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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 537 / 20.3.2009

Von der Anti-Hitler-Koalition zum Kalten Krieg

Die Vorgeschichte der NATO-Gründung

Der britische Historiker Eric Hobsbawm (1) datiert die "wahrscheinlich explosivste Phase" des Ost-West-Konflikts auf den Zeitraum zwischen März 1947 und April 1951. Mitten in diese Phase fiel im März 1949 die Gründung der NATO - in der offiziellen Lesart des Westens ein "Verteidigungsbündnis der freien Welt" gegen den "sowjetischen Expansionismus". Zum selben Zeitpunkt erklärte der spätere US-Außenminister John Foster Dulles, kein einziger Experte befürchte sowjetische "Eroberungsabsichten in Form einer offenen militärischen Aggression". Wozu das westliche Militärbündnis gegründet wurde, versteht man besser, wenn man seine Vorgeschichte betrachtet.

Wann beginnt diese Vorgeschichte? 1945 oder doch schon 1917? Enzo Traverso hat in seinem Buch "Im Bann der Gewalt" (siehe Rezension in ak 536) die Phase von 1914 bis 1989 als "europäischen Bürgerkrieg" beschrieben. Tatsächlich ist es - auch zum Verständnis einzelner historischer Ereignisse - sinnvoll, "große Linien" herauszuarbeiten. Der folgende grobe Überblick über die Vorgeschichte der NATO beginnt, nicht nur aus praktischen Gründen, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges.

Nach der "tschechischen Krise", Hitlers Triumph auf der Münchner Konferenz im September 1938 und der Besetzung der "Resttschechei" durch die Deutsche Wehrmacht im März 1939 erklärte Stalin auf dem 18. Parteitag der KPdSU, die vom Westen betriebene "Politik der Nichteinmischung" bedeute eine "Begünstigung der Aggression, die Entfesselung des Krieges und folglich seine Umwandlung in einen Weltkrieg". Im April 1939 bot die Sowjetunion Großbritannien und Frankreich ein Bündnis gegen Deutschland an: Bei einem deutschen Angriff auf einen der drei Staaten sollten die anderen dem Aggressor den Krieg erklären. Die Gespräche zogen sich wochenlang hin und scheiterten schließlich an unvereinbaren Interessen, die der britische Historiker Richard Overy auf den Punkt bringt: "Die Sowjetunion wollte ein Bündnis, um Hitler zu bekämpfen, der Westen eine diplomatische Front, um ihn abzuschrecken." (2)

Die weitere Entwicklung ist allgemein bekannt. Es folgte der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt ("Hitler-Stalin-Pakt") mit seinen verheerenden Folgen für Polen, die "kommunistische Weltbewegung" und die antifaschistischen Kräfte in Europa. Dass der deutsche Angriff gegen die Sowjetunion dennoch nur eine Frage der Zeit war, wusste auch Stalin - der ihn aber, allen Warnungen zum Trotz, erst später erwartete. Mit Beginn des "Unternehmens Barbarossa" am 22. Juni 1941 und dem fast ungehinderten Vordringen der Deutschen Wehrmacht auf sowjetisches Territorium änderte sich die Weltlage. Der britische Premierminister Winston Churchill erklärte noch am Tag des deutschen Überfalls: "Wir haben nur ein einziges, unwiderrufliches Ziel: Wir sind entschlossen, Hitler und jede Spur des Nazi-Regimes zu vernichten." Die Anti-Hitler-Koalition kam dennoch erst im Herbst 1941 zustande, als auch die USA Deutschland den Krieg erklärten.

Die Koalition funktionierte, wenn auch nicht reibungslos. Die USA versorgten die Rote Armee mit Kriegsgerät, konzentrierten sich aber militärisch auf den Kampf gegen Japan. Die von der Sowjetunion früh geforderte Eröffnung einer "zweiten Front" in Europa wurde immer wieder verschoben. Die Landung anglo-amerikanischer Truppen auf Sizilien im Juli 1943 war damit nicht gemeint. Sie hatte zudem das - gegen den sowjetischen Einfluss in Europa gerichtete - Ziel, vor der Roten Armee in Mitteleuropa anzukommen und dabei Einfluss auf die Balkanstaaten zu gewinnen. Dieses Vorhaben scheiterte am unerwartet heftigen Widerstand der deutschen Truppen in Italien.

Erst mit der Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 wurde dann die zweite Front tatsächlich eröffnet. Bis dahin kämpften 70% der deutschen Divisionen an der Ostfront. Zwar konnten sie die Rote Armee nicht aufhalten, ihr aber doch schwere Verluste zufügen. Der Verdacht, dass die Westalliierten das Ausbluten ihres sowjetischen Partners in Hinblick auf die Nachkriegsordnung billigend in Kauf nahmen, lag nahe. Churchill hatte schon im Januar 1942 an seinen Außenminister Anthony Eden geschrieben: "Niemand kann voraussehen, wie am Ende des Krieges das Kräfteverhältnis sein wird oder wo die siegreichen Armeen dann stehen werden. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die USA und das Britische Empire - bei weitem nicht erschöpft - der militärisch und wirtschaftlich mächtigste Block sein werden, den die Welt je gesehen hat, während die Sowjetunion für den Wiederaufbau unsere Hilfe weit mehr benötigen wird als wir dann ihre brauchen werden." (zitiert nach AK 259)

Für die bis kurz vor Kriegsende von den Nazis gehegte Hoffnung, Spannungen und Interessengegegensätze in der Anti-Hitler-Koalition könnten zu deren Bruch führen, gab es zwar Anknüpfungspunkte. Sie war dennoch illusionär, weil die NS-Eroberungspläne auch für die Westalliierten absolut unannehmbar waren. Um diese Pläne zu durchkreuzen, gab es zum Bündnis mit der Sowjetunion keine Alternative. Dass es sich um ein Bündnis auf Zeit handelte, war den Strategen beider Seiten klar. Nicht voraussehbar war allerdings, wie schnell und massiv der Bruch vonstatten ging.

Der US-amerikanische Publizist David Horowitz, der Autor des Klassikers "Kalter Krieg. Hintergründe der US-Außenpolitik von Jalta bis Vietnam" (3), datiert den Anfang vom Ende der Anti-Hitler-Koalition auf den 23. April 1945. Zwei Wochen vor der deutschen Kapitulation empfing der neue US-Präsident Harry Truman - sein Vorgänger Franklin D. Roosevelt war am 12. April verstorben - den sowjetischen Außenminister Molotow im Weißen Haus. Augen- und Ohrenzeugen berichteten später, Truman habe seinem Gast in barschem Ton die Verletzung des Abkommens von Jalta vorgeworfen. Streitpunkt war die Frage der künftigen polnischen Regierung. Die Konferenz von Jalta hatte hierzu im Februar 1945 beschlossen, die provisorische Regierung in Polen solle "auf einer breiten demokratischen Grundlage mit Einschluss demokratischer Führer aus Polen selbst und von Polen im Ausland reorganisiert werden". Außerdem sollten - wie in den übrigen ehemals von den Nazis und ihren Verbündeten besetzten Ländern - "so bald als möglich, freie und unbeeinflusste Wahlen" stattfinden. Von dieser vage formulierten Regelung profitierte die von der Sowjetunion protegierte "provisorische Regierung" in Lublin; Vertreter der in London ansässigen antisowjetischen "Exilregierung" protestierten heftig und mussten sich schließlich mit einigen Posten in der neuen Regierung zufrieden geben, die Stalin ihnen zugestand.

Während der britische Premierminister kurz nach Jalta die sowjetische Vertragstreue gelobt und vor einer "nicht wieder gutzumachenden Spaltung zwischen den westlichen Demokratien und der Sowjetunion" gewarnt hatte, setzten sich in den USA nach Roosevelts Tod diejenigen durch, die mit seiner angeblichen "Beschwichtigungspolitik" Schluss machen wollten. Letzten Endes ging es dabei um den Zugriff auf die von der Roten Armee besetzten Länder. Die Aufteilung von "Einflusssphären" war zwar in Jalta nicht beschlossen, wohl aber der militärisch gegebene Status Quo von den "großen Drei" - Roosevelt, Churchill und Stalin - als Übergangsstadium akzeptiert worden.

Auf der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August 1945) wurde das noch einmal bestätigt. Nach der bis heute aufrechterhaltenen staatsoffiziellen deutschen Geschichtsschreibung habe Stalin in Potsdam aus einer Position der Stärke agiert, "indem er nicht nur die Errichtung einer gemeinsamen Ordnung demokratischer Staaten durch freie Wahlen ablehnte, sondern auch die Anerkennung der mit Gewalt veränderten Machtverhältnisse in Ost- und Ostmitteleuropa durch die Westmächte forderte. Dazu gehörten sowohl die bereits in Jalta vorbesprochene ,Westverschiebung` Polens - und damit die Festlegung neuer deutscher Ostgrenzen entlang der Oder und westlichen Neiße - als auch die Schaffung eines Gürtels sowjetisch kontrollierter Satellitenstaaten entlang der sowjetischen Westgrenze, die als ,Pufferzone` (cordon sanitaire) einem erneuten Angriff aus dem Westen entgegenwirken sollten." (4)

Wenn dies eine Politik der "Stärke" war, dann richtete sie sich allein auf die Sicherung der durch die Rote Armee besetzten Länder. Nach einer von Churchill später kolportierten Anekdote habe er sich mit Stalin schon im Oktober 1944 auf eine Aufteilung der Einflusszonen auf dem Balkan geeinigt: eine jeweils 90%-ige Vorherrschaft Großbritanniens in Griechenland bzw. der Sowjetunion in Rumänien; ein Verhältnis von 75:25 zugunsten der Sowjetunion in Bulgarien und ein 50:50 in Ungarn. Diese Zahlen, von Churchill auf einem Zettel notiert, seien von Stalin ohne Zögern abgehakt worden.

Wenn es nicht wahr ist, dann ist es gut erfunden: Aus dem griechischen Bürgerkrieg, in den Großbritannien massiv intervenierte, hielt die Sowjetunion sich heraus; in Ungarn fanden im Herbst 1945 freie Wahlen statt, und in Jugoslawien hätte Stalin die Restauration der Monarchie am liebsten gesehen. Eric Hobsbawm schreibt: "Jede rationale Analyse hätte also festgestellt, dass die Sowjetunion keine unmittelbare Bedrohung für irgend jemanden darstellte, der sich außerhalb der Reichweite der Roten Besatzungsarmee befand." Die Sowjetunion, so Hobsbawm weiter, "wurde von einem Diktator beherrscht, der bewiesen hatte, dass er außerhalb der Gebiete unter seiner unmittelbaren Kontrolle ebenso risikofeindlich war wie rücksichtslos innerhalb seines Territoriums." Dennoch beharrten die USA " - zumindest in ihren Verlautbarungen - auf einem Alptraumszenario (...), das eine Moskauer Supermacht zeigte, die sich auf die unmittelbare Eroberung der Welt vorbereitete und eine gottlose ,kommunistische Weltverschwörung` anführte, die jederzeit bereit sein würde, die Horte der Freiheit zu überrennen ..."

Dass die Strategen in Washington an dieses Szenario selbst glaubten, ist unwahrscheinlich. Die Schwäche der Sowjetunion war offensichtlich - im Krieg gegen Nazi-Deutschland waren 25 Mio. SowjetbürgerInnen umgekommen, große Teile des Landes waren verwüstet, Reparationsansprüche sollten laut Potsdamer Abkommen vor allem durch "Entnahmen aus der von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland ... befriedigt werden." (Artikel IV) So "hätte nicht viel gefehlt, um auch aus der erschöpften und verarmten Sowjetunion eine weitere Abhängigkeitsregion von der amerikanischen Wirtschaft zu machen ..." (Hobsbawm)

Durch das atomare Monopol der USA entstand seit Sommer 1945 zudem eine militärisch veränderte Lage. Nach den Bombenabwürfen über Hiroshima (6.8.45) und Nagasaki (9.8.45) war mit der Kapitulation Japans (14.8.45) der Zweite Weltkrieg beendet. Die Sowjetunion hatte vereinbarungsgemäß noch am 8. August Japan den Krieg erklärt, aber kaum noch militärisch eingegriffen. Der Einsatz der Atombomben diente unmittelbar dem Zweck, die Sowjetunion vom fernöstlichen Kriegsschauplatz fernzuhalten; mittelbar war er eine Demonstration der US-amerikanischen qualitativen Überlegenheit. Die strategischen Stützpunkte im Pazifik, die die USA im Krieg gegen Japan erobert hatten, wurden nun zu potenziellen Ausgangspunkten für Angriffe auf die Sowjetunion. Erst im Oktober 1949 konnte die sowjetische Seite durch die Zündung einer eigenen Atombombe gleichziehen.

Die Frage, was mit dem besiegten Deutschland geschehen solle, wurde unter den ehemaligen Verbündeten schnell zu einem wesentlichen Streitpunkt. Im Abkommen von Jalta war u.a. eindeutig festgehalten worden, die Alliierten würden in Ausübung ihrer Macht "solche Maßnahmen treffen, einschließlich der völligen Entwaffnung, Entmilitarisierung und Aufteilung, wie sie sie für den zukünftigen Frieden und die Sicherheit für notwendig halten." Konkrete Festlegungen, wie die Teilung (englisch: dismemberment) aussehen sollte, wurden allerdings im Februar 1945 von der britischen Regierung verhindert. Danach war - sowohl auf britischer wie auf sowjetischer Seite - nur noch von der "Möglichkeit" die Rede, Deutschland aufzuteilen. Stalin war der Erste, der diese neue Linie öffentlich vertrat, als er am 9. Mai 1945 erklärte: "Die Sowjetunion feiert den Sieg, wenn sie sich auch nicht anschickt, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten." Auf der Potsdamer Konferenz war die deutsche Teilung kein Thema, und fortan wetteiferten alliierte Politiker darum, sich als entschiedenste Garanten der deutschen Einheit zu profilieren.

Nur wenige Wochen später trafen sich in London die Außenminister der Großen Drei zu "einer der katastrophalsten Konferenzen der Neuzeit", so Sumner Welles, stellvertretender Außenminister unter Roosevelt: In keinem Punkt wurde ein Beschluss gefasst, wofür Sumner Welles vor allem die "starre, unversöhnliche Haltung" der US-Vertreter verantwortlich machte. Zwar folgte im Dezember eine weitere Außenministerkonferenz in Moskau, auf der u.a. Friedensvertragsentwürfe für die ehemaligen Verbündeten des Deutschen Reichs beschlossen wurden. US-Außenminister James Francis Byrnes, der dem zugestimmt hatte, wurde nach seiner Rückkehr in Washington von der Presse und auch von seinem Chef, Präsident Truman, wegen seiner "Beschwichtigungsmanöver" attackiert und wenig später entlassen. In einem Memorandum von Januar 1946 formulierte Truman seinen festen Willen, "die Sowjets nicht weiter zu verhätscheln", zumal diese eine "Invasion der Türkei und die Inbesitznahme vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer" beabsichtigen würden. Wenig später bestätigte George Frost Kennan von der Moskauer US-Botschaft in einem 8.000 Wörter umfassenden Telegramm diese Befürchtung. Als Gegenmittel schlug er "containment" vor - eine Eindämmungspolitik gegen den sowjetischen "Expansionismus", die zur offiziellen Linie der Außenpolitik wurde. Der gegenüber der Sowjetunion angeschlagene Ton wurde noch schärfer, auch bei Churchill, der auf einer USA-Reise im März 1946 seine berühmte Rede über den "Eisernen Vorhang" in Europa hielt - eine rhetorische Anleihe bei Goebbels, die bis in die 1960er Jahre auch in der BRD ständig wiederholt wurde.

Einen vorläufigen Abschluss erreichte die schroffe Abgrenzung von der Sowjetunion mit der Verkündung der "Truman-Doktrin" im März 1947. Nach dem Sieg über Deutschland und Japan, "die anderen Ländern ihren Willen und ihre Lebensweise aufzwingen wollten", müsse die Politik der USA darin bestehen, "die freien Völker zu unterstützen, die sich der Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch Druck von außen widersetzen". Konkret forderte Truman vom Kongress "die Entsendung von zivilen und militärischen Fachkräften nach Griechenland und der Türkei" sowie die Bereitstellung von 400 Mio. Dollar "Notstandshilfe". Eine winzige Summe, gemessen an den 341 Mrd. US-Dollar, welche die USA im Zweiten Weltkrieg als "Kapitalanlage in Weltfreiheit und Weltfrieden" investiert habe. Dass weitere Investitionen dieser Art nicht ohne Risiko seien, räumte der Präsident offen ein: "Wir lassen uns hier auf eine ernste Sache ein, und ich würde nicht dazu raten, wenn nicht die Alternative noch viel ernster wäre."

Der Gedanke, dass zivile und militärische Unterstützung der von "totalitären" Bestrebungen bedrohten Staaten Hand in Hand gehen müssten, wurde von Truman ebenfalls ausgesprochen. Er lag auch der Politik zugrunde, die im Juni 1947 von US-Außenminister George Marshall verkündet wurde. Ihr Zweck, so Marshall in seiner Rede an der Harvard-Universität, sei die "Wiederbelebung einer funktionierenden Weltwirtschaft" bzw. die "Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse in der Welt", wobei die von den USA geleisteten Hilfsleistungen "eine Heilungskur und nicht nur ein Linderungsmittel darstellen" sollten. Dabei sollten "freie Völker" die sich dem "totalitären Druck" des Kommunismus von innen wie von außen widersetzten, "mit Vorrang in den Genuss amerikanischer Hilfe kommen", so Marshalls Nachfolger Dean Acheson zu den Ausführungsprinzipien des Marshall-Plans.

Die Antwort der Sowjetunion und ihrer Verbündeten fiel deutlich aus. Das Kommunistische Informationsbüro (Kominform), bestehend aus den KPs Osteuropas, Italiens und Frankreichs, erklärte im November 1947, einen Monat nach seiner Gründung: "Der Truman-Marshall-Plan bildet dabei nur einen Bestandteil, den europäischen Abschnitt im Generalplan der von den USA in allen Teilen der Welt fortgesetzten Expansionspolitik ..."; demgegenüber würden die UdSSR und "die demokratischen Länder" eine Politik verfolgen, "deren Ziel der Sturz des Imperialismus und die Festigung der Demokratie ist."

Es waren allerdings nicht allein die materiellen Vorteile des Marshall-Plans oder die ideologische Verblendung nazistisch geprägter RevanchistInnen, die ein Bündnis mit den USA attraktiv erscheinen ließen. Die westliche Propaganda, die die Angst vor der "Gefahr aus dem Osten" massiv schürte, fand in der Machtpolitik der Sowjetunion auch reale Anknüpfungspunkte. In das Jahr 1948 fielen zum einen der kommunistische Aufstand in der Tschechoslowakei, der das Land zum sicheren Verbündeten Moskaus machte; zum anderen die Blockade Westberlins, die eine regelrechte Massenhysterie auslöste, bevor sie im Mai 1949 stillschweigend beendet wurde. David Horowitz beschreibt, wie beide Vorgänge benutzt wurden, "um die öffentliche Meinung zugunsten einer massiven Remobilisierung der Wirtschafts- und Militärmacht des Westens hochzupeitschen." Zugleich räumt er ein: "Die allgemeine geopolitische Lage selber lieferte natürlich einen Anschein von Glaubwürdigkeit für diese Kampagne, auf deren Höhepunkt das atlantische Bündnis geschlossen wurde."

Dieses Bündnis, die North Atlantic Treaty Organization (NATO), wurde am 4. April 1949 von Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Portugal und den USA gegründet. 1952 traten Griechenland und die Türkei bei, 1955 die Bundesrepublik Deutschland. Deren Kanzler Konrad Adenauer (CDU) hatte schon 1948, noch vor Gründung der BRD, die deutsche "Wiederbewaffnung" auch öffentlich zum Thema gemacht. Bei der westlichen Führungsmacht rannte er damit offene Türen ein. Der Stab des Sicherheitsrates der USA hatte 1947 in einer Analyse die strategische Ausrichtung der NATO festgelegt: "Die Niederlage der Kräfte des von den Sowjets angeführten Weltkommunismus ist für die Vereinigten Staaten von vitaler Bedeutung. Die Vereinigten Staaten sollten daher die Führung bei der Organisierung einer weltweiten Gegenoffensive übernehmen, die darauf zielt, unsere und der nicht-sowjetischen Welt antikommunistische Kräfte zu mobilisieren und zu stärken und die Stärke der kommunistischen Kräfte in der sowjetischen Welt zu unterminieren. In unseren Bemühungen zur Gegenoffensive sollte die erste Priorität auf Westeuropa gelegt werden." (zitiert nach AK 258)

Die Umsetzung dieser allgemeinen Richtlinie in die Bestimmungen der NATO-Charta ist bekannt: Artikel 5 legt fest, "dass ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere" der Vertragsparteien "als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird". Dass es sich hierbei nicht um eine Floskel handelte, zeigt die Ausrufung des NATO-"Bündnisfalls" nach dem 11. September 2001, der den gemeinsamen "Krieg gegen den Terror" in Afghanistan rechtfertigen sollte. Zudem war als Reaktion auf einen konventionellen Angriff der Sowjetunion und der Warschauer Vertragsstaaten ein atomarer Erstschlag ausdrücklich vorgesehen. Dazu kam es nicht. Auch die Kriege in Asien, Afrika und im Nahen Osten führten nicht zu einer unmittelbaren kriegerischen Konfrontation von USA und UdSSR. Im jahrzehntelangen atomaren Wettrüsten hatten die USA und ihre Verbündeten durchgehend ein qualitatives Übergewicht. Letztlich reichte die westliche Politik des "Totrüstens" aus, um die Erosion des realsozialistischen Lagers zu beschleunigen. Es hätte auch anders kommen können.

Js.

Anmerkungen:

1) Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München und Wien 1994

2) Richard Overy: Russlands Krieg 1941 - 1945. Reinbek bei Hamburg 2003. Siehe Rezension in ak 481

3) David Horowitz: Kalter Krieg. Hintergründe der US-Außenpolitik von Jalta bis Vietnam. Westberlin 1969

4) Bun­des­zen­tra­le für po­li­ti­sche Bil­dung: Deut­sche Tei­lung im Kal­ten Krieg. Der ­Be­ginn der Bi­po­la­ri­tät. www.bpb.de/themen/36HEVF.html