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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 537 / 20.3.2009

Die Krankheit der Privatisierung

Nicht nur in Simbabwe, auch in Südafrika breitet sich die Cholera aus

In den letzten zwei Monaten ist in mehreren Provinzen Südafrikas die Cholera ausgebrochen. Tausende von Menschen sind infiziert worden, über 50 bereits gestorben. Zuerst haben eine Reihe von PolitikerInnen, darunter ParlamentarierInnen der rechten Democratic Alliance (DA) versucht, SimbabwerInnen, die vor dem ökonomischen Disaster in ihrem Land, Mugabes repressivem Regime und dem dortigen Choleraausbruch nach Südafrika geflohen sind, für den Ausbruch der Krankheit verantwortlich zu machen. Doch die Cholera in Südafrika ist hausgemacht.

Nach mehreren Wochen stellte das Gesundheitsministerium fest, dass die Cholera im Land nichts mit den Fällen in Simbabwe zu tun habe. Für die Cholera in Südafrika seien die mangelnde Versorgung mit sanitären Einrichtungen sowie der fehlende Zugang zu sauberem Trinkwasser im Land verantwortlich. Jenseits dieser Feststellung war das Gesundheitsministerium nicht Willens, sich mit der Angelegenheit genauer auseinanderzusetzen und zu fragen, warum 15 Jahre nach dem Ende der Apartheid Menschen in Südafrika immer noch keine Toiletten oder sauberes Trinkwasser haben. Der wahre Grund dafür ist, dass die ANC-Regierung vollständig versagt hat, die durch die Apartheid produzierten Ungleichheiten abzubauen. Stattdessen hat sie die Privatisierung der Wasser- und der Abwasserversorgung in die Wege geleitet.

Cholera ist für Südafrika kein neues Phänomen. Zu Apartheidzeiten brach die Krankheit regelmäßig aus, denn das Regime zwang Millionen von Menschen dazu, unter entsetzlichen Bedingungen in Townships und Homelands zu leben, für die kaum Dienstleitungen zur Verfügung gestellt wurden. Nur einige wenige Glückliche hatten Zugang zu Elektrizität. Schlimmer war noch, dass in nur wenigen Townships der Müll abtransportiert wurde, noch weniger hatten sauberes Wasser. So ist es keine Überraschung, dass damals die Cholera regelmäßig ausbrach, während die weiße Bevölkerung in mit Dienstleistungen gut versorgten Nachbarschaften lebte, ausreichend Wasser für ihre Swimmingpools hatte, Abfallbeseitigungsdienstleistungen, die den Müll ihrer zügellosen Konsumkultur abtransportierten, und zu subventionierten Preisen Strom bezog, der einen der höchsten Lebensstandards in der Welt befeuerte.

Mitte der 1980er Jahre begannen schwarze Gemeinden dieses ungerechte System zu bekämpfen, einige errangen sogar Erfolge, wie z.B. den kostenlosen Zugang zu Trinkwasser. Die Apartheidsregierung war wenig erfreut über die internationale Aufmerksamkeit, die einige der größeren Choleraausbrüche hervorriefen. So begann sie in einigen Regionen die kostenlose Trinkwasserversorgung zu ermöglichen, u.a. in Teilen der Ostküstenprovinz KwaZulu-Natal.

Cholera ist in Südafrika nichts Neues

Bevor der ANC 1994 an die Macht kam, verurteilte er regelmäßig die schlechten Lebensverhältnisse der schwarzen Bevölkerung. Man versprach, einmal an der Macht, die durch die Apartheid produzierten Ungleichheiten zu beseitigen und die Krankheiten auszurotten, die durch die armseligen Lebensverhältnisse verursacht wurden. Es sollte kostenlosen Zugang zu Wasser und angemessene Wohnungen für alle geben. Das war die Basis, auf der Millionen von Schwarzen dem ANC 1994 ihre Stimme gaben.

Leider wurde sehr früh klar, dass der ANC, wie alle politischen Parteien, seine WählerInnen angelogen und keine Absicht hatte, seine Versprechen zu erfüllen. Das Reconstruction and Development Programme (RDP), das der ANC 1994 bekannt gab, beinhaltete bereits viele neoliberale Maßnahmen.

Der ANC verpflichtete sich mit dem RDP auf einen finanzpolitischen Sparkurs, ökonomische Deregulierung, Handelsliberalisierungen und die Schaffung einer unabhängigen Zentralbank. All das, um für die Expansion des privaten Sektors eine vorteilhafte Umgebung zu schaffen.

1996, als der ANC noch mehr nach rechts gerückt war, lancierte er eine unverkennbar unternehmensfreundliche Wirtschaftspolitik, die giftige Growth Employment and Redistribution Policy (GEAR). GEAR spülte den Eliten das Geld noch effektiver in die Hände, als das zu Apartheidszeiten jemals der Fall gewesen wäre. Der ANC kanalisierte Millionen von Rand in Projekte, die multinationalen Unternehmen zugute kamen, statt sie für die Bereitstellung von Dienstleistungen und Wohnungen für Arme auszugeben.

Als ob das nicht schon schlimm genug gewesen wäre, beglückte der ANC die Unternehmen und die Mittelklasse Südafrikas, die alle von der Apartheid profitiert haben, mit Steuersenkungsgeschenken. So lag die Körperschaftssteuer 1994 noch bei 48 Prozent, heute sind es lediglich 28 Prozent. Im Namen von GEAR erlaubte die Regierung zudem vielen südafrikanischen Regierungen, ihre Geld fast unbeschränkt und ohne Gebühren nach Südafrika rein oder raus zu transferieren. Etliche Unternehmen haben diese Möglichkeit genutzt und ihre Profite in Steueroasen in Sicherheit gebracht. Unternehmen wie z.B. Anglo-American, South African Breweries und Old Mutual konnten sogar ohne Probleme ihren Stammsitz nach London verlegen und dort an der Börse notieren. (1)

Während der ANC, seiner "Unternehmens-Wohlfahrt-Politik" folgend, den Reichen Billionen zuspielte, litten die Armen. Die staatlichen Sozialausgaben gingen in der ersten ANC-Regierungsdekade real zurück. Auch die Mittel, die für die Lokalregierungen bereit gestellt wurden - v.a. in ihrer Verantwortung liegt es, sauberes Wasser, Wohnungen und sanitäre Einrichtungen bereit zu stellen - gingen zurück. Zwischen 1991 und 1997 um 85 Prozent.

So gab das Ministerium für Wohnungsbau bekannt, die Gelder für den Wohnungsbau in ganz Südafrika betrügen für das Jahr 2008 10,6 Billionen Rand - nach eigenen Angaben brauche man jedoch allein 253 Billionen Rand, um dem Nachholbedarf beim Wohnungsbau gerecht zu werden.

Auf Grund dieser schmalen Budgets haben Millionen von Menschen heute in Südafrika immer noch keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Wohnungen, Abfallentsorgungsdienstleistungen und der Abwasserentsorgung. Wahrscheinlich werden sie in ihrem Leben auch niemals in den Genuss dieser Dienstleistungen kommen. Deshalb leidet die Gesundheit der Menschen und deshalb bricht die Cholera immer wieder aus. Gleichzeitig erhalten auch heute noch weiße Wohngebiete viel mehr Mittel aus dem Haushalt für sauberes Wasser, die Abfallbeseitigung und sanitäre Infrastrukturleistungen als Townships. Der Elitevorort Durbanville in Kapstadt mit seinen 35.000 EinwohnerInnen erhält vier mal mehr Geld pro Person für die Abfallbeseitigung als das Township

Khayelitsha mit seinen 450.000 EinwohnerInnen. Acht mal mehr Geld pro Person wird in Durbanville im Vergleich zu Khayelitsha ausgegeben, um dessen BewohnerInnen den Zugang zu Wasser zu ermöglichen.

Der ANC hat versagt, die Ungleichheit zu bekämpfen

In Johannesburg leben 30 Prozent aller BewohnerInnen in Hütten, 52 Prozent aller EinwohnerInnen leiden unter unzureichenden Wasser- und Abwasserversorgungsleistungen . In reichen Vororten, wie z.B. Sandton, existiert dagegen eine der höchsten Wasserverbrauchsraten auf der Welt. Um das noch zu toppen, hat der ANC ein Gesetz verabschiedet, das jeglichen Formen der Quersubventionierung von Dienstleistungen einen Riegel vorschiebt.

Gleichzeitig nahm die Partei die Position ein, die vom Staat bereit gestellten sozialen Dienstleistungen müssten Kosten deckend arbeiten. Übersetzt heißt das: den Leuten, die für die Dienstleistungen nicht zahlen können, wird einfach der Hahn zugedreht. Als Konsequenz daraus müssen Millionen Menschen in den Townships in einer Umgebung leben, die Cholera und Durchfall produziert. GEAR hat zudem die Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen und der Infrastruktur der Kommunen in Gang gesetzt. Wasser wurde zu einer Ware. Resultat: über zehn Millionen Menschen, die es sich nicht leisten konnten, ihr Wasser zu bezahlen, wurden die Leitungen gekappt. Die Regierung hat den Profit den Menschen vorgezogen und macht eine Politik, die nur den multinationalen Unternehmen zum Vorteil gereicht.

In Johannesburg z.B. wurde die Wasserversorgung an den Konzern Suez ausgelagert. Suez schlägt aus dem Verkauf der Ware Wasser massiven Profit, die Armen brachte die Kommodifizierung in noch größere Probleme. Zu Hochzeiten wurden 20.000 Haushalte pro Monat von der Wasserversorgung abgeklemmt, weil sie die Wasserpreise von Suez nicht bezahlen konnten. Viele dieser Menschen holten sich in Folge ihr Wasser aus Flüssen. In Alexandra, am Rand von Johannesburg, tranken die Menschen das vergiftete Wasser des Jukskei-Flusses, danach brachen Cholera und Durchfallerkrankungen aus. Dort, wo Menschen gegen diese Zustände protestierten, wurden sie von der Polizei beschossen und z.T. aus ihren Häusern vertrieben.

In den Jahren 2000 und 2001 gab es massive Choleraausbrüche auch in KwaZulu-Natal und den Provinzen Eastern Cape und Mpumulanga. In Teilen von KwaZulu-Natal, wo die Menschen zu Apartheidszeiten Ende der 1980er Jahre sauberes Wasser erhalten hatten, lagerte die ANC-Regierung Mitte der 1990er Jahre die Wasserversorgung an das multinationale Unternehmen Biwater aus. Auch hier die gleiche Geschichte: Biwater verlangte Geld für sauberes Wasser, die Menschen konnten nicht zahlen, Biwater stellte die Versorgung mit Wasser ein. Auch dort mussten die Leute Wasser aus verdreckten Strömen und Quellen holen. Auch dort brach die Cholera aus, 117.000 Menschen wurden infiziert, 265 Menschen starben. Die Regierung zeigte wenig Mitleid, als die Privatisierung die Menschen tötete.

Das gleiche Bild in Kapstadt: die Wasserver- und Abwasser- und Müllentsorgung wurden ausgelagert und kommerzialisiert. Die Stadtregierung benutzte hier sogar Gelder der Hilfsorganisation USAID, um die private Firma PricewaterhouseCoopers anzuheuern, die bei der Neuformulierung der Dienstleistungspolitiken half und ausdrücklich Public-Private-Parnterschip-Modelle sowie eine Politik der Kostendeckung pries. Auch hier sind die Armen die Leidtragenden der Konsequenzen. Hundertausenden wurde das Wasser abgestellt. Allein im Jahr 2000 waren davon 377.000 Township-BewohnerInnen im Einzugsbereich von Kapstadt betroffen.

Als auch in Kapstadt die Cholera ausbrach, begann die Stadt, verschuldeten Haushalten 350 Liter sauberes Wasser am Tag zuzuteilen. Sind diese 350 Liter einmal aufgebraucht, ist Schluss. Da die Haushalte in Südafrika aus zahlreichen Personen bestehen, sind 350 Liter Wasser am Tag völlig unzureichend. Also haben die Menschen begonnen, das Wasser zu sammeln und wieder und wieder zu nutzen, auch das hat zum Ausbruch von Durchfallerkrankungen geführt.

Öffentliche Dienstleistungen zu Tode privatisiert

Cholera-Ausbrüche in Südafrika sind das Ergebnis des vom ANC verschuldeten Staatsversagens, den Ungleichheiten der Apartheid zu begegnen. Sowohl die Bundes- als auch die lokalen Regierungen haben die Idee vorangetrieben, dass Wasser eine Ware ist und verkauft werden muss. So haben Millionen von Menschen, 40 Prozent der SüdafrikanerInnen sind arbeitslos, selbst dort, wo die Infrastruktur zur Wasserverteilung existiert, keinen Zugang zu sauberem Wasser, denn sie können sich die hohen Wasserpreise nicht leisten.

Leider gibt es wenig Hoffnung auf Änderung. Alle Parteien, die zu den Parlamentswahlen am 22. April antreten, der ANC, seine Absplitterung, der Congress of the People (COPE), und die Democratic Alliance bleiben dem Neoliberalismus und der Kommerzialisierung von Dienstleistungen verpflichtet. So wird die Cholera in Südafrika immer und immer wieder ausbrechen. Nur wenn die Menschen sich untereinander organisieren und den freien Zugang zu kostenlosem Wasser erstreiten, kann dieser Krankheit der Privatisierung ein Ende gesetzt werden.

Shawn Hattingh, Kapstadt, Übersetzung aus dem Englischen: Eva Völpel

Anmerkungen:

1) Anglo-American ist im Bergbau und der Verarbeitung von Rohstoffen tätig, South African Breweries im Brauereigeschäft und Old Mutual ist ein heute international tätiger Versicherungskonzern.

Eine Langfassung dieses redaktionell gekürzten und bearbeiteten Artikels erschien bei Monthly Review (http://mrzine.monthlyreview.org/).