Letzte Ausfahrt Gütersloh
Die Art und Weise, wie kapitalistische Herrschaft ausgeübt wird, wandelt sich, nicht zuletzt mit den sozialen Kämpfen, die gegen sie geführt werden. An den Strategien und Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung lässt sich dieser Wandel der letzten Jahrzehnte beispielhaft studieren: 1977 wurde die Stiftung von Reinhard Mohn, dem Besitzer eines der weltweit größten Medienkonzerne gegründet, um sich fortan auf die Seite derer zu stellen, die dieser Gesellschaft Gutes tun wollen. So bringt man sich gezielt und ressourcenstark in gesellschaftliche Denkprozesse ein. Man initiiert ExpertInnen-Gruppen, erarbeitet Studien und diskutiert mit WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und JournalistInnen über nahezu alle politischen Felder. Was das jeweils Beste ist, orientiert sich dabei an den Maßstäben von Effizienz und Nützlichkeit für den Wirtschaftsstandort, wird aber zugleich in Begriffen des Allgemeinwohls umschrieben. Gemeinsinn soll gefördert werden, Familie und Beruf sollen vereinbar, kommunale Haushalte partizipativ gestaltet sein.
Der Schwerpunkt dieser Ausgabe von analyse & kritik widmet sich den Aktivitäten von Bertelsmann im Bereich der Hochschulpolitik. Mit dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) gründete Bertelsmann 1994 eine Institution, die von der Rechtsform privat ist, also jeder demokratischen Kontrolle entzogen, und zugleich öffentliche Funktionen wahrnimmt. Sie begleitet und koordiniert seither fast überall im Land Hochschulstrukturkommissionen. Eine "Selbstbedienungsaktion der Spitzenforschung", so beschreibt Torsten Bultmann die daraus entstandene Eliteförderung. Die Studierendenschaft erfährt die Ergebnisse in Form von Studiengebühren und verschultem Schmalspurstudium mit erhöhtem Leistungsdruck. Zum Glück organisiert sich Widerstand, nicht nur an einzelnen Universitäten, auch in Form von themenübergreifenden Anti-Bertelsmann-Kongressen. Partizipation, Autonomie und Gemeinsinn stehen auch weiterhin im Widerspruch zur marktorientierten Regulierung aller Lebensbereiche.