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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 522 / 16.11.2007

Handreichungen zum Klassenkampf

Fischen mit Dynamit

März 2007: Die Aktien der US-Darlehensbank New Century Financial sind innerhalb weniger Tage von 66 Dollar auf 4,50 Dollar abgestürzt. 2003 und 2004 noch auf der Fortune-Liste der am schnellsten wachsenden Firmen in den USA, geht mit New Century einer der größten Akteure auf dem US-Hypothekenmarkt in Konkurs. "Das sei wie Fischen mit Dynamit", beschreiben Analysten die Hypothekenkrise in den USA: Erst erwischt es die Kleinen, aber dann treibt es auch die großen Brocken nach oben; New Financial war der erste - aber bei weitem nicht der letzte große Fisch in einer gigantischen und sich zunehmend internationalisierenden Kapitalvernichtungsaktion.

In den Jahren 2003-2005 hatten die US-amerikanischen Finanzinstitute eine wahre Goldgrube entdeckt - den Immobilienmarkt. Bis in die unteren Einkommensregionen hinein träumten Amerikanerinnen und Amerikaner vom Eigenheim, und die Finanzdienstleister machten diesen Traum möglich. Aggressive Kreditanbieter wie New Century warben mit hohen Krediten zu niedrigen (allerdings variablen) Zinsen, ohne besondere Bonitätsprüfungen. Die Wertsteigerung bei den Immobilien schien Absicherung genug. Auf 600 Mrd. Dollar, d.h. 20% des gesamten Hypothekenmarktes in den USA belief sich allein im Jahr 2006 der Umfang der so genannten Subprime-Darlehen, das war fünf Mal so viel wie vor sechs Jahren. In diesem Immobilien-Hype hat auch die Crème de la crème der Finanzwelt Blut geleckt, denn schließlich brauchten Hypothekenbanken wie New Century ihrerseits Geld für ihre Kredite. Gebündelt in Pools wurden die Kredite weltweit an andere Banken, Fondsgesellschaften, Hedge-Fonds und Versicherungen weiterverkauft, und die griffen kräftig zu. Allein New Century hat auf diese Weise 17 Mrd. Dollar von Finanzriesen wie Goldman Sachs, Morgan Stanley, UBS oder der Deutschen Bank erhalten.

Das Ende des Häuserbooms kam in den USA 2005/2006, verbunden mit einem deutlichen Zinsanstieg. Die Dynamitstange war ins Wasser geworfen, und die Immobilienblase platzte. Einkommensschwache Häusle-BauerInnen trieb es in den Ruin. Sie konnten ihre über die Zinsvariabilität inzwischen teurer geworden Kredite nicht mehr bedienen. Häuser mussten verkauft werden, die Preise fielen, Kredite wurden faul, und die Finanzwelt wurde mit in den Strudel gerissen. Bis August 2007 hatten bereits 116 Hypothekenbanken in den USA ihr Geschäft eingestellt, jetzt erwischte es den Marktführer im US-Hypothekengeschäft, die Firma Countrywide. Das Unternehmen konnte seine ausstehenden Kredite im Umfang von einer Mrd. Dollar nicht mehr eintreiben, die Aktien fielen ins Bodenlose. Um die Insolvenz abzuwenden, musste sich die Bank insgesamt 11,5 Mrd. Dollar bei anderen Banken leihen und einen Anteil von zwei Mrd. Dollar an die Bank of America verkaufen. Gleichzeitig wurden binnen drei Monaten 12.000 Arbeitsplätze - ein Fünftel der gesamten Belegschaft - gestrichen. Ähnlich erging es einem anderen Branchenriesen, der First Magnus Bank. Diese meldete im August Konkurs an, 5.000 Beschäftigte standen auf der Straße.

Über die vielfältigen Kreditbeziehungen der Hypothekenbanken mit anderen Finanzkonzernen erreichte die Krise am US-Hypothekenmarkt im August die internationalen Börsen. An der Wall Street sackte der Dow Jones Index binnen eines Tages um 2,8% ab. Die Kurse in Lateinamerika verloren zwischen 2,5 und 3,3% , der Nikkei-Index in Tokio um 2,6%, der DAX in Frankfurt um 2%. In Hongkong schloss die Börse mit einem Minus von 2,9%. Nachdem bereits die US-Notenbank mit Milliarden-Spritzen den Not leidenden US-Banken unter die Arme gegriffen hatte, butterte jetzt auch die japanische Notenbank 6,2 Mrd. Euro ins System, und die Europäische Zentralbank legte 94,4 Mrd. Euro zusätzlich auf den Tisch

Genützt hat das freilich wenig. Im September erwischte die Krise den britischen Baufinanzierer Northern Rock. Panische Kunden räumten ihre Konten und entzogen der Bank binnen weniger Tage 2,9 Mrd. Euro. Erstmals seit 30 Jahren griff die Bank of England ein, um das Institut vor der Insolvenz zu retten. Die deutsche Mittelstandsbank IKB vermeldete Verluste von fünf Mrd. Euro. Mit einer Finanzspritze von 8,1 Mrd. Euro übernahm die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau die IKB-Risiken und bewahrte das Unternehmen vor dem Konkurs. Ebenfalls im September gab die Deutsche Bank Verluste von 1,7 Mrd. bekannt. Kreditzusagen im Umfang von 29 Mrd. Euro mussten laut Vorstandschef Josef Ackermann "neu bewertet werden". Bis heute belaufen sich die Verluste aus dem Hypothekengeschäft bei der Deutschen Bank auf 2,2 Mrd. Euro. Bei der Commerzbank rechnet man mit Verlusten in Höhe von 100 Mio. Euro, und bei der WestLB werden 300-400 Mio. Euro geschätzt.

Und inzwischen ist die Krise bei den Giganten des internationalen Finanzkapitals angekommen: Die größte Bank der Welt, die Citygroup, musste elf Mrd. Dollar abschreiben. Mit der Neubewertung der Bank wurden knapp 370 Mrd. Dollar buchstäblich ausradiert. Bei Meryll Lynch belaufen sich die Sonderabschreibungen auf acht Mrd. Dollar, bei der viertgrößten US-Bank, Wachovia, waren es innerhalb eines Quartals bereits 1,3 Mrd. Dollar. JP Morgan schrieb bis heute ebenfalls 1,3 Mrd. Dollar ab, Goldman Sachs 1,5 Mrd. Dollar, Morgan Stanley eine Mrd. Dollar. Die schweizerische UBS hat 5,6 Mrd. Dollar verloren und die US-Bank Bear Stearns 200 Mio. Dollar durch den Zusammenbruch zweier Hedge-Fonds im Sommer. Nach heutigen Schätzungen könnten sich alle Abschreibungen am Ende auf insgesamt 250 Mrd. Dollar summieren. Allein in den letzten vier Monaten waren es 40 Mrd. Dollar. Banker gehen davon aus, dass sich die Finanzkrise als Geldvernichtung ungeheuren Ausmaßes bis in das Jahr 2009 fortsetzen wird.

dk