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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 528 / 23.5.2008

FLUTEN 3.0 im gemischten Doppel

Im Sommer in Hamburg: Antirassistisches Campen

Die ersten Aufrufe sind bereits im Umlauf: am 22. August wird der Hamburger Charterabschiebeflughafen - als aktionistischer Höhepunkt des AntiRa-Sommer-Camps 08 - zum Ziel einer offensiven Großaktion! Die Beteiligung könnte sich auf einige Tausend "doppeln". Eine abgestimmte Mobilisierung mit dem gleichzeitig laufenden Klimacamp ist in Gange.

"Für freies Fluten" war der provozierende Schlussslogan in ihren Bekennerschreiben: Mitte der 1980er Jahre, in Zeiten zunehmender rassistischer Hetze gegen "Flüchtlingsfluten", hatten Revolutionäre Zellen eine militante Aktionskampagne gegen Ausländerbehörden und Kontrollregister gestartet. Anfang der 1990er Jahre nahmen antirassistische Initiativen in ihren Gruppennamen die Parole zum zweiten Mal auf.

Und nun - so allerdings nur eine der möglichen Interpretationen - tritt das Fluten als 3.0 erneut in Erscheinung: "Wir FLUTEN den Hamburger Airport. Egal wie, mit was, durch wen (...) Ob adrett im Smoking, touristisch mit Rollköfferchen, laut durch Soundanlage, authentisch mit Flugticket, plakativ mit Transpis, wütend mit Sonnenbrille, bunt als Clowns, einfach ganz-so-wie-du-es-willst (...) FLUTEN heißt kreativ sein, heißt den Flughafen irgendwie lahm legen, so lange wie wir können ...". (1)

Hintergrund für die geplante Aktion, die bereits im Vorfeld den Fluggesellschaften offensiv angekündigt werden soll, sind in erster Linie die Euro-Abschiebecharter, die von Hamburg aus mehrfach in Richtung Afrika gestartet sind. (2) Die Hamburger Ausländerbehörde nimmt bei diesen "Rückführungsflügen" seit September 2006 eine Vorreiterrolle ein und trifft dabei auf ein ausdrücklich formuliertes Arbeitsfeld der europäischen Grenzschutzagentur Frontex: Koordinierung und Forcierung europaweiter Sammelabschiebungen. Als Teil der transnationalen Aktionskette (vgl. ak 527) geht es in Hamburg mit der FLUTEN-Aktion also um die öffentlichkeitswirksame Skandalisierung des zunehmend europäisierten Abschieberegimes.

Die Idee zum Hamburger AntiRa-Camp entstand im Juli letzten Jahres beim Weißwurstfrühstück in den Münchener Isar-Auen. Zehn Jahre kein mensch ist illegal war am Vorabend gefeiert worden. Nostalgische Gefühle bei alten Grenzcampfilmen trafen auf frische Anti-G8- und Fünf-Finger-Taktik-Begeisterung: Irgendwie muss es doch offensiv weiter gehen! Hamburg schien das nötige Potenzial zu bieten: mit einer handlungsfähigen Szene als Basis und mit dem berühmt-berüchtigten Charterabschiebeflughafen als zentralem Aktionsziel.

Nach einigen lokalen Sondierungstreffen war es dann wirklich soweit: Anfang Januar wurde zum ersten bundesweiten Vorbereitungstreffen geladen. Seitdem nimmt das AntiRa-Camp 08 immer klarer Gestalt an. Auf dem Programm steht neben FLUTEN 3.0 eine Protestaktion vor der Akademie der Bundespolizei in Lübeck, in der regelmäßig Frontex-Schulungen abgehalten werden. Außerdem eine Schnitzeljagd zur Hamburger Ausländerbehörde und anderen Adressaten, die in Abschiebegeschäfte verwickelt sind.

Mit geplanten Aktionen vor einer Supermarktkette sowie bei Profiteuren des Ilisu-Staudammprojektes in Türkei/Kurdistan sollen "praktische Brücken" in Richtung Klimacamp gelegt werden. Denn Supermärkte stehen nicht nur wegen der Ausbeutung migrantischer Arbeit auf den Gemüseplantagen in der Kritik, sondern auch wegen der ökologisch verheerenden Produktionsweise. Der Staudamm führt nicht nur zur weiteren Vertreibung kurdischer KleinbäuerInnen sondern dient nicht zuletzt der Kontrolle der strategischen Ressource Wasser.

Bereits im vergangenen Herbst hatte die Vorbereitung für ein 1. Klimacamp begonnen, das ebenfalls eine größere Mobilisierung für den Sommer 2008 versprach. Vor dem Hintergrund der parallelen Ansätze AntiRa und Klima hatten wir uns Ende 2007 an der Veröffentlichung von zwei Texten beteiligt, die zunächst für ein "Mehrsäulencamp" und dann zumindest für ein "kombiniertes Doppelcamping" plädierten. (3) Damit sollte eine Zersplitterung der Mobilisierungen vermieden und stattdessen versucht werden, "im Jahr 1 nach Heiligendamm" mit der Zusammenführung der zwei Campprojekte und einer entsprechenden "kritischen Masse von einigen tausend Beteiligten" an die Handlungsfähigkeit des Anti-G8-Sommers anzuschließen.

Die jeweiligen Partikularinteressen mit dem Beharren auf dem eigenen inhaltlichen Schwerpunkt verhinderten zunächst ein zeitlich-räumliches Zusammenkommen. Zum denkwürdigen Höhepunkt gerieten dabei die Berliner Perspektiventage im Januar, wo 99 Prozent des Abschlussplenums energisch für ein großes gemeinsames Campprojekt votierten, während die konkreten Vorbereitungen weiter auseinander liefen.

Es bedurfte schließlich einiger weiterer Wochen insbesondere im Klimacampprozess, bis nun doch in Hamburg "zusammengewachsen ist, was zusammengehört". AntiRa- und Klimacamp führen ihre jeweils eigenen Vorbereitungsprozesse weiter, doch Infrastrukturen und Aktionsplanungen werden eng aufeinander abgestimmt und insbesondere zu den Großaktionen wird gemeinsam mobilisiert.

h., kein mensch ist illegal Hanau

Anmerkungen:

1) Aus dem Aufrufentwurf zum AntiRa-Camp, http://camp08.antira.info

2) www.fluechtlingsrat-hamburg.de unter Abschiebepolitik

3) www.klimacamp.org unter Debatte

Mehr Infos: http://camp08.antira.info