Mit absoluter Sicherheit
Drei Publikationen zur Repression während des G8-Gipfels
Der G8-Gipfel im Kempinski Grand Hotel Heiligendamm war ein von langer Hand geplantes Großereignis mit vielfältigen Aktionsformen und öffentlichkeitswirksamer Inszenierung - das gilt auch und vor allem für den staatlichen Sicherheitsapparat. Drei Publikationen beleuchten nun die Repression von Seiten des Staates rund um Heiligendamm im vergangenen Jahr.
Es war vorherzusehen, dass die Proteste während des G8-Gipfels in Heiligendamm nicht ohne Konflikte und Repressalien durch die staatliche Gewalt vonstatten gehen. Indes war und ist es im Rückblick nicht minder erschreckend, mit welcher Mannigfaltigkeit an Einsatzformen und ohne Rücksicht auf jegliche rechtsstaatlichen Prinzipien der deutsche Staat vorgegangen ist, um die Sicherheit der Veranstaltung in seinem Sinne zu gewährleisten. Militäreinsatz im Inneren, eine weitgehende Außerkraftsetzung der Versammlungsfreiheit, die Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten, die teilweise Aufhebung der Gewaltenteilung und eine umfassende Einschränkung rechtlicher Betreuungsmöglichkeiten - das sind nur einige Ergebnisse der staatlichen Maßnahmen aus dem letzten Jahr.
Umso erfreulicher ist die Fülle an Publikationen, da sie die Möglichkeit bieten, die Ereignisse noch einmal umfassend Revue passieren zu lassen. Einen stark juristisch geprägten Blick nimmt hierbei das Buch des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) mit dem Titel "Feindbild Demonstrant" ein. Eine Vielzahl an AutorInnen schildern in zumeist sehr fundierter Weise unterschiedliche Aspekte der staatlichen Gewaltmaßnahmen.
Zu Beginn beschreibt Peer Stolle den nicht selten erschwerten Einsatz des Anwaltnotdienstes in Gestalt des eigens für den Gipfel ins Leben gerufenen "Legal Teams". Mit den umfassenden Versammlungsverboten und der damit konformen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt sich Carsten Gericke in seinem Artikel auseinander.
Repression und Fehlinformation
Mit der Schaffung der versammlungsfreien Zone durch den Bau des berühmt-berüchtigten Zauns und weiteren rechtlich mehr als bedenklichen generellen Versammlungsverboten war es für eine ausreichende Sicherheit aus Sicht des Staates allerdings noch längst nicht getan. Von willkürlichen Festnahmeeinheiten, von denen Alain Mundt berichtet, und übelsten Haftbedingungen in Gefängniskäfigen in der Gefangenensammelstelle in Rostock ohne ausreichende Versorgung und rechtliche Betreuung, wie Britta Eder beschreibt, bis hin zu den von Silke Studzinsky kommentierten Schnellverfahren, die eher an Schauprozesse als an rechtsstaatliche Strafverfahren erinnerten - der Staat hat seine scharfen Zähne gezeigt.
Was in der Öffentlichkeit ankam, war trotz allem das "Feindbild Demonstrant" - zu verdanken ist dies nicht zuletzt einer "geschickten" (Des-)Informationspolitik der Polizei in Form gezielter Falschmeldungen, wie Michael Backmund, Ulrike Donat und Karen Ullmann in ihrem gemeinsamen Beitrag schildern. Peer Stolle und Tobias Singelnstein stellen die Ereignisse schließlich in einen grundsätzlicheren Kontext, und ordnen die staatlichen Sicherheitsmaßnahmen in die Entwicklung des präventiv agierenden Sicherheitsstaates ein. Das Buch ist streckenweise etwas überfüllt von rein juristischen Ausführungen, die von einer politischen Betrachtung eher ablenken. Die Fülle an Informationen gibt jedoch insgesamt einen runden und gut gelungenen Überblick über die Ereignisse im letzten Jahr.
In etwas radikalerer Sprache liefert die Rote Hilfe in ihrer Broschüre zum Thema ein "ABC der Repression". Das Fußballspiel dient als Metapher für die Chronologie der Ereignisse. Die Aufwärmübungen stehen hierbei für die staatlichen Vorbereitungsarbeiten, die Versammlungsverbote werden als "Abstecken des Spielfeldes" bezeichnet. "Blutgrätschen und sonstige Fouls" in Gestalt massiver Gewaltanwendung, Freiheitsbeschränkungen und Einschüchterungen anderer Art werden in einem weiteren Kapitel beleuchtet. Unter dem Motto "Neu: jetzt ohne Schiri" beschreiben die AutorInnen die Vielzahl von Rechtsverletzungen durch die staatliche Gewalt. Schlussendlich folgt in Gestalt der "3. Halbzeit" ein Ausblick auf die noch ausstehenden Verfahren gegen viele der AktivistInnen.
Ob die Metapher des Fußballspiels angesichts der Umstände angemessen ist, mag dahingestellt bleiben. Durch viele Interviews und Berichte von AugenzeugInnen bietet die Broschüre jedenfalls eine besonders anschauliche Beschreibung und an vielen Stellen zugleich einen Ausblick auf künftige Repressionsstrategien des Staates.
Unter dem Titel "Gewaltbereite Politik und der G8-Gipfel" liefert schließlich das Komitee für Grundrechte und Demokratie eine in erster Linie umfassende Demonstrationsbeobachtung vom Juni letzten Jahres. Die AutorInnen widmen sich zudem der Vorgeschichte, indem sie die symbolische Bedeutung des politischen Großereignisses als Ausgangspunkt für diese umfassende staatliche Machtinszenierung beschreiben.
Wichtige Nachbereitungen - eine jede für sich
Das Buch endet schließlich mit Ausführungen zur generellen Bedeutung der Demonstrationen in Heiligendamm. Dabei liefern die AutorInnen allzu pathetische, und damit zugleich sehr staatstragend idealistische Passagen über die Bedeutung der Versammlungsfreiheit in der bürgerlichen Demokratie. Im übrigen bieten sie jedoch ebenfalls eine sehr lesbare Zusammenschau der Ereignisse, indem sie einen politischen Gesamtblick einnehmen, ohne sich im juristischen Detail zu verlieren.
Was neben diesen Beschreibungen staatlicher Repression fehlt, ist eine umfassende Analyse: Was sind die Ursachen für diese umfassende Machtdemonstration des Staates? Sind die AktivistInnen derart gefährlich für den Staat? Oder liegen die Gründe woanders? Und welche Konsequenzen zieht man für zukünftige Ereignisse? Diese Fragen sollte man nicht aus dem Blick verlieren - bis hierhin sollte man jedoch den AutorInnen der Bücher für die umfassende und detaillierte Nachbereitung dieser Aspekte der Gipfelproteste erst mal sehr dankbar sein.
Matthias Lehnert
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein/Legal Team (Hrsg.): Feindbild Demonstrant. Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes. Assoziation A, Berlin/Hamburg, 176 Seiten, 10 EUR
Rote Hilfe e.V. (Hrsg.): Der G8 2007 in Heiligendamm. Von Armeeeinsatz bis Zensur. Ein ABC der Repression, Göttingen 2007, 72 Seiten, 3 EUR, literaturvertrieb@rote-hilfe.de
Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hrsg.): Gewaltbereite Politik und der G8-Gipfel. Demonstrationsbeobachtungen vom 2.-8. Juni 2007 rund um Heiligendamm. ISBN 978-3-88906-125-6, 192 Seiten, 10 EUR