Wenn der Staat den Kapitalismus rettet ...
Die aktive Steuerung von Märkten erhält eine neue Qualität
Die BIZ (Bank für internationalen Zahlungsausgleich) rechnet in Folge der Finanzkrise mit "einem langen und tiefen Abschwung der Weltwirtschaft" (FR, 1.7.08). Bereits jetzt wurden schätzungsweise 2,5 Billionen Dollar fiktiven Kapitals vernichtet. Doch heißt Vernichtung fiktiven Kapitals in vielen Fällen auch echte Stockung der Reproduktion, Bankrott von Banken, Unternehmen, Vernichtung von Arbeitsplätzen, Ersparnissen, Pensionsansprüchen etc. Flexibles Krisenmanagement ist gefragt, aber auch umfassende Re-Regulierungen werden in Angriff genommen, die den Charakter des neoliberalen Finanzkapitalismus betreffen.
Zurecht wird vom "Ende der Deregulierung" gesprochen. Fraglich ist, wie weit jenseits des Krisenmanagements eine Reregulierung der Finanzmärkte angestrebt wird und welchen Charakter sie annimmt, denn staatliche Regulierung gehört seit jeher zur neoliberalen Form der Finanzmarktliberalisierung und Globalisierung. Dies betrifft nicht nur die staatliche Rolle bei der Deregulierung und Liberalisierung zur Schaffung und Durchsetzung globaler Finanzmärkte als relativ selbstständiger Verwertungssphäre für Kapital. Vielmehr ist der globale Finanzmarkt - vor allem im Bereich Banken- und Börsenregulierung - stärker reguliert als jemals zuvor.
Dabei wurde die keynesianische Form der staatlichen Regulierung, dort korrigierend oder kompensierend einzugreifen, wo die Marktkräfte versagen, durch neue Formen der De- und Re-Regulierung ersetzt. Vorherrschend wurde das "Eingreifen in genau der entgegen gesetzten Richtung, als in der bisher eingegriffen worden ist, nämlich nicht entgegen den Marktgesetzen, sondern in Richtung der Marktgesetze ... Also sozusagen ein liberaler Interventionismus" (Alexander Rüstow 1932, 64f). Kapitalverkehrskontrollen und das System fester Wechselkurse (Bretton-Woods-System), die der Dynamik freien Kapitalverkehrs im Wege standen, wurden abgeschafft.
Ist das neoliberale Paradigma am Ende?
Die weit reichende neoliberale Regulation sollte den freien Fluss von Kapital befördern und lieferte dafür den Rahmen, doch hat sie immer stärker informellen Charakter angenommen bzw. wird von (halb)privaten Institutionen erlassen, etwa informelle Codes of Conduct der International Banking Federation oder Regelungen der BIZ, eines Zusammenschlusses der Zentralbanken in Form einer Aktiengesellschaft, die wesentliche Aufgaben der internationalen Bankenaufsicht inne hat. Darüber hinaus sind enorme Teile der globalen Finanzmärkte jeglicher Regulierung und Aufsicht entzogen.
Zahlreiche Aktivitäten zur Eindämmung der gegenwärtigen Krise weisen jedoch über einen liberalen Interventionismus und die Rolle des sog. lender of last resort (des Kreditgebers in der Not) hinaus - zum market maker und owner of last resort. Damit deuten sich Veränderungen im Verhältnis von Staat und (Finanz)Markt an, die nicht ungebrochen in das neoliberale Paradigma zu integrieren sind. Die Beurteilung der Verschiebungen ist schwierig, denn trotz periodischer Instabilitäten und zum Teil heftiger Krisen konnten in den letzten 30 Jahren bislang systemgefährdende Folgen vermieden werden.
Während die Verluste aus den Krisen in der Regel sozialisiert werden, werden die Krisen selbst von mächtigen Finanzmarktakteuren genutzt, um günstig geschwächte Konkurrenten oder die Anteile wichtiger Unternehmen und Branchen zu erwerben und auf die weitere Liberalisierungen zu drängen. Zudem dient die Vernichtung überakkumulierten Kapitals immer auch der Wiederherstellung profitabler Verwertungsbedingungen.
Doch die Häufigkeit und Stärke der periodischen Finanzkrisen nimmt zu, beschränkt sich nicht auf die Peripherien. Und fortschreitende Transnationalisierung führt zur Synchronisation der Zyklen jenseits nationaler Ökonomien oder kontinentaler Blöcke - zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg schlittern die USA, Europa und Japan gleichzeitig in eine Rezession. Selbst China gerät in die Krise: eigene Aktien-, Kredit- und Immobilienblasen und die Abschwächung der globalen Nachfrage bremsen das Wachstum.
Die Heftigkeit der Krise 2007/2008 überraschte. Tatsächlich herrscht in den USA Entsetzen und verbreitete Ratlosigkeit über das Geschehene vor. Führende Ökonomen und Politiker - zumindest die intelligenteren unter ihnen - rechneten zwar durchaus mit möglichen Krisen, kaum einer jedoch mit einer derart fundamentalen Bedrohung des Systems durch Bankenpleiten und abreißende Kreditketten.
Während der Vorsitzende der US-Notenbank, Ben Bernancke, als selbsterklärter Feuerwehrmann massiver als je zuvor frisches Geld in die Märkte pumpt, wertlose Kredite sichert und an den weit reichendsten Re-Regulierungen seit 1945 arbeitet, versucht sein entzauberter Vorgänger Alan Greenspan, sich mühsam von aller Schuld freizusprechen. Währenddessen greift wiederum dessen Vorgänger Paul Volker - der zu Beginn der 1980er Jahren den Zinsschock auslöste und eine weltweite Rezession und die Schuldenkrise der so genannten Dritten Welt lostrat - seine Nachfolger öffentlich an und erklärt, das neue Finanzsystem habe den "Markttest nicht bestanden" (25.5.08). Seit 25 Jahren erlebten die USA wie der Rest der Welt durchschnittlich alle fünf Jahre eine schwere Finanzkrise, "da stimmt etwas nicht", so Volker.
Tatsächlich zeigt sich laut einer Studie der BIZ, dass das Wachstum nach jeder Krise niedriger ausfiel als nach der letzten Krise. Beispielsweise wurde in den USA erst 2006 wieder die ökonomische Wirtschaftskraft erreicht, die vor der Krise der New Economy 2001 erzielt wurde. Die BIZ spricht vom "Mythos ökonomischer Erholung". Insbesondere in Ländern mit starker Liberalisierung von Kapitalverkehr und Finanzmärkten vollzog sich die wirtschaftliche Erholung langsamer.
Nach jeder Finanzkrise müsse mit langen Erholungsphasen gerechnet werden, oft zu lang, um zum alten Niveau zurück zu kehren, bevor die nächste Krise hereinbricht - die Akkumulation des Kapitals auf erweiterter Stufenleiter ist nicht länger gesichert. Die konjunkturbereinigten Investitionsraten sinken, der Wiederanstieg der Durchschnittsprofitrate im produzierenden Sektor fällt nach jedem Krisenzyklus geringer aus (trotz steigender Produktivität). Eine immer weitere Steigerung der Renditen kann nur durch immer schärfere Profiratendifferenzierung erzielt werden, d.h. Abschöpfung des Mehrwerts durch einige wenige transnationale Kapitale zu Lasten der eher kleineren und national oder regional begrenzten Kapitalfraktionen bzw. durch weitere Umverteilung zu Lasten der Lohnabhängigen und des Staates.
Die spekulative Blase, die dann 1997/98 zu den Krisen in Asien, Lateinamerika und Russland führte, hatte als reale Grundlage noch die Ausdehnung der Akkumulation in neue Verwertungsräume. Die dot.com-Blase, die 2001 platzte, finanzierte die Entwicklung und Verbreitung und Verwertung der Internet-Technologien, bevor die "Übertreibungen" korrigiert wurden. Hingegen hatte die Immobilien- und Kreditblase, die sich nun entlädt, kaum noch neue tragfähige Akkumulationsfelder eröffnet, sondern fast ausschließlich die finanzielle Akkumulation vorangetrieben.
Dies ist keineswegs nur ein ökonomisches Problem, vielmehr geht es um eine rasant bröckelnde Legitimation der Liberalisierung der Finanzmärkte. Unterschiedliche Umfragen belegen weltweit Mehrheiten für eine starke staatliche Regulierung; auch Verstaatlichung und "Schutz" der nationalen Schlüsselindustrien und Banken gewinnen an Zustimmung. Die Krise bringt daher mit Macht die Frage nach der Rolle des Staates zurück in die Debatte.
Banken und bedrohte Unternehmen betteln um staatliche Interventionen, um die Liquidität der Märkte zu sichern, den Zusammenbruch von Banken und damit von langen Kreditketten zu vermeiden. Verstaatlichung selbst von Banken ist nicht länger sozialistisches Teufelszeug, wird vielmehr offen eingefordert, wenn es Schlimmeres zu verhüten gilt. Institutionen wie der IWF drängen zumindest in Ansätzen auf eine Re-Regulierung der Märkte. Die Tragweite der Eingriffe lässt es zu, von einer Art "neuem Staatsinterventionismus" sprechen.
Nach jeder Krise sinkt das Wachstum
Angesichts der drohenden "Kernschmelze" des Finanzsystems werden Schulden und Risiken sowie zahlreiche (Groß)Banken verstaatlicht - während überschuldete HausbesitzerInnen und KonsumentInnen sich mit Brosamen begnügen müssen oder als (künftige) RentnerInnen enteignet wurden und Millionen Lohnabhängige den Verlust ihrer Arbeitsplätze fürchten müssen. Allein in den USA verloren über eine Million Menschen bereits buchstäblich ihr Haus über dem Kopf - bis zu weitere sechs Millionen könnten folgen, schätzt die Ratingagentur Moody's (Wall Street Journal, 23.10.08). Infolge der Überschuldung dehnt sich die Zahlungskrise auf andere Segmente aus, z.B. Kreditkarten und Autokredite.
Nach der partiellen Selbstentmachtung des Staates wird das Wissen um die Notwendigkeit einer politischen Konstitution funktionierender Märkte wieder deutlich betont. Der frühere Optimismus einer Befreiung der Märkte von staatlicher Intervention ist verschwunden. In der Finanzkrise erhält die Staatsintervention eine andere Richtung und Bedeutung.
Neoliberale Glaubenssätze werden reihenweise über Bord geworfen: aktives Krisenmanagement durch Zinssenkungen, Aufblähung der Geldmenge, Verstaatlichung von Banken, Staats- und Zentralbankkredite ohne Sicherheiten, antizyklische Konjunkturprogramme, Aufhebung aller staatlichen Verschuldungsgrenzen einschließlich des ehemals sakrosanten Stabilitätspaktes und der Maastricht-Kriterien, schärfere Kontrollen, Begrenzung von Managergehältern und Eingriff in die Bonussysteme, v.a. aber in Investitions- und Kreditpolitik, eventuelle Teilverstaatlichung von Industrieunternehmen etc.
Einzelne Elemente wie Niedrigzinspolitik oder Stimulierung des Wachstums durch massive Staatsverschuldung und Kriegsausgaben wurden auch durch neoliberale US-Regierungen immer wieder flexibel eingesetzt, waren jedoch nie mit der Einschränkung von Marktdynamiken oder Investitionsentscheidungen verbunden - im Gegenteil. In der Verdichtung von Staatseingriffen manifestiert sich eine neue Qualität aktiver Steuerung und Kontrolle von Märkten (nicht zuletzt in Europa) zur relativen Reduzierung und Entschleunigung der Finanzaktivitäten. Für harte Neoliberale ist dies gleich bedeutend mit Sozialismus - tatsächlich ist es eher der Versuch des "ideellen Gesamtkapitalisten", des Staates, zur Rettung des Kapitalismus, wie es in der FAZ hieß: "Der Staat rettet den Kapitalismus" (5.10.08) - nicht ganz freiwillig eher gezwungenermaßen durch den Druck von Märkten, Kapital und Angst vor Legitimationsverlusten.
Dieser Staatsinterventionismus funktioniert zwar nicht mehr im Sinne neoliberaler Dynamisierung der Märkte, aber doch in Manier eines flexiblen liberalen Keynesianismus, der Marktversagen kompensiert und zunächst die Umverteilung und Aneignung von Mehrwert für die Vermögenden weiter befördert (über die Sozialisierung der Schulden), zugleich aber in die Investitions- und Akkumulationsstrategien des Kapitals direkt eingreift, insbesondere über die Kapitalbeteiligungen. "We are all Keynesians again", schreibt der Economist, (7.8.08).
Staatliche Maßnahmen stoppen Panik nicht
Jetzt wird nachjustiert: Diskutiert werden z.B. Änderungen der Bilanzierungsregeln, um den Banken mehr Spielraum bei der Bewertung von Anlagen zu ermöglichen (statt Marktpreise zugrunde legen zu müssen) im Tausch für ein Verbot des Weiterverkaufs etwa von Anleihen; eine Stärkung der Einlagensicherungsfonds, eine Erhöhung der Eigenkapitalvorschriften; eine Verbesserung der Transparenz durch Verbot von Zweckgesellschaften, Regulierung des außerbörslichen Geschäfts mit Kreditderivaten, bessere Koordination der Banken- und Börsenaufsicht usw. - noch bleibt es bei Stückwerk. Zumindest eine einheitliche europäische Finanzmarktaufsicht ist in Sicht.
Doch diese staatlichen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Panik auf den Märkten zu stoppen. Der Interbankenmarkt ist nach wie vor nicht funktionsfähig, die Banken leihen sich untereinander kaum Geld: die Zinssätze für dreimonatige Kredite auf dem Interbankenmarkt liegen über dem Zinssatz der Zentralbanken. Wer über Liquidität verfügt, ist auch darauf bedacht sie zu behalten: zum einen, um selbst für unerwartete Bilanzentwicklungen, Kursstürze, Kreditausfälle oder einen Bankrun vorbereitet zu sein; zum anderen, weil zu unsicher ist, ob andere Banken als Schuldner überhaupt noch zuverlässig sind - "Liquiditätspräferenz" nennt Keynes das. Auch die transnationale abgestimmte Aktion zahlreicher Zentralbanken mit gemeinsamen Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen verpufft.
Weltweit setzt sich der schwankende Absturz der Börsen nach unten fort: Laut der Rating-Agentur Standard & Poor's summiert sich die Vernichtung von "Börsenwerten" in den ersten zehn Monaten des Jahres 2008 auf 16,2 Billionen Dollar (FAZ, 5.11.08). Besonders betroffen sind US-RentnerInnen: über 2 Billionen Dollar Verlust verzeichnen US-Pensionsfonds.
Mögliche Zerschlagung der US-Großbanken
Vor allem die Fälligkeit von CDS-Kontrakten (1) kann noch unkalkulierbare Folgen nach sich ziehen und ohnehin angeschlagene Versicherungsgesellschaften wie AIG oder Banken wie IKB und Commerzbank gefährden. Dies hätte erneut eine Kettenreaktion weiterer Pleiten zur Folge bzw. staatliche Kreditgarantien würden wirklich fällig und belasten dann die Staatshaushalte. Insbesondere amerikanische Großbanken sind nicht zuletzt durch die Zentralisierung in Folge der Krise zu groß geworden, um sie wie Lehmann Brothers pleite gehen zu lassen, aber auch zu groß um sie zu retten, ohne den Staatsbankrott zu riskieren. Mit einer möglichen Zerschlagung der US-Großbanken wird sich die nächste US-Regierung befassen müssen. Der nächste Schock könnte vom Zusammenbruch einiger Hedge Fonds herrühren, die mit einem Vielfachen ihres Eigenkapitals an Krediten arbeiten. Zudem verstärken sich Weltwirtschaftskrise und Finanzkrise wechselseitig.
Intensivere transnationale Kooperation und ein neuer Rahmen auf globaler Ebene ist also notwendig geworden. Die G7 und die G20 werden von IWF-Chef Strauss-Kahn und dem britischen Premier Brown aufgerufen an einer globalen Neuordnung der Finanzmärkte zu arbeiten, eine neue "Bretton Woods Konferenz" einzuberufen (und damit ausgerechnet dem IWF wieder eine Aufgabe zu verschaffen). Bislang ist noch kein Kompromiss erkennbar. Klar scheint, dass die USA nach diesem Debakel nicht länger allein die Regeln des "Spiels" dominieren werden können.
Die Europäer wiederum sind sich uneinig. Vor allem die Deutschen sind immer noch weitgehend den neoliberalen Vorstellungen verhaftet, während die Franzosen für autoritäre Staatseingriffe plädieren. Darüber hinaus werden die neuen kapitalistischen Zentren China, Indien, Brasilien und die arabischen Öl-Staaten ein Wort mitreden wollen - sie alle plädieren auf unterschiedliche Art für offene, aber kontrollierte Finanzmärkte.
Dem verunsicherten "Block an der Macht" ist bewusst, dass es diesmal ums Ganze geht: nicht um den Zusammenbruch des Kapitalismus, aber eben auch nicht einfach nur um eine "bereinigende Krise", in der sich die verbliebenen Unternehmen günstig ihre angeschlagenen Konkurrenten einverleiben. Die Akkumulation auf erweiterter Stufenleiter und die gegenwärtige Funktionsweise der Märkte an sich ist gefährdet. In Konjugation mit anderen Krisenelementen (von der ökologischen Krise, über die Verschiebung von politischer und ökonomischer Macht auf dem Weltmarkt, bis hin zu Repräsentations- und Legitimationskrisen sowie wachsender gesellschaftlicher Desintegration und unterschiedlichster Revolten) steht voraussichtlich eine längere Periode von ein bis zwei Dekaden der Suche und der Auseinandersetzung um "post-neoliberale" Formen der Stabilisierung der kapitalistischen Produktionsweise bevor.
Ohne Linksverschiebung keine Akkumulation?
Ob es angesichts der Schwäche von Gewerkschaften und Organisationen der Subalternen unter dem US-Präsidenten Obama zu einem new New Deal mit stärkeren Umverteilungskomponenten, umfassenden Steuerreformen und der Rekonstruktion und Expansion öffentlicher Gesundheits- und Bildungsstrukturen kommen wird, bleibt offen. Dies wäre eine notwendiger (nationaler) Schritt zur Absorption überakkumulierter Kapitale, würde aber eine rasante Linksverschiebung voraussetzen, sonst als Basis für einen neuen Akkumulationsschub wahrscheinlich nicht hinreichend sein. Ohne deutliche Linksverschiebung wird vielleicht ein eher autoritär abgesicherter grüner Kapitalismus neue Akkumulationsmöglichkeiten und Konsenspotenziale produzieren. Die Finanzmärkte werden dabei wieder eine entscheidende Rolle spielen.
Die Reserven des nach wie vor dominierenden Neoliberalismus als organisierende Ideologie im Übergang zur informationstechnologischen transnationalen Produktionsweise sind jedenfalls erschöpft. Seine Institutionen werden noch lange fortwirken (ähnlich wie nach dem Ende des Fordismus), ihre Position ist nur noch eine "herrschende", keine "führende" (Gramsci, Gefängnishefte 2, 354). Die Risse im Porzellan sind zum Bruch geworden, doch "die Krise besteht gerade in der Tatsache, dass das Alte stirbt und das Neue nicht zur Welt kommen kann" (ebd.). Die Ablösung des Neoliberalismus wird durch heftigste globale gesellschaftliche Auseinandersetzungen geprägt sein.
Mario Candeias
Anmerkung:
Credit default swaps. CDS-Kontrakte sind Versicherungen auf Kredite, die selbst wieder gehandelt werden.
Literatur:
Mario Candeias: Neoliberalismus. Hochtechnologie. Hegemonie. Grundrisse einer transnationalen kapitalistischen Produktions- und Lebensweise. Argument-Verlag, Berlin-Hamburg 2004, verbesserte Neuauflage 2008
Ders.: Krise des Neoliberalismus - Ankunft des grünen Kapitalismus, Berlin (im Erscheinen)
Valerie Cerra und Sweta Charman Saxena: Growth dynamics: the myth of economic recovery, BIZ Working Papers Nr. 226, Basel 2007
Alexander Rüstow: Diskussionsbeitrag auf der 32. Tagung des Vereins für Socialpolitik am 28. November 1932, in: F. Boese (Hg.), Deutschland und die Weltkrise, München-Leipzig 1932, 62-9