerke geht. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung führt dazu, dass Frauen die Auswirkungen des Klimawandels vor allem im Bereich der Versorgungsarbeit zu spüren bekommen: natürliche Ressourcen wie Wasser oder Feuerholz sind schlechter verfügbar, auch die landwirtschaftliche Produktivität leidet. Somit steigt die Belastung für die Frauen, die eigene Familie zu versorgen und zusätzlich Einkommen zu erwirtschaften, beispielsweise durch den Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten auf lokalen Märkten. In stark abgeschwächter Form zeigt sich diese größere Vulnerabilität von Frauen auch im Norden - vor allem dadurch, dass Frauen finanziell schlechter gestellt sind und ebenfalls mehrheitlich Sorge für das Wohl der Familie tragen.

Ein deutlicher Unterschied zwischen Frauen und Männern ist auch bei den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels festzustellen: Frauen im Norden reagieren empfindlicher auf Hitze als Männer, was sich in der höheren Sterberate bei Frauen in allen Altersgruppen während der Hitzewelle 2003 zeigte. Dramatischer ist aber auch hier wieder die Situation im Süden, beispielsweise durch die Zunahme der Malaria. So sind Schwangere doppelt so anziehend für Malaria übertragende Mücken wie der Rest der Bevölkerung, gleichzeitig reduziert sich ihre Immunität gegen die Erkrankung. Die Folgen der Malaria gelten als verantwortlich für ein Viertel der Müttersterblichkeit.

Ein Bereich, der zunehmend in das Blickfeld von Politik und Forschung rückt, ist die prognostizierte Zunahme von Katastrophen und Konflikten durch den Klimawandel. Neben den allseits bekannten wetterbedingten Katastrophen wie Hurrikans, Überschwemmungen infolge heftiger Regenfälle oder Dürren werden die Konflikte und Kriege um Ressourcen wie Erdöl und Wasser zunehmen - mit den bekannten Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Weil es hier zahlreiche Erfahrungen und sehr gute Publikationen aus dem Bereich des Katastrophenmanagements und der Risikovorsorge insbesondere aus dem Süden gibt (2), fällt bei den aktuellen Veröffentlichungen zu dieser Thematik der Mangel an Gendersensibilität ins Auge:

- Frauen sind immer stärker betroffen als Männer, weil vor allem sie das Überleben der Familien sichern. Gleichzeitig verhindern kulturelle und gesellschaftliche Normen ein angemessenes Verhalten von Frauen im Katastrophenfall, zum Beispiel wenn sie das Haus nur in Begleitung männlicher Verwandter verlassen dürfen.

- Frauen sterben häufiger in Katastrophensituation, Männern eher bei den Aufräumarbeiten.

- Frühwarnsysteme erreichen Frauen häufig nicht ausreichend.

- Frauen und Mädchen sind in Post-Katastrophen-/Konfliktsituationen, wie in Camps und Flüchtlingslagern, sexueller Gewalt ausgesetzt.

- Die Migrationssituation von Frauen und Männern ist sehr unterschiedlich, sowohl in den Herkunfts- als auch in den Zielländern - was angesichts der zu erwartenden Klimaflüchtlinge von hoher Relevanz ist.

Von den Erfahrungen des Südens lernen

Diese Beispiele zeigen deutlich, wie stark Frauen unter Katastrophen und Konflikten leiden - die sich bislang vor allem im Süden ereignen. Die Geschlechterunterschiede im Norden sind hingegen verdeckter und zeigen sich erst in tiefer gehenden Analysen. An denen mangelt es aber in fast allen Bereichen, die mit Klimawandel und Klimaschutz verbunden sind. Die Frauen im Süden haben sich bereits intensiv mit den einzelnen Handlungsfeldern des Klimawandels befasst - mit Energie und Wasser, Landwirtschaft, Biodiversität und Katastrophenmanagement, aber sie betrachten die Themen selten unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes. Durch die intensive Bearbeitung der einzelnen Themenbereiche sind jedoch sehr gute Materialien, Daten, Instrumente, Netzwerke und Aktionsformen vorhanden, an die angeknüpft werden kann und die auch die Basis für Positionen von Frauen in den Klimaverhandlungen bilden können.

Alle Themen, die sehr gut aus der Genderperspektive bearbeitet sind - dies zeigt ein Forschungsreview zu Gender und Klimaschutz, den genanet kürzlich im Auftrag der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) erstellt hat - können auf gut funktionierende und finanzierte Netzwerke zurückgreifen, auffällig häufig finanziert durch die Niederlande. Die Bundesregierung täte gut daran, ihr internationales Image weiter aufzupolieren, indem sie das oft geforderte Internationale Netzwerk Gender und Klimaschutz unterstützen und damit den Weg zu geschlechtergerechten und innovativen Klimaverhandlungen bereiten würde.

Diese kurze Situationsbeschreibung beantwortet indirekt auch die oben gestellte Frage, warum Frauen(-organisationen) so wenig an nationaler und lokaler Klimapolitik beteiligt sind. Sie sind es, aber nicht unter dem Label der Klimapolitik. Es wird eine zukünftige Aufgabe sein, diese Verbindungen stärker herauszuarbeiten und damit den Frauen den Zugang zu den übergreifenderen Klimadebatten zu ebnen, in denen sie ihre Positionen zu den Verhandlungen formulieren können.

Notwendige Eingriffe gegen die Interessen der Industrie

Ist die stärkere Beteiligung von Frauen auf den Klimakonferenzen nur eine Frage der Gerechtigkeit? Oder bevorzugen Frauen auch andere Lösungsstrategien gegen den Klimawandel als Männer? Es deutet einiges darauf hin: Da Frauen weniger Vertrauen in die Technik setzen als Männer, würden sie wahrscheinlich auch andere Problemlösungen favorisieren. Technische Maßnahmen wie die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid oder der Ersatz des einen Kraftstoffes (Erdöl) durch einen anderen Kraftstoff (wie Biodiesel oder Pflanzenöl), widersprechen den stärker vorsorgeorientierten Ansätzen von Frauen, die grundsätzlichere Fragen in den Vordergrund stellen: den Umstieg vom Individualverkehr auf öffentliche Transportsysteme als wesentliche Voraussetzung zur Emissionsreduktion. Auch die Kompensation von Kohlendioxid-Emissionen, um damit dann zweifellos wichtige Entwicklungsprojekte zu fördern, aber gleichzeitig die Botschaft zu vermitteln "je mehr du fliegst, desto mehr Gutes tust du für die Armen dieser Welt", würde von Frauen deutlich stärker in Frage gestellt werden.

Frauen sind nicht die besseren Menschen, aber sie sind aufgrund der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der Zuweisung der Versorgungs- und Fürsorgearbeiten sensibler für Entwicklungen, mit denen wir Probleme auf kommende Generationen verlagern.

Einzelne Frauen an der Spitze der Staaten sind wichtig als Signal, werden den erforderlichen Wechsel im Umgang mit den globalen Umweltveränderungen aber nicht vorantreiben können. Solange die Regierungen in erster Linie von den Interessen der Industrie geleitet sind, können sich die Fraueninteressen nicht durchsetzen - egal, wie viele Frauen beteiligt sind. Wir verlieren dadurch die Innovationskraft von Frauen, ihre kooperativen Verhandlungsformen, die integrierenden Debatten, offene Diskurse über alternative Entwicklungspfade und innovative Lebensstile - kurz: wir verlieren die Vielfalt. Das ist nicht nur schade, sondern damit werden auch Chancen zur Rettung des Planeten Erde vertan.

Ulrike Röhr, Anja Wirsing

Anmerkungen:

1) Women's Environmental Network und National Federation of Women's Institutes, Großbritannien

2) siehe www.gdnonline.org

Zum Weiterlesen: Women and Global Climate Change. Women and Environments International Magazine, No 74/75. Toronto, Canada 2007

Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift "Politische Ökologie", Heftnr. 106/107, 2007. Er wurde uns dankenswerterweise von Genanet, der Leitstelle für Geschlechtergerechtigkeit, Umwelt und Nachhaltigkeit, zur Verfügung gestellt, siehe www.genanet.de