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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 524 / 18.1.2008

Es gibt nur einen Hugo Chávez

Wahlen beim ANC in Südafrika

Hier zu Lande waren die Meinungen über die Ergebnisse der Mitte Dezember stattgefundenen Nationalkonferenz der südafrikanischen Regierungspartei African National Congress (ANC) recht eindeutig. Bei dem neu gewählten ANC-Vorsitzenden Jacob Zuma handele es sich um einen Linkspopulisten und Volkstribun, der die noch junge Demokratie und den Wirtschaftsaufschwung am Kap gefährden könne. Als Maßstab diente den bürgerlichen KommentatorInnen der venezolanische Präsident, und so war es nicht weiter verwunderlich, dass Zuma rasch zu einem "Chávez für Afrika" (Zeit online 19. Dezember 2007) erklärt wurde.

Hoffnungen auf einen in Südafrika stattfindenden Linksruck sind jedoch verfrüht. Zuma erhielt bei seiner Kandidatur zwar die Unterstützung vom Gewerkschaftsdachverband und von der Kommunistischen Partei (SACP), die zusammen mit dem ANC die regierende Dreierallianz bilden. Von ihm sind aber allenfalls sozialdemokratische Korrekturen des wirtschaftsliberalen Kurses von Staatspräsident Thabo Mbeki zu erwarten.

Mbeki ist nur noch bis 2009 im Amt, da er für eine dritte Amtsperiode nicht mehr kandidieren kann. Die Linke und die Gewerkschaften lasten Mbeki vor allem die zu schnelle Integration der Wirtschaft in den Weltmarkt, die Privatisierungspolitik und die Ausgestaltung des Black Economic Empowerment (BEE) an, die den Gewerkschaften zufolge eher zu einem geringen monetären Transfer von Einkommen und Vermögen als zu einer wirklichen Transformation der noch immer rassifizierten Eigentumsverhältnisse beigetragen hat. Von dieser Politik profitiert nur eine zahlenmäßig sehr kleine Mittelschicht, während die Mehrheit der Schwarzen arm bleibt.

Und so konnte Mbeki seinen von Buhrufen begleiteten Rechenschaftsbericht vor den 4.000 Delegierten des turbulent verlaufenden ANC-Kongresses nur mit Mühe zu Ende bringen. Im Falle seiner Wiederwahl als ANC-Präsident hätte er darüber bestimmt, wen der ANC als Spitzenkandidat für die Wahl nächstes Jahr aufstellt. Und wer wahrscheinlich neuer Staatspräsident wird, denn der ANC erhält bei den Wahlen traditionell etwa zwei Drittel der Stimmen.

Dass Mbekis Vermittlungsproblem sich nicht auf den ANC reduzieren lässt, beweisen Hunderte von Straßenblockaden und Demonstrationen, die sich aus Unzufriedenheit über die soziale Situation seit 2005 im ganzen Land ereignet haben. Von Kapitalseite wird befürchtet, dass sich diese Proteste zu einer nicht mehr vom ANC kontrollierten Massenbewegung der Armen entwickeln könnten. Die südafrikanische Wirtschaftszeitung Business Day sieht das Land gar "am Rande des Abgrunds".

Zuma als Vergewaltiger vor Gericht

Von Zuma wird von Teilen der alten und neuen Eliten eine Integration derjenigen Menschen erwartet, die mit der Demokratisierung 1994 zwar volle Bürger- und Freiheitsrechte erhalten haben, deren soziale Befreiung in der Post-Apartheid-Ordnung jedoch nicht vorgesehen war. Ob er jedoch tatsächlich Nachfolger von Mbeki als Staatspräsident wird, um dann solche Erwartungen eventuell einzulösen, hängt zu einem wesentlichen Teil vom Ausgang eines neuerlichen Korruptionsverfahrens gegen ihn ab, das kurz nach seiner Wahl zum ANC-Vorsitzenden eröffnet wurde und im August zur Verhandlung kommen soll.

Bereits 2005 tauchte der Verdacht auf, dass Zuma in die Betrugs- und Korruptionsangelegenheiten zwischen seinem ehemaligen Finanzberater Shabir Shaik und dem französischen Waffenhersteller Thomson-CSF involviert war. Das Verfahren wurde zwar eingestellt, der Korruptionsverdacht blieb jedoch an Zuma hängen. Im Zuge des Gerichtsverfahrens hatte Mbeki Zuma einer seiner Posten als stellvertretender ANC-Vorsitzender und Vizepräsident des Landes enthoben. Damit war der Grundstein für die Feindschaft der beiden Kontrahenten gelegt.

Den Vorwurf, Mbeki beeinflusse die Justiz, um Zuma auszustechen, hat dieser in der Vergangenheit zu seinem Vorteil einzusetzen vermocht. So interpretierten die AnhängerInnen Zumas sogar den Vorwurf, Zuma habe die Tochter eines ehemaligen Mitkämpfers vergewaltigt, als einen von Mbeki eingefädelten Versuch, dessen Ansehen zu zerstören.

Zuma der neue Chávez Südafrikas?

Während des Gerichtsverfahrens Anfang 2006 demonstrierten viele ANC-AnhängerInnen ihre Solidarität mit Zuma und bedrohten das Opfer der Vergewaltigung und ihre UnterstützerInnen. Im Laufe des Prozesses wurde der Frau auf Grund ihres Vorlebens und ihrer angeblich aufreizenden Kleidung eine Mitschuld am Geschehenen vorgeworfen. Zuma rechtfertigte sein Verhalten mit seinen kulturellen Wurzeln und erklärte, dass er nach dem seiner Meinung nach einvernehmlichen Sex geduscht habe, um die Gefahr einer Ansteckung mit HIV zu bannen. Er wurde freigesprochen und die Klägerin verließ noch am gleichen Tag das Land, um weiteren Anfeindungen zu entgehen. Viele AktivistInnen aus Aids-Gruppen und feministischen Initiativen bewerteten das Verfahren als einen deutlichen Rückschritt für die Geschlechterverhältnisse im Land. Südafrika hat eine der höchsten Vergewaltigungsquoten und HIV-Ansteckungsraten.

Auf Grund dieser Vorgeschichte fällt es schwer, allzu große Hoffungen in den neuen ANC-Chef zu setzen, der sich stärker als sein Vorgänger in der Bekämpfung von Kriminalität und AIDS engagieren will, jedoch in seiner Antrittsrede nicht den neoliberalen Wirtschaftskurs Mbekis in Frage stellte. Trotzdem haben die sozialen Forderungen der Linken durch die Machtverschiebung im ANC Aufwind erhalten.

Fraglich ist, was das für zukünftige Basismobilisierungen bedeuten wird. Ähnlich wie Mbeki steht Zuma in der Tradition einer Befreiungsbewegung, die für sich einen klassenübergreifenden Alleinvertretungsanspruch für die schwarze Mehrheit reklamiert und mitunter autoritär verteidigt. Basisbewegungen, die die Entwicklungskonzepte von Staat und Regierungspartei in Frage stellen, sind in diesem Konzept nicht vorgesehen und werden ausgegrenzt. Dass Zuma diese bisherige ANC-Praxis ändern wird und sich der gesellschaftlichen Demokratisierung "von unten" verschreibt, ist nicht zu erwarten. Hier dürfte wohl einer der zentralen Unterschiede zu Venezuela unter Chávez liegen.

Romin Khan