Es macht keinen Sinn, linksradikale Selbstreferenzialität zu bedienen
Interview mit Avanti Berlin zur Krisen-Demo am 28. März
Im Vorfeld des G20-Treffens in London finden in Frankfurt am Main und Berlin zwei Demos unter dem Motto "Wir zahlen nicht für Eure Krise" statt, zu denen bundesweit aufgerufen wird. Im Rahmen der Interventionistischen Linken (IL) mobilisiert Avanti - Projekt undogmatische Linke wie viele andere Gruppen für einen antikapitalistischen Block. ak sprach mit Oli von Avanti Berlin über Ziele und Perspektiven dieser Initiative.
ak: Die Demonstrationen am 28. März stehen unter dem Motto "Wir zahlen nicht für Eure Krise!" Warum diese Demo und warum ein antikapitalistischer Block?
Oli: Wir hoffen, dass die Demonstrationen Auftakt für eine breite, außerparlamentarische Mobilisierung sein werden, die die Abwälzung der Krisenfolgen auf uns alle verhindern kann und die als Akteurin in den kommenden Auseinandersetzungen handlungsfähig sein wird. Dafür benötigt es spektrenübergreifende Bündnisse und vermittelbare Forderungen. Wir sehen uns als Teil dieser Bündnisse, wollen aber auch deutlich machen, dass ein Verarzten des Kapitalismus oder der Ruf nach dem Staat nicht die Lösung sein kann. Aus diesem Grund rufen wir zu einem offenen antikapitalistischen Block auf, der konkrete Forderungen aus sozialen Kämpfen mit Perspektiven radikaler Gesellschaftsveränderung verbinden soll, ohne sich von den anderen DemoteilnehmerInnen abzugrenzen.
Von ver.di und dem DGB müsst ihr euch gar nicht abgrenzen. Die mobilisieren ja erst gar nicht ...
Das stimmt so nicht ganz: Zahlreiche Verwaltungsstellen der IG Metall, von ver.di und der GEW, der Gewerkschaftsjugend sowie die IG Bau beteiligen sich an der Mobilisierung. Und dies, obwohl der Bundesvorstand entschieden hat, zu den Aktionstagen des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) Mitte Mai aufzurufen und sich aus der Vorbereitung der Demonstrationen am 28. März herauszuhalten. Wir sehen es als ein gutes Zeichen an, dass für Teile der Gewerkschaften die Nähe zu sozialen Bewegungen wichtiger ist, als sich kurz vor der Europawahl an den Verhandlungstisch staatlichen Krisenmanagements zu setzen. Wir wollen denen den Rücken stärken, die Gewerkschaftsarbeit auch als gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung begreifen, z.B. indem wir sie bei der Mobilisierung in ihren Betrieben und bei den auf sie zukommenden Kämpfen bestmöglich unterstützen. Es gibt auch schon Überlegungen, wie wir mit unseren Positionen auf den Aktionstagen des EGBs im Mai sichtbar werden können. Das alles ändert allerdings nichts daran, dass es für einen gemeinsamen politischen Prozess auch der grundsätzlichen Bereitschaft von Gewerkschaften und auch der Linkspartei bedarf, soziale Bewegungen nicht nur als Füllmasse für Demonstrationen oder Wahlhelfer zu sehen, sondern als mögliche Bündnispartnerin, mit deren Hilfe gesellschaftliche Machtfragen, etwa wer die Krisenfolgen bezahlen muss, beantwortet werden können. Wir denken, dass ein erfolgreicher 28. März auch zu einer Stärkung der progressiven Kräfte dort führen kann.
Wie sieht eure "integrative Strategie" konkret aus?
Wir wollen mit unserem Block den verschiedenen Kämpfen um konkrete Verbesserung unserer Lebensverhältnisse eine Plattform bieten, weil wir glauben, dass nur in der Verbindung dieser Kämpfe eine Bewegung entstehen kann, die gesellschaftliche Relevanz erlangen wird. Ein offensives Eintreten für antikapitalistische Perspektiven heißt für uns, in soziale Auseinandersetzungen einzugreifen, Diskussionen anzustoßen und zu radikalisieren und nicht in unsere Transparente eingewickelt nach der Revolution zu rufen. Es macht keinen Sinn, auf der einen Seite breite Bündnisse zu fordern und auf der anderen Seite linksradikale Selbstreferenzialität zu bedienen. Wir wollen entschlossen, aber nicht abgeschlossen wirken und andere für antikapitalistische Perspektiven und unsere Aktionsformen gewinnen. Aus diesem Grund wird der Block offen sein; er wird jedoch durch sich optisch und inhaltlich aufeinander beziehende Stangentransparente einen gemeinsamen Ausdruck erhalten. Unter dem Motto "Die Krise heißt Kapitalismus" machen wir deutlich, dass es hier nicht nur um eine Finanzmarktkrise geht, sondern dass der Kapitalismus Tag für Tag Krisen produziert.
Wir wollen Themen wie Klima, Krieg, Prekarisierung, Stadtumstrukturierung, Migration und einige mehr zusammenzubringen und auf der ganzen Demo sichtbar machen. Das heißt auch, dass wir uns mit unseren Transparenten nicht nur auf unseren Block beschränken, sondern auch in anderen Blöcken präsent sein werden, um dort Diskussionen zu initiieren und bestehende Forderungen weiterzuentwickeln: Wir schließen uns dem Ruf nach demokratischer Kontrolle der Banken und Konzerne an, treten dabei aber nicht für Verstaatlichung, sondern für Vergesellschaftung unter Kontrolle der Bevölkerung und der Beschäftigten ein.
Auch wir sind gegen Kurzarbeit und Entlassungen; unsere Antwort ist allerdings eine radikale Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung der Arbeit. Statt Subventionen für Autohersteller fordern wir den sozial-ökologischen Umbau der Automobilproduktion und kostenlosen öffentlichen Nahverkehr. Wir wollen gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung für alle. Weil diese Zeit und Kraft kosten, halten wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen für einen ersten Schritt in die richtige Richtung.
Wie soll es nach dem 28. März weitergehen?
Die sozialen Kämpfe werden weiter zunehmen. Wenn wir es mit der Organisierung gesellschaftlicher Gegenmacht ernst meinen, muss uns klar sein, dass eine Demonstration noch keine Bewegung macht. Um in den kommenden Auseinandersetzungen eine Rolle zu spielen, muss die radikale Linke endlich wieder im Alltag sichtbar werden: ob auf der Arbeit, an der Schule oder im Stadtteil. Wir müssen wieder Perspektiven in sozialen Kämpfen aufzeigen. Anstelle der konfliktscheuen, repräsentationsorientierten und verregelten politischen Kultur müssen Formen des kollektiven Widerstands treten, sowohl im Alltag, als auch bei Aktionen, es müssen Bündnisse eingegangen und es muss in die Gewerkschaften hineingewirkt werden. Die Vorbereitung der Demonstrationen am 28. März kann hier nur ein erster Schritt sein. Gesellschaftsmodelle jenseits des Kapitalismus müssen wieder greifbar gemacht werden, nicht nur bei anderen, auch bei uns selbst. Zudem gilt es, autoritären Konzepten der Krisenbewältigung den Riegel vorzuschieben. Es gibt also viel zu tun ...
Interview: is