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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 532 / 17.10.2008

Betriebsunfall.

"Der Steuerzahler wird letztendlich immer zur Kasse gebeten werden bei dem System, das wir haben. Wer soll denn sonst die Kosten tragen, wenn das System nicht stabil ist?" (Henry Paulson, US-Finanzminister)

Die Bankenkrise sorgt nicht nur für Panik an den internationalen Börsen und für hektische Betriebsamkeit unter Finanzministern, sondern auch für reichlich Verwirrung in den Köpfen: "Kapitalismus vor dem Zusammenbruch", "Neoliberalismus am Ende", "Nichts bleibt wie es vorher war". Eine Zeitenwende wird angekündigt.

Faktisch passiert im Moment dreierlei: Der Wert bestimmter Anlageformen hat sich in Luft aufgelöst, Banken und Finanzinstitute stehen vor der Pleite, und an den Börsen werden mit jedem neuen Kursabsturz Millionen von Euro, US-Dollar und Yen verbrannt. Auch der Übergang zur realen Wertevernichtung deutet sich bereits an, wenn der stockende Kreditfluss zu Firmenzusammenbrüchen, Stilllegungen von Produktionsanlagen und Massenentlassungen führt.

Sicherlich gibt es Unterschiede zwischen dem schwarzen Freitag 1929, der Asienkrise, dem Platzen der New-Economy-Blase und dem, was wir heute beobachten, aber Geld- und Wertevernichtung gehört zum ganz normalen Akkumulationsprozess. Und Krise und Krieg waren und sind nun mal die probaten Mittel für kapitalistische "Bereinigungen". Der Kapitalismus bricht nicht einfach zusammen, dafür müsste ihm schon politisch der Todesstoß versetzt werden. Allerdings zeigt er eine besondere dunkle Seite seines an sich schon hässlichen Gesichts.

Ebenso normal wie hässlich ist es daher auch, dass sich nicht nur BrokerInnen aus den Fenstern der Wall Street stürzen, sondern dass vor allem die proletarischen Unterklassen zur Kasse gebeten werden: ArbeiterInnen und Angestellte, Alte, Kranke, LandarbeiterInnen und KleinbäuerInnen, die globalen Habenichtse. Und zwar nicht nur, weil die Finanzkrise realwirtschaftliche Auswirkungen hat. Mit der Kapitalvernichtung lösen sich auch Pensions- und Rentenkassen in Luft auf, verschwinden Spareinlagen, werden Kredite nicht mehr vergeben.

Und last but not least steht uns demnächst eine gigantische Umverteilungsorgie ins Haus. Denn die Abermillionen, die die Regierungen in den USA, Europa und Asien zur Stützung der maroden Finanzinstitute aufbringen wollen, werden direkt wie indirekt aus den Taschen der Ausgebeuteten geholt: aus der Lohn- und Einkommenssteuer, aus Kürzungen und Streichungen in den Sozialversicherungssystemen und bei sozialen Hilfsprogrammen. Wenn Peer Steinbrück sich seit Wochen nur noch mit grimmig-entschlossener Miene ablichten lässt, so will er nicht nur Entschlossenheit demonstrieren, sondern gibt auch die Pantomime einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede, und das ist keine Kampfansage an BankerInn und andere KapitalistInnen.

Das Gerede von den "notwendigen Staatseingriffen" oder gar von "Verstaatlichungen" deutet heute weniger denn je auf irgendein "Ende des Neoliberalismus" oder eine Wiederkehr des Keynesianismus hin, sondern vielmehr auf das, was Robert Scherrer als "die Übernahme des Staates durch die Unternehmen" bezeichnet hat: "Die Liaison der geballten Unternehmensmacht mit einem autoritären Staat ... bezeichnet man besser als Finanzfaschismus", so Scherrer in The Nation. Mit irgendeiner Form von neuem Klassenkompromiss hat diese Krisenlösungsstrategie auf jeden Fall nichts zu tun.