Kopenhagen in Sicht
Nach der Aktionskonferenz ist vor dem Klimagipfel
Vom 2. bis 4. Oktober kamen in Berlin 120 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet, Österreich und Dänemark zusammen, um bei der Aktionskonferenz "Climate Justice Now!" Proteste und Aktionen zur und gegen die 15. UN-Klimakonferenz in Kopenhagen vorzubereiten, sich über die Klimaverhandlungen zu informieren und über die politischen und sozialen Folgen des Klimawandels zu diskutieren. Die Vorbereitung der Mobilisierung zur Konferenz im Dezember kam allerdings nicht so richtig in die Gänge.
Dementsprechend fiel die Besetzung der Plena und Arbeitsgruppen, in denen Aktionen und die Mobilisierung für Kopenhagen koordiniert wurden, teilweise recht spärlich aus: Selten waren mehr als 50 Menschen gleichzeitig im Raum, wenn es um die dringend nötige deutschlandweite Mobilisierung ging. Ein ähnliches Bilid bot sich bei der Frage, warum die letzte bisher geplante Aktion in Kopenhagen, "Reclaim Power", am Mittwoch, dem 16. Dezember, stattfinden soll, wo doch die Staatschefs erst am Freitag anreisen. Viele BesucherInnen kamen eher für eine Stippvisite vorbei, um sich in einem Crash-Kurs über das Kyoto-Protokoll und seine Auswirkungen informieren zu lassen oder zu erfahren, was genau denn nun hinter dem Begriff "Green New Deal" stecken mag. Keine Frage, eine wichtige Aufgabe einer Aktionskonferenz ist es, Interesse am Thema Klimawandel zu wecken und linke Kritiken und Lösungsvorschläge ins Gespräch zu bringen. Kopenhagen findet jedoch bereits in zwei Monaten statt, und noch scheint es an allem Möglichen zu fehlen, nicht zuletzt an einer kohärenten Orchestrierung der Mobilisierung.
Das mag zum einen daran liegen, dass die bunt gemischte Szene, die in Kopenhagen selbst die Proteste vorbereitet, recht jung und im Koordinieren internationaler Prozesse unerfahren ist. Es liegt aber auch daran, dass in Kopenhagen, wie an den Hauptorten der bundesweiten Mobilisierung in Deutschland - Berlin und Hamburg - lange Zeit nur etwa ein Dutzend Aktive am Prozess beteiligt waren. Immerhin, es mehren sich die Anzeichen, dass nun auch mobilisierungsfähige Gruppen wie die ALB oder solid erkannt haben, dass Kopenhagen ein lohnendes Ziel für linke Intervention ist. Auch das autonome Spektrum hat mit der Vorbereitung begonnen. In Berlin gibt es inzwischen ein Klimaplenum, auf dem Mobilisierungsveranstaltungen, Busse und Plakate organisiert werden. Trotzdem ist klar, dass das Thema Klimawandel als politischer Imperativ noch nicht wirklich in der Linken angekommen ist. Zu komplex scheinen die Zusammenhänge, zu unklar oft die Antagonismen.
Eine gewisse Grundidee davon, worum es in Kopenhagen eigentlich geht, wäre schon wünschenswert, für all diejenigen, die sich im Dezember auf den kalten Weg gen Norden machen. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: Infoveranstaltungen, Plakate, Broschüren, Mobilisierungszeitungen müssen her! Und sie müssen eine Sprache sprechen, die Menschen mit und ohne Bewegungshintergrund nahe bringt, warum es wichtig ist, in Kopenhagen an den Protesten teilzunehmen. Das wird die Aufgabe von sozialen Bewegungen sein, denn Umwelt-NGOs sind an der Massenmobilisierung immer wieder weitgehend gescheitert. Beim diesjährigen Mc Planet oder beim Buko formulierten es VertreterInnen von WWF oder Greenpeace unmissverständlich: Sie brauchen die Bewegungen, um Druck aufzubauen. Das Problem ist nur, dass dieser Druck ihrer Meinung nach dazu dienen soll, bei den Klimaverhandlungen einen "guten Deal" durchzusetzen.
Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass es einen solchen guten Deal wohl nicht geben wird. Viel wahrscheinlicher scheint, dass gar kein Deal zustande kommt. Vorsichtig formuliert Christoph Bals in seinem Beitrag zum gerade erschienenen Standpunkte-Papier der Rosa-Luxemburg-Stiftung "Vor dem Klimagipfel", es sei absehbar, dass "Strategien des zivilen Ungehorsams eine weit größere Rolle spielen werden, wenn Kopenhagen und der Folgeprozess scheitern sollten". Nur um im gleichen Absatz zum Schlag gegen diejenigen anzusetzen, die den Gipfel in Kopenhagen "stören oder gar kippen" wollen, indem er sie der "moralischen Arroganz" gegenüber denen, die am meisten zu verlieren haben, bezichtigt. Wie aber ist dann zu erklären, dass Climate Justice Now - ein Zusammenschluss von NGOs und Bewegungen, vor allem aus dem globalen Süden, die sich bei der Klimakonferenz in Bali von den anderen NGOs abgespalten hatten, weil sie die Forderung nach Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen wollten - statt um Kommasetzung zu streiten, sich nun geschlossen hinter eine so radikale Aktion des zivilen Ungehorsams wie "Reclaim Power" gestellt hat?
Kopenhagen als lohnendes Ziel linker Intervention
Vielen Nord-NGOs, die schon seit Jahren im Kopenhagen-Prozess ge- und befangen sind, mag das Gespür dafür abgehen, wie sich Bewegungen formieren und wie sie agieren. Aber es fehlt wohl auch der Wille, auf einen grundsätzlichen Wandel, einen "whole system change" zu setzen. Bewegungen entstehen nicht auf Bestellung und folgen dann einem bestimmten Muster, das sich jederzeit gut in Lobbypolitik einpasst. In Seattle ist es NGOs und den Menschen auf der Straße gelungen, die WTO in die Zange zu nehmen, aber um so etwas in Kopenhagen fertigzubringen bedarf es eines gemeinsamen Ziels. Wenn das Ziel der einen jedoch ist, auch einen miserablen Deal zu akzeptieren, solange es überhaupt einen gibt, dann ist klar, dass die Bewegung(en) auf der Straße, in Allianz mit kritischen NGOs und VertreterInnen anderer gesellschaftlicher Kräfte, andere Wege gehen müssen, um Klimagerechtigkeit zu erkämpfen. Differenzierungsvermögen und taktisches Geschick im Umgang mit komplexen Szenarien sind dabei für alle Seiten ebenso nötig, wie der Wille zum Widerstand gegen die kapitalistische Verwertung des Klimawandels und deren HandlangerInnen.
Mona Bricke