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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 537 / 20.3.2009

Ein Ausgangspunkt

Antifa-Aktivitäten konnten Nazis in Dresden (noch) nicht stoppen

Auch dieses Jahr zogen wieder Tausende Nazis durch Dresden. Der jährliche Naziaufzug ist der größte Aufmarsch dieser Art in Europa und der letzte regelmäßig stattfindende Großaufmarsch, der den extremen Rechten in der Bundesrepublik verblieben ist. Bislang ist es nicht gelungen, dieser Nazidemonstration nennenswert etwas entgegenzusetzen, geschweige denn sie zu verhindern. Aufgrund der immensen Bedeutung, die der Großaufmarsch für die Neonaziszene hat, sollte dies dieses Jahr anders werden. Eine erste Bilanz zieht die Antifa AG von FelS.

Dresden 14. Februar 2009. Rund 4.000 AntifaschistInnen, die dem Aufruf des No-pasarán-Bündnisses gefolgt waren, sammelten sich ab 11 Uhr in der Dresdner Neustadt. Am Hauptbahnhof stellten sich währenddessen alte und neue Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus einigen europäischen Ländern auf. Mit 6.000-7.000 TeilnehmerInnen erreichten die Nazis einen neuen Rekord.

Um 12 Uhr setzten sich die Protestmärsche des aus Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und anderen zivilgesellschaftlichen AkteurInnen bestehenden GehDenken-Bündnisses in Richtung Theaterplatz in der Dresdner Altstadt in Bewegung. Um 15 Uhr versuchten Teile der Demo des bundesweiten Antifabündnis No pasarán, das von der Interventionistischen Linken (IL) mitgetragen wurde, sich wenigstens den Zutritt zum Ort der Abschlusskundgebung von GehDenken zu erstreiten - und scheiterten auch damit. Kurz danach erreichten die Demos des bürgerlichen Bündnisses den Theaterplatz.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Spitze der Nazidemonstration den Ort ihrer Abschlusskundgebung bereits erreicht. Gegen 17 Uhr prügelte die Polizei mehrere Hundert linke AntifaschistInnen mit großer Rücksichtslosigkeit aus der Altstadt, die sich vor der Synagoge versammelt hatten, um diese vor einem vermuteten Angriff von Nazis zu schützen. So hinterließ der gesamte Tag trotz des offensichtlichen Mobilisierungserfolgs der radikalen Linken einen schalen Nachgeschmack. Es gelang weder No pasarán noch GehDenken, das angekündigte Ziel - den Naziaufmarsch zu verhindern oder zu blockieren - auch nur ansatzweise umzusetzen. Dabei hätte wohl mehr passieren können, angesichts der über 10.000 in der Stadt versammelten AntifaschistInnen.

Schaler Nachgeschmack trotz Mobilisierungserfolgs

Angetreten war das No-pasarán-Bündnis mit dem Anspruch, die Lähmung der antifaschistischen Bewegung in Dresden zu überwinden, die politische Zwickmühle zwischen BombenopferbeweinerInnen und Bomber-Harris-VerehrerInnen aufzulösen und so Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen. Es sollte (und soll) ein breites Bündnis geschaffen werden, das in der Lage ist, diesen letzten großen Naziaufmarsch zu kippen. Dennoch war klar, dass dieses Ziel nicht schon dieses Jahr erreicht werden kann.

Und so sind die Gründe dafür, dass Dresden dieses Jahr kein Erfolg war, die alten. Die Konflikte der linken Dresdner AntifaschistInnen untereinander verursachen immer noch so viele Reibungsverluste, dass es, so scheint es zumindest von außen, kaum einer Fraktion gelingt, in die lokalpolitische Diskussion um den Umgang mit dem Nazi-Gedenken wirksam einzugreifen.

Wie notwendig die politische Auseinandersetzung in Dresden um diesen Aufmarsch ist, wurde durch die diesjährige Wiederholung des alljährlichen kommunalpolitischen Trauerspiels deutlich: Den lokalen HonoratiorInnen gelingt es nicht, die Nazis von der Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof fernzuhalten. Dafür muss die jüdische Gemeinde die Anwesenheit von zahlreichen Nazis bei der Veranstaltung ertragen. Allerdings fand dieses Jahr die CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz zum ersten Mal deutliche Worte und kritisierte, dass NPD und Nazis versuchen, das Gedenken für sich zu vereinnahmen. In so einer Konstellation muss der Hinweis darauf, dass es die Deutschen waren, die den Krieg angefangen haben, offenbar schon als Akt antifaschistischen Widerstands gelten - die Peinlichkeit und Hilflosigkeit dieses Umgangs mit der größten Neonazi-Mobilisierung seit dem Ende des Nationalsozialismus macht fassungslos.

Ein weiteres Erschwernis für die antifaschistischen Proteste stellt das gesellschaftliche Klima in Dresden dar. Während sich einige Organisationen und Teile der BürgerInnen schon von dem selbstbezogenen Erinnern an die Bombardierung wegbewegt haben, beharren andere hartnäckig auf ihrer "berechtigten Trauer". Am 14. Februar schienen die Straßen jedenfalls fast überall wie leer gefegt, nur wenige reihten sich in die Proteste ein, shoppende Dresdner stellten die wirkungsvollste Behinderung für den Nazi-Aufmarsch dar.

Auch die Politik der Stadt Dresden zeugt von einem Unbehagen gegenüber den AntifaschistInnen: Ihre Behörden zeigten ein erschreckend offenes Interesse daran, den Naziaufmarsch auf jeden Fall durchzusetzen und die antifaschistischen Initiativen und Proteste zu denunzieren. Um den Nazis ihren Aufmarsch zu ermöglichen und störungsfrei ablaufen zu lassen (inklusive der Duldung vermummter Nazis im Aufmarsch und prügelnder Nazipatrouillen in den Seitenstraßen), zogen die Stadt Dresden und ihre Polizei alle Register, um von den Nazis jeglichen Widerstand fernzuhalten. Dazu wurde die Öffentlichkeit nicht bzw. falsch von der Naziroute unterrichtet, der öffentliche Nahverkehr komplett unterbunden und die Antifademo im Wanderkessel gegängelt und schikaniert - während die Altstadt durch 3.600 PolizistInnen so abgeriegelt wurde, dass viele Menschen nicht einmal bis zur Kundgebung des GehDenken-Bündnisses auf dem Theaterplatz gelangten - geschweige denn die Nazis auch nur zu Gesicht bekamen.

Dresden grüßt seine Gäste - ganz besonders seine Nazis

Das Signal an die Nazis ist eindeutig: Kommt wieder, bei uns klappt euer Aufmarsch immer. Dass es in Dresden nicht einmal den Versuch gab, die Nazi-Mobilisierung durch eine Diskussion über ein polizeiliches Verbot der Veranstaltungen bzw. klare Ablehnung zu behindern, muss fast als Einladung gelten. So entsetzlich es sich anhört, diese Situation kennzeichnet die politische Verfasstheit in Dresden schon seit Jahren. Deswegen wird die Auseinandersetzung um diesen Naziaufmarsch, wie auch die geschichtspolitische Auseinandersetzung um den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, noch lange dauern.

Aus diesem Grund denken wir, dass sich mit dieser Mobilisierung und der No-pasarán-Demonstration unser Ausgangspunkt für die zukünftige Verhinderung dieses letzten großen Nazi-Events in Deutschland verbessert hat. Die radikale Linke hat sich als politischer Akteur zurückgemeldet; wir werden nächstes Jahr wieder dort sein, diesmal besser aufgestellt, besser organisiert und auch in Dresden besser verankert. Und da gibt es noch viel zu tun. Denn aufgrund der Bedeutung des Aufmarsches für die Nazis, auch im Rahmen des Kampfes um die politische Lufthoheit bei der Bewertung des Zweiten Weltkrieges, kann der Widerstand nicht nur Aufgabe der Antifa sein. Hier ist ein spektrenübergreifendes Engagement der linken Bewegung notwendig.

FelS - Für eine lin­ke Strö­mung