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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 539 / 15.5.2009

Aufgeblättert

Sabotage am Arbeitsplatz

"90 kleinere und größere Gaunereien aus der Arbeitswelt, von den Täterinnen und Tätern selbst erzählt", verspricht der Klappentext des "Lexikon der Sabotage", erschienen im kleinen Wiener Sonderzahl-Verlag. Und es wird nicht zu viel versprochen! Das Lexikon nimmt uns mit auf einen kurzweiligen Streifzug durch - meist alpenländische - Klassenkämpfe der etwas anderen Art. Mit etwas gutem Willen lässt sich das Buch, welches explizit "keine Aufforderung zu strafrechtlich verbotenen Handlungen geben" möchte (so die Herausgeber im Vorwort), als Lehrbuch betrachten. Gezeigt wird, dass in allen Sparten der kapitalistischen Arbeitswelt nicht nur Widerstand möglich ist, sondern dass dieser obendrein einen Unterhaltungs-Mehrwert zu generieren in der Lage ist. Da gibt es eine schier unerschöpfliche Vielfalt von "Betrug, Verweigerung, Racheakte(n) und Schabernack am Arbeitsplatz" (so der Untertitel), die uns das Lexikon der Sabotage näherbringt. Die Triebkräfte dahinter sind durchaus unterschiedlich: einmal ist es der blanke Hass auf Chefs und Vorgesetzte, dann die Unzufriedenheit mit der Entlohnung und nicht zuletzt der pure Spaß an der Freude. Mit John Holloway lässt sich aber hinter (fast) allen - stets im O-Ton verfassten - Berichten jener Aspekt beobachten, der dem Lexikon der Sabotage auch eine politische Dimension verleiht: der Kampf um die menschliche Würde. Dafür ist den Herausgebern Bernhard Halmer und Peter A. Krobath sowie den bekennenden SaboteurInnen zu danken und dem Lexikon eine weite Verbreitung zu wünschen.

Martin Birkner

Bernhard Halmer und Peter A. Krobath: Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz. Sonderzahl-Verlag, Wien, 184 Seiten, 18 EUR

Demokratischer Aufbruch

Zu Beginn des Superwahljahres hat Katja Kipping ihr Buch vorgelegt, in dem sie konstatiert, dass sich die politische Klasse selbst entmachtet und zur Magd des Marktes gemacht habe. Sie beschreibt die soziale Polarisierung, die Entdemokratisierung vieler Bereiche und die Ökonomisierung des ganzen Lebens; Stichworte sind Lobbyismus, Abbau von Grundrechten, Privatisierungen öffentlicher Güter und die Delegation von Entscheidungen an wirtschaftsnahe Expertengremien. Grundrechte, Hartz IV, zeitgenössischer Feminismus und Bildungspolitik werden näher behandelt. Sympathisch ist die Argumentation gegen die in der LINKEN dominierende Zentrierung auf Lohnarbeit als die privilegierte Form von "Arbeit" und gegen den Glauben an "Wachstum". Dem setzt Kipping einen biopolitischen Begriff von Produktion entgegen, der andere Formen von individueller sozialer Sicherung und gesellschaftlicher Teilhabe notwendig mache. Ihre Utopie ist ein Individualanspruch auf soziale Sicherheit, der dann neben dem Grundeinkommen eine Arbeitszeitverkürzung, beides als Grundlage für demokratische Teilhabe und individuelle Muße gedacht, beinhalten müsse und so die Norm des (männlichen) Alleinernährers überwinde. Auffallend ist der Grundrechtsoptimismus, die Unterschätzung der pazifizierenden Wirkung von Parteien und die These eines Gegensatzes von Staat und Demokratie. Angehängt und schwach ist der Teil, in dem es um die LINKE geht. Kipping beschreibt, wie das Wirken von Frauen innerhalb der LINKEN unsichtbar gemacht wird, und macht deutlich, dass die LINKE in weiten Teilen ein patriarchaler Männerhaufen war und ist - die Parteiform als Ort und sinnvolles Mittel politischen Handelns bleibt in dem Buch unproblematisiert. Für das Publikum außerhalb der linken Buchhandlungen ist das Buch ein Gewinn, da es Kritiken, die in den sozialen Bewegungen und von militanten WissenschaftlerInnen entwickelt wurden, zusammenfasst und popularisiert. Aus einer Perspektive, die nach den Handlungsoptionen links-emanzipatorischer Kräfte inner- und außerhalb der real existierenden LINKEN fragt, ist das Buch eine Enttäuschung: Es kann nicht ausreichen, dass linke Politik sich auf die Wiederherstellung von (Kipping schreibt an einigen Stellen gar: "unserer") Demokratie beschränkt.

Bernd Hüttner

Katja Kipping: Ausverkauf der Politik. Für einen demokratischen Aufbruch. Econ Verlag, Berlin 2009, 362 Seiten, 19,90 EUR

Afrika im globalen Kapitalismus

Jörg Goldbergs Buch "Überleben im Goldland - Afrika im globalen Kapitalismus" bietet eine solide Darstellung ökonomischer und sozialer Daten (Einkommen, Produktivität, Industrialisierungsgrad usw.) und eine Diskussion der "westlichen" und der "afrikanischen" Entwicklungspolitiken. Anschließend stellt Goldberg noch das Konzept der "afrikanischen Produktionsweise" vor und bietet mögliche Lösungsansätze für die Überwindung der Unterentwicklung in Afrika an. Relevante Entwicklungstheorien werden besprochen, wobei der Schwerpunkt auf Debatten der 1980er Jahre liegt. So wird etwa die Diskussion um die Schuldenkrise und die Strukturanpassungsprogramme zusammenfassend dargestellt. Die aktuellen Diskussionen fehlen weitgehend. So etwa die Diskussion über neuere Untersuchungen, die in Frage stellen, ob "Entwicklungshilfe" überhaupt eine positive Wirkung hat. Weiterhin wird über die "asiatische Produktionsweise" gesprochen und parallel dazu eine "afrikanische Produktionsweise" so aufgestellt, als hätte es keine Kritik an der Rede über die "asiatische Produktionsweise" und der traditionellen marxistischen Darstellung von nicht-europäischen Gesellschaften gegeben. Das Basis-Überbau-Modell wird ebenfalls weiter verwendet, wenn auch eine "relative Autonomie" der "gesellschaftlichen Institutionen" erwähnt wird. Etwas überraschend ist der positive Bezug auf den Staat als Entwicklungsmotor gegen Ende des Buchs, was sich mit der vorhergegangen Betonung der Relevanz der ökonomischen "Basis" ein wenig beißt. Wer eine traditionell-marxistische Ergänzung zu der Entwicklungstheorie-Debatten, insbesondere über Afrika, sucht, wird hier fündig. Enttäuscht werden dagegen diejenigen, die nach einer Überwindung der bisherigen Entwicklungstheorien suchen.

Ismail Küpeli

Jörg Goldberg: Überleben im Goldland - Afrika im globalen Kapitalismus. PapyRossa-Verlag, Köln 2008, 249 Seiten, 16,90 EUR

Errico Malatesta

Ein klangvoller Name: In Italien ist Errico Malatesta (1853-1932) nicht nur in der anarchistischen Bewegung auch heute noch ein Begriff. Er war ein Volksheld - obwohl er das nicht sein wollte; Bescheidenheit war ein Wesensmerkmal, wie die jüngst als Nautilus-Flugschrift erschienene "ungeschriebene Autobiografie" hervorhebt. "Ungeschrieben", weil sie aus Fragmenten besteht: Briefen an GenossInnen und Passagen aus anderen Büchern. Dramatische Erlebnisse wechseln mit Anekdoten: Wir lesen von einem Aufstandsversuch "zu sechst" (1873), von bewaffneter "Propaganda der Tat" und Agitationsreden vor Gericht. Massenwirksam wurde der italienische Anarchismus in den Jahren 1919/20. Malatesta war aus dem Exil zurückgekehrt, um "unentwegt zur direkten Aktion anzutreiben", vor allem Land- und Fabrikbesetzungen. Reflexionen über das Scheitern der revolutionären Bewegung und die Gründe für den Sieg des Faschismus sucht man vergeblich, wenn man von Klagen über den Verrat der Sozialisten und der Gewerkschaften absieht. Malatesta starb 1932 nach jahrelangem Hausarrest in Rom.

Js.

Errico Malatesta: Ungeschriebene Autobiografie. Erinnerungen (1853-1932). Herausgegeben von Piero Brunello und Pietro Di Paola. Aus dem Italienischen übersetzt von Egon Günther. Edition Nautilus, Hamburg 2009, 222 Seiten, 16,90 EUR