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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 539 / 15.5.2009

Kleiner Mann, was tun?

Keine sozialen Unruhen sind auch keine Lösung

Dass Ruhe die erste Bürgerpflicht ist, weiß auch DGB-Chef Michael Sommer. Sonst hätte er nicht präventiv vor sozialen Unruhen gewarnt. Die kann nun wirklich niemand wollen oder gar gebrauchen. Gerade jetzt in der Krise. Da muss man zusammenstehen. So wie bei Schaeffler. Und: Sind wir nicht alle Opel?

Die Krise, so der Sommer, "könnte Zorn und Wut der Betroffenen auslösen." Gut beobachtet. Der Gewerkschaftschef zieht daraus einen politisch eindeutigen Schluss: "Das will ich vermeiden." Was kann man auch anderes von einem Apparat erwarten, der im Superwahljahr keinen offenen Bruch mit der Sozialdemokratie wagen will. Das zeigte auch ihre maue Beteiligung an den Demos "Wir zahlen nicht für Eure Krise!" am 28. März.

Von auflodernden Konflikten kann in Deutschland keine Rede sein. Selbst die französischen KollegInnen von Continental konnten sich benehmen, als sie gemeinsam mit deutschen ArbeiterInnen Ende April in Hannover gegen anstehende Werkschließungen protestierten. Wenige Stunden zuvor, bevor sie in den Zug nach Deutschland stiegen, hatten die französischen GewerkschafterInnen noch Wartehäuschen und Büroräume demoliert.

Die Debatte über mögliche soziale Unruhen sagt also mehr über die TrägerInnen dieses Diskurses aus als über die soziale und politische Realität in Deutschland. Die politische Klasse und die Repräsentanten des Kapitals haben Angst, dass die Zustimmung zur neoliberalen Politik der letzten Jahre im Zuge der Krise und der sozialen Zuspitzung baden geht. Und für den sozialen Frieden sind wir schließlich alle, oder? So fordert der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel, "wir sollten gemeinsam für Ruhe sorgen". Jawohl! Schließlich kann mit der Abwrackprämie ein Konsens ebenso wenig auf Dauer gestellt werden wie mit Kurzarbeit ohne Lohnausgleich und nationalistischen Durchhalteparolen. Die gesellschaftlichen Widersprüche werden früher oder später aufbrechen. In welcher Form ist bisher offen. Die Debatte über die Revolte im Konjunktiv zeigt somit vor allem eines: Um ein Ende der Ruhe sorgt sich vor allem das bürgerliche Lager.

Bei einer Forsa-Umfrage äußerten 58 Prozent Verständnis für gewalttätige Proteste wie in Frankreich. Dies gilt bei der in Berlin durchgeführten Umfrage vor allem für die AnhängerInnen von DIE LINKE (69 Prozent) sowie der Grünen (66 Prozent). Aber auch 58 Prozent der SPD- und immerhin 53 Prozent der CDU-AnhängerInnen sympathisieren mit dem französischen Way of Widerstand. Praktische Relevanz hat diese Einstellung bisher jedoch nicht gezeitigt. Bisher herrscht in Deutschland eher unsoziale Ruhe statt soziale Unruhe.

Derartige Umfragen verweisen aber auf ein durchaus existierendes Potenzial für eine verändernde Gegenmacht. Ein Potenzial, das die Linke jedoch bisher nicht abzurufen im Stande war. Weder auf den Demonstrationen am 1. Mai noch bei den Demonstrationen "Wir zahlen nicht für Eure Krise!". Es gibt also noch viel zu tun, zu debattieren, in Fragen zu stellen - nicht zuletzt den eigenen linken Trott - sowie politische Strategien und Bündnisse zu schmieden.

Die Krise stellt für die Linke nach wie vor eine Chance dar. Eine Chance, die Wirtschaftskrise in eine Legitimationskrise des Kapitalismus zu überführen und die Linke in die Offensive zu bringen. Geschichte wird gemacht. Machen wir Geschichte!