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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 529 / 20.6.2008

Ein Kessel Buntes

Eine Ausstellung in Frankfurt/Main nimmt sich 68 vor - und scheitert kläglich

Langweilige Ausstellungen sind eigentlich keiner Rede wert. Mit der Schau "Kurzer Sommer - lange Wirkung", die das Historische Museum in Frankfurt/Main anlässlich des 40. Jahrestages von 1968 noch bis zum 31. August zeigt, verhält es sich anders. Zu deutlich ist hier das Missverhältnis zwischen dem Anspruch der Ausstellungsmacherinnen und der Präsentationsform, als dass man darüber hinweggehen könnte.

Zu sehen gibt es vieles, zu entdecken wenig. Und das, obwohl Andreas Schwab, Beate Schappach und Manuel Gogos "an die 700 Exponate von mehr als 60 Leihgebern" zusammengetragen haben, um "die wissenschaftliche Erforschung der Studentenrevolte in den öffentlichen Raum zu tragen". Dazu gehören die Brille von Rainer Langhans, blumenbestickte Parka und Polizeischlagstöcke, Shilums, Hippiekleider, Plateauschuhe und Plattencover.

Die Beatles, Franz Josef Degenhardt, die Stones, Joan Baez und David Bowie - alles wird unterschiedslos in einem großen Potpourrie präsentiert, in Vitrinen ordentlich beschriftet und nebeneinander aufgereiht. Die Bildunterschrift zu den erwähnten Augengläsern lautet: "Die Brille des Kommunarden Rainer Langhans war neben seiner Haarmähne eines seiner Markenzeichen, die ihn Ende der 1960er Jahre populär machten. Archiv Rainer Langhans und Christa Ritter, München."

Nur das Ölgemälde eines Unirektors im Talar haben die AusstellungsmacherInnen verwegen schief aufgehängt - sicher wegen des "Muffs von 1000 Jahren", der sich so leichter verziehen kann. Vis-à-vis der kulturrevolutionären Tageslosung "Wer zweimal mit der selben pennt, gehört schon zum Establishment" animieren Porno-Cover der konkret die BesucherInnen, auf der kreisrunden Sitzbank Platz zu nehmen und den Blick über Bildmotive von Hippiefestivals schweifen zu lassen: Ja, ja, Mädchen mit Blumen im Haar, Jungs mit Gitarre und gebatikten Hemden, waren das noch Zeiten ...

Zielsicher zeigt die Schau Fotos, die durch die Häufigkeit ihrer öffentlichen Präsentation zu stereotypen Darstellungen der Epoche verkommen sind: das Bilder aus München, das Andreas Baader und Rainer Langhans anlässlich der Freilassung Fritz Teufels beim Tanz zeigt, das vom Frankfurter Kaufhausbrandprozess, in dem Gudrun Ensslin und Andreas Baader sich sanft lächelnd einander zuneigen, und zuletzt - natürlich! - das Foto der verhafteten Ulrike Meinhof, die mit Polizeigewalt zum Portrait gezwungen wird. Hinter Glas in chamoisfarbenen Passepartouts gerahmt wurde den Bildern der letzte motivische Widerstand genommen.

Hinter Vitrinenglas verbannte Aufkleber

Auch den gleichfalls hinter Vitrinenglas verbannten Aufklebern, Buttons, Flugblättern, Broschüren und Büchern ist jede subversive Wirkung geraubt, sie erscheinen als Beiträge zu einer Raritätenschau. Dies nicht etwa, weil sie mit Kenntnis ihrer damaligen Brisanz ausgewählt wären, nein: auch die auffällige Häufigkeit Frankfurter Lokalprodukte verdankt sich bloß dem Umstand, dass präsentiert wird, was irgendwie verfügbar, weil sowieso schon bekannt war.

Tatsächlich kommt hier das Scheitern der Ausstellung auf den Punkt: weil hinter Vitrinen seinen Sinn verliert, was einen solchen auf der Straße gefunden hat und finden sollte. Dabei hätten die KuratorInnen von den ProtagonistInnen der Zeit und ihren Happenings, Performances, Sit-ins, Hearings und Demonstrationen eine ganze Menge auch über angemessene Präsentationsformen lernen können.

Nur noch situationskomisch wirkt da das Handbuch Klau mich, einst Praxisratgeber im Alltag der Revolte, hinter Glas zur Devotionalie geworden. Wer den Titel richtig versteht, sollte wohl, angeregt auch vom darüber platzierten Staeck-Plakat "Die Kunst findet nicht im Saale statt", einen Hammer nehmen und das gute Stück befreien.

Vertieft wird der Reinfall durch konzeptionelle Auslassungen, hinter denen keine eigene politische Absicht, sondern die ausgemachte politische Harmlosigkeit und Unbedarftheit der KuratorInnen steht. Um es auf den Punkt zu bringen: dass 68 nur das Entrée markierte zu einem ganzen "roten Jahrzehnt", klingt in der Ausstellung nur im Verweis auf den "Terrorismus" der RAF und in der bloß kurios wirkenden Nennung linksradikaler Betriebsinterventionen auf. Sieht man davon ab, bleibt nur das sattsam breit getretene Mantra, nach dem der Mai die "Zivilisierung der Nachkriegsgesellschaft" vollbracht habe. Dem entspricht, dass Bezugnahmen auf die Gegenwart konsequent ausbleiben.

Zwischen roten Sitzsäcken, die nach Benutzung vom Aufsichtspersonal stets wieder in die legere Knautschform gebracht werden, wird ein großes Diagramm präsentiert. Bildunterschrift: "Kapitalverflechtungen in der BRD", eine Beilage des Kursbuch 21/1970. Ein thematischer Vergleich mit heutiger Praxis liegt da in der Luft, doch er fehlt.

Zwischen all dem unüberlegt angehäuften Gerümpel überrascht dann doch eine Videoinstallation, die eine fiktive Diskussionsrunde zwischen Silvia Bovenschen, Daniel Cohn-Bendit, Martin Dannecker, Gretchen Dutschke, Beate Klarsfeld, Barbara Köster, Bahman Nirumand und KD Wolff gelungen in Szene setzt. Da kann selbst in dieser Ausstellung der eine oder andere bemerkenswerte Satz nicht ausbleiben. Das wird auch im ganzjährigen Rahmenprogramm der Fall sein, auch wenn wohl unvermeidlich war, dass da Götz Aly und Gerd Koenen noch einmal zu Wort kommen - unter anderen, immerhin. Bleibt ein Trost: dass das rote Jahrzehnt auch diesmal nicht zu musealisieren war, ist so schlecht nicht.

Bettina Rudhof/Thomas Seibert

Weitere Informationen: www.die-68er.de