Klima abgewrackt
Die ökologische Frage unter den Rädern der Wirtschaftskrise
Es regnet Autos. Als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise legten etliche Regierungen der Industrienationen großzügige Förderprogramme für die gebeutelte Automobilindustrie auf. Doch nicht nur das: Im Zuge der Krise ist die Klimathematik weit in den Hintergrund gerückt. Kaum ein Hahn kräht derzeit danach, was auf der Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen, wo über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen verhandelt wird, passieren soll. In Bonn, wo bis Mitte Juni die Klimakonferenz vorbereitet wurde, geschah fast nichts. Dabei muss laut UN-Regularien ein halbes Jahr vor Kopenhagen ein Vertragsentwurf für eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls vorliegen. Doch von einer Einigung auf ein Nachfolgeabkommen - so viel oder wenig man von dessen Reichweite oder Ausrichtung halten mag - sind die beteiligten Regierungen so weit entfernt wie nie zuvor. Damit könnte ein neues Weltklimaschutzabkommen kurz vor dem Scheitern stehen.
Einigkeit gibt es bisher weder darüber, wie die Reduktionsziele für den CO2 -Ausstoß aussehen, noch auf welchen Zeitraum sie sich beziehen oder wie die Verteilung der Emissionen künftig gemessen werden sollen. Die USA drängen darauf, für die CO2 -Reduzierung statt 1990 künftig 2005 als Vergleichsjahr zu verwenden - so kämen sie mit niedrigeren Reduktionszielen davon. Auch die Europäische Union bremst radikale Klimaschutzmaßnahmen aus.
Kritik hagelt es dafür von Seiten der Entwicklungsländer. Die wollen sich erst auf Verhandlungen einlassen, wenn die Industrienationen konkrete Zusagen darüber machen, wie sie den Klimaschäden begegnen wollen. Danach sieht es aber nicht aus. Vorschläge, dass alle Länder abhängig von ihrer Wirtschaftsleistung in einen gemeinsamen Fonds zur Behebung von Klimaschäden einzahlen sollen, aus dem die ärmeren Länder überproportional profitieren würden, wurden u.a. bereits von Russland, Japan und Kanada abgelehnt.
Dabei haben internationale WissenschaftlerInnen erst kürzlich davor gewarnt, dass die ökologische Krise bis zum Jahr 2050 rund 200 Mio. Klimaflüchtlinge produzieren könnte. Der Klimawandel betrifft schon jetzt etliche Länder in einer Art und Weise, die das Überleben und die Gesundheit der Menschen gefährdet. Dennoch schreitet der CO2-Ausstoß unvermindert voran. Dass die durchschnittliche Erhöhung der globalen Temperatur von derzeit 0,8°C auf 2°C und damit schwer abschätzbare Rückkopplungs- und Verstärkungseffekte des Klimawandels begrenzt werden, scheint von Tag zu Tag unwahrscheinlicher. Doch für eine radikale Umkehr rennt die Zeit davon: Schon in fünf bis sieben Jahren müsste die Emissionskurve zu sinken beginnen, will man den Temperaturanstieg noch einigermaßen im Zaum halten.
Was tun? lautet also die große Frage. Nicht nur die Regierungen der Welt, auch die Linke bereitet sich auf die Klimakonferenz im Dezember vor und debattiert, welche Strategien für Kopenhagen die Besten sind - und wie die sozial-ökologische Frage jenseits von Kopenhagen zu beantworten ist. Der ak bietet dieser Debatte seit Juni 2008 ein Forum. Und veröffentlicht jetzt, zur aktuellen Ausgabe, bereits erschienene und neue Beiträge in einer Klimabroschüre. Nach der traditionellen Sommerpause wird die Debatte in der Zeitung fortgesetzt.