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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 531 / 31.9.2008

Eine profitable Sache

Klaus Pedersen hinterfragt das positive Image von Naturschutz

Es ist immer wieder überraschend - oder besser: schockierend - wie allumfassend der Kapitalismus in der Lage ist, sämtliche Lebensbereiche seiner Verwertungslogik zu unterwerfen. Obwohl Schutzgebiete, Nationalparks und Biosphärenreservate mittlerweile 13% der globalen Landfläche beanspruchen - Tendenz steigend - wurde dieses Thema aber dennoch bislang kaum kritisch beleuchtet.

Genau hier liegt der Verdienst des Journalisten Klaus Pedersen, der mit seinem neuen Buch "Naturschutz und Profit" diese Entwicklung kritisch untersucht. Sein Anliegen ist es, "mit einem grundsätzlichen und weit verbreiteten Missverständnis aufzuräumen - dem unhinterfragten, positiven Image von ,Naturschutz`".

Im ersten Teil beschäftigt sich das Buch mit den Menschen im Süden, die unter der derzeitigen, der kapitalistischen Profitlogik folgenden Naturschutzpraxis zu leiden haben. Da die Lebensgrundlagen und Subsistenzstrategien der Menschen im Süden ganz wesentlich auf lokalen Ressourcen basieren, stelle deren eingeschränkte oder teils völlig untersagte Nutzung in Naturschutzgebieten eine existenzielle Bedrohung dar, so Pedersen. Schlimmer noch: im Namen des Naturschutzes kam und kommt es häufig zu massenhaften Vertreibungen: Pedersen beschreibt diese Vertreibungsprozesse, denen allein in Afrika 14 Mio. vollkommen entschädigungslos zum Opfer gefallen sind, ausführlich anhand dreier Fallbeispiele in Mexiko, Tansania und Uganda. Dabei wird verschiedentlich auch die deutsche Rolle gestreift, etwa wenn erwähnt wird, dass die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) sich in Uganda mitschuldig an der Vertreibung von 130.000 Menschen gemacht hat.

Vertreibungen im Namen des Naturschutzes

Nach dieser zutiefst beunruhigenden Beschreibung der repressiven Naturschutzpraxis geht der Autor im zweiten Teil des Buches auf deren Profiteure ein. Dazu gehören u.a. verschiedene im Umweltbereich tätige NGOs, wobei sich v.a. der World Wildlife Fund (WWF), The Nature Conservancy (TNC), Conservation International (CI) und die Wildlife Conservation Society (WCS) unangenehm hervortäten, "Naturschutzziele gegenüber den indigenen und lokalen Gemeinschaften besonders rücksichtslos zu vertreten".

Diese Umwelt-NGOs sind mittlerweile zu riesigen Unternehmen mutiert, die sich wesentlich mit Geldern der Industrie finanzieren. Ein wichtiger Bereich, bei denen die Umwelt-NGOs den Konzernen behilflich sind, besteht in der Ausweisung von - und dem Lobbying für - vorgeblich dem Erhalt der Biodiversität dienender Schutzzonen (Biosphärenreservate). Insbesondere Pharmakonzerne haben hieran ein großes Interesse, stellt doch die Patentierung traditioneller Heilpflanzen einen riesigen Wachstumsmarkt dar. Für die lokale Bevölkerung sind diese Heilpflanzen jedoch häufig die einzige medizinische Quelle, sie decken schätzungsweise 80% ihres Arzneimittelbedarfs.

Gelingt aber eine Patentierung, ist eine weitere Nutzung häufig illegal. Darüber hinaus steigen nach einer Patentierung häufig die Preise für Samen exorbitant in die Höhe. Und während die Biopiraterie zur Aneignung des Pflanzenmaterials marketingtechnisch wirksam als Schutz der Biodiversität verkauft wird, erhält die lokale Bevölkerung weder substanzielle Mitspracherechte noch eine gerechte Beteiligung an den Nutzungsprofiten.

Neben weiteren Themen wie etwa die Zonierung von Waldflächen zum Holzabbau bildet der Klimaschutz einen weiteren Schwerpunkt des Buches. Dabei wird ebenso auf die Problematik sog. CO2-Senken eingegangen, die zur Querfinanzierung der Kosten für Naturschutzgebiete herangezogen werden, wie auch auf den Boom der Biokraftstoffe. Pedersen beschreibt dabei, wie unter dem Label des Naturschutzes eine "Umwidmung von Anbauflächen, die für die Produktion von Nahrungsmittel oder Tierfutter genutzt werden, in Anbauflächen für Biomasse" stattfindet. Während so die weltweite Nahrungsmittelversorgung immer kritischer wird, sieht sich die Politik lediglich dazu veranlasst, Rüstungsprogramme zur Niederschlagung von Hungeraufständen voranzutreiben.

Die Profiteure des Naturschutz-Business

Doch Klaus Pedersens Buch verbleibt nicht bei dieser Besorgnis erregenden Bestandsaufnahme. So zeigt der Autor darüber hinaus auch auf, wie und auf welche Weise sich derzeit teils erfolgreich Widerstand formiert. Erfreulich ist dabei Pedersens Plädoyer, das Thema "Naturschutz und Profit" in einen breiteren Kontext einzuordnen: "Es geht also darum, Naturschutz als Facette eines zerstörerischen Gesellschaftssystems mit seinen desaströsen sozialen und ökologischen Folgen zu begreifen."

Das Buch bietet einen gut lesbaren und kompakten Überblick, der anhand zahlreicher Exkurse, Kästen und Tabellen anschaulich in die Thematik "Naturschutz und Profit" einführt. Einziger Kritikpunkt ist die etwas unterbelichtete Rolle deutscher Institutionen bzw. NGOs. Hier wäre eine etwas ausführlichere Betrachtung wünschenswert gewesen.

Jürgen Wagner

Pedersen, Klaus: Naturschutz und Profit. Menschen zwischen Vertreibung und Naturzerstörung. UNRAST-Verlag. Münster 2008, 140 Seiten, 13,80 EUR.