Wemmer dä Arsch nit huhkrieje, ess et eines Daachs zo spät
Ein Bericht von den Protesten gegen den "Anti-Islamisierungskongress"
Für die Zeit vom 19. bis 21. September hatte die rechtspopulistische "Bürgerbewegung" Pro Köln geplant, einen "Anti-Islamisierungskongress" in der Domstadt abzuhalten. Früh regte sich erster Protest und schon Wochen vor dem Kongress begann die Planung der antifaschistischen Gegenaktivitäten. Ergebnis war ein breites Bündnis gegen Pro Köln, bestehend aus Antifa-Gruppen und politischen Verbänden, Kneipen und Clubs, Musikgruppen und Einzelpersonen. Als es dann so weit war, machten um die 50.000 Menschen die Stadt dicht und verhinderten so den rechten Kongress.
"In Köln ist kein Platz für Rechtsradikale" hatte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bereits vor dem Kongress gegenüber Bild verkündet und er sollte Recht behalten. Bereits der Auftakt des "Anti-Islamisierungskongresses" ging für Pro Köln gründlich in die Hose: Die geplante Pressekonferenz zur Eröffnung der Kongresstage war kurzfristig auf ein unter falschem Namen angemietetes Schiff verlegt worden. Aus dem gemütlichen Törn wurde eine reine Odyssee. Nachdem GegendemonstrantInnen das Schiff vom Ufer aus mit Steinen bewarfen, irrte das Schiff stundenlang auf dem Rhein umher und nur unter Polizeischutz konnten die Rechten das Schiff verlassen.
Diese Form militanten antifaschistischen Widerstands stieß in der Presselandschaft jedoch nicht auf Kritik, sondern ungewohnte wohlwollende Worte: "Kölner booten die Rechten aus", kommentierte am folgenden Tag die Kölner Boulevard-Zeitung Express. Dies passt ins Bild der Protesttage: Dass der Protest groß und offensiv werden würde, dafür hatte im Vorfeld die gelungene Bündnisarbeit der Antifaschistischen Koordination Köln und Umland gesorgt.
Während auf dem Rhein das "Presseschiff" noch herumirrte, erlitt Pro Köln am Freitagnachmittag im benachbarten Leverkusen eine weitere Schlappe. Zum einen fanden nur 30 Pro-Köln-AnhängerInnen ihren Weg in die Bayer-Metropole, dann ging deren "Auftaktkundgebung" auch noch im ohrenbetäubenden Lärm von ca. 150 Protestierenden unter. Am späten Abend demonstrierten schließlich über 2.000 Leute auf einer traditionellen Antifademo in der Kölner Innenstadt.
Wir traten am Samstag früh morgens die Reise ins Rheinland an. Für diesen Tag hatte Pro Köln eine große öffentliche Kundgebung mitten in der Kölner Altstadt angekündigt. Kaum in Köln angekommen, empfängt uns eine Aktivistin vom Bündnis gegen Pro Köln, die uns einen pinkfarbenen Flyer in die Hand drückt. Wir sollen Richtung Fischmarkt gehen und uns dort einer Blockade anschließen. Durch die Blockade aller Zugänge soll der Versammlungsplatz für die AnhängerInnen von Pro Köln unzugänglich gemacht werden.
Express: "Kölner booten die Rechten aus"
Wir lassen uns vom Strom der Massen leiten, spazieren durch enge Gassen und auf einmal stehen wir direkt am Heumarkt. Hier soll die geplante Kundgebung von Pro Köln stattfinden. Doch rund um den Platz bilden Menschenmengen in allen Gassen und Zufahrtsstraßen Blockaden. Auf den Gleisen der Straßenbahn, die direkt am Heumarkt entlang führt, sitzen junge ProtestlerInnen, eingehüllt in Thermodecken. Sie haben sich auf einen längeren Aufenthalt eingestellt.
Wir ziehen weiter, erreichen die Blockade der Interventionistischen Linken. Hier kommt ein wenig "Heiligendamm-Stimmung" auf: Vorne bilden mehrere Reihen eine Sitzblockade, dahinter bieten zwei bis dreihundert AntifaschistInnen stehend weder den Nazis noch der Polizei ein Durchkommen, die an dieser etwas breiteren Kreuzung bereits Wasserwerfer und Räumfahrzeuge aufgefahren hat. Dass diese an diesem Tag aber nicht mehr zum Einsatz kommen werden, wird schnell klar. Zu viele Menschen haben sich rund um den Heumarkt versammelt.
Vor der "Arsch-Huh"-Bühne stehen mehrere Tausend Menschen und lauschen, wie schon 1992 beim großen Antirassismuskonzert auf dem Chlodwigplatz, den Klängen von BAP, Brings und den Höhnern. Selbst im engsten Gässchen stehen Menschen und lassen niemanden durch. Der einzige rechtsrheinische Zubringer, die Deutzer-Brück, wird bereits am anderen Ufer blockiert. Nichts geht mehr. Der Kölner Polizeipräsident Klaus Steffenhagen wird im Verlauf des Tages gegenüber dem WDR erklären: "Es wäre völlig unverhältnismäßig, den 300 Teilnehmern der Pro-Köln-Veranstaltung mit Wasserwerfern und Spezialeinheiten den Weg zum Heumarkt zu ebnen."
Um 12 Uhr soll die Kundgebung der Rechten eigentlich beginnen, doch nur 40 bis 50 Rechte haben es auf den Heumarkt geschafft. Nachzügler verirren sich immer wieder in Blockaden und werden dort unter "Nazis-raus"-Rufen verjagt. Die meisten Rechten, ca. 300, sitzen derweil am Köln-Bonner Flughafen fest, da die S-Bahn-Linie von GegendemonstrantInnen blockiert wird. Um kurz vor eins wird die Kundgebung von Pro Köln von der Polizei schließlich für beendet erklärt.
Ein Tag zum Feiern? Als das Fiasko für Pro Köln bereits komplett ist und vor der "Arsch-Huh"-Bühne der Erfolg gefeiert wird, erweist sich die Polizei einmal mehr als Spielverderber. Die abziehende Menge, fast 1.000 AntifaschistInnen, werden auf einmal recht unvermittelt auf ihrer angemeldeten Demonstrationsroute die vom Heumarkt wegführt attackiert. An der Ecke Mühlenbach/Mathiasstraße beginnt die Polizei ca. 300 Leute festzusetzen. Kurze Zeit später wird auch bei der Auflösung des Blockadepunktes auf der anderen Rheinseite in Köln-Deutz eine weitere Gruppe von 200 Leuten in der Siegburgerstrasse gekesselt. Erst am nächsten Morgen wurden die knapp 500 festgehaltenen Menschen frei gelassen.
Diese rechtswidrige Freiheitsberaubung bleibt jedoch der einzige Makel im insgesamt erfreulichen Protest. Pro Köln hat innerhalb weniger Tage im öffentlichen Bewusstsein einen Wandel von einer rechtspopulistischen Bürgerbewegung zur rechtsextremen Partei vollzogen. Dies ist und war vor allem das Ergebnis einer unglaublich erfolgreichen Bündnisarbeit.
Jonas Füllner
Die Auswertung der Antifaschistischen Koordination Köln und Umland findet sich unter: www.koeln.antifa.net