Trautes Heim - effizient soll's sein!
Zu Hause, im Kreis unserer Liebsten, wollen - und/oder sollen - wir geliebt werden, unabhängig davon, was wir sind und welche Gegenleistung wir für erfahrene Aufmerksamkeit erbringen können. Um dieses Bild vom trauten Heim toben (auch) heute politische Auseinandersetzungen. Sie bringen bisweilen Konstellationen hervor, die für Linke eine Herausforderung darstellen.
Ursula von der Leyen propagiert in medial wirksamer Form die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Damit greift sie etliche Alltagsprobleme auf, die in linken Diskussionen oft liegen gelassen werden, weil das Leben mit Kindern (oder zumindest die Diskussion darüber) verdächtigt wird, eine bürgerliche oder patriarchale Angelegenheit zu sein. Dauerhaft Pflegebedürftige scheint es in linken Kontexten ohnehin nicht zu geben.
Tatsächlich beinhaltet die Politik von der Leyens einige materielle Zugewinne für Besserverdienende. Zudem bildet sie innerhalb hegemonialer Diskurse den fortschrittlichen Kontrapunkt zu konservativen Kreisen, die vom Bild der weiblichen Zuständigkeit für Kinder und alle weiteren Familienangehörigen nicht abrücken wollen. Doch mit ihrer Politik erhöht sich zugleich der Druck, das eigene Zuhause möglichst flexibel an den Anforderungen diverser Jobs auszurichten und es als Ort zu begreifen, an dem jedeR für den Arbeitsmarkt strategisch fit gemacht wird.
Das Ideal von diesem Zuhause als einem Ort der Liebe und Geborgenheit soll man durch individuelle Anstrengung dennoch verwirklichen. Mittlerweile ist dieses Bild (nicht zuletzt durch rotgrüne Diskurse) auch angereichert mit der Vorstellung, alle Menschen würden ihre Liebes- und Familienbeziehungen demokratisch miteinander aushandeln. Selbst die CDU stimmt mit ihrem gerade (wieder) beschlossenen Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, in diesen Chor ein: Dessen Notwendigkeit wird nicht nur mit dem Hinweis auf Traditionen begründet, sondern auch als ein Schritt zu mehr "Wahlfreiheit" für die Eltern verkauft.
Auf diese Weise wird der Abbau gesellschaftlicher Verantwortung für die Sorge um den Menschen zu einem Versprechen auf Demokratie. Das Zuhause stellt sich bei näherer Betrachtung, die wir im Schwerpunkt dieser ak-Ausgabe vornehmen, als Ort dar, der von vielfältigen Widersprüchen und Interessenskonflikten durchzogen ist. Menschen mit Behinderungen wollen ihre Unabhängigkeit; die Diakonie sorgt sich um das Zuhause-Sterben; über die Situation migrantischer Hausarbeiterinnen wird mittlerweile viel gesprochen; eine kritische Auseinandersetzung mit der Ökonomisierung elterlicher Erziehung hat gerade erst begonnen.
Die Entwicklung klarer politischer Alternativen in Bezug auf das Zuhause erfordert eine Kultur, in der man sich über die eigene Reproduktion austauscht und zugleich offen ist für Erfahrungen von Menschen in vollständig anderen Lebenslagen. Diese Alltagserfahrungen dann noch mit einer Analyse neoliberaler Standortpolitik, rassistischer Ausgrenzungen und feministischer Kritik zu verbinden, würde es ermöglichen, die Frage nach alternativen Lebensformen mit dem Ringen um eine andere Gesellschaft zu verbinden.