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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 544 / 20.11.2009

Emissionsrechte für den Anbau von Gen-Soja?

In Kopenhagen droht die Aufnahme der Landwirtschaft in die Clean Development Mechanismen

Die UN-Klimakonferenz rückt näher - und es wird deutlich, wie das Agrobusiness vom Handel mit Emissionszertifikaten profitieren will. Unter dem Label "bewahrende Landwirtschaft" (conservation agriculture) haben Monsanto und andere Biotech-Unternehmen Zutritt zur Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und zu den Gremien der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) gefunden. Sie wollen die Agrarindustrie in den CO2-Zertifikatehandel integrieren und etwas vom drei Milliarden US-Dollar Markt abgreifen. Ein freiwilliges, vom World Wildlife Fund (WWF) gesponsertes Label für das genetisch manipulierte Soja Roundup Ready (RR) sowie neue Bestimmungen bei den Clean Development Mechanismen (CDM) sind dabei wichtige Türöffner.

Der Vorstoß, die Landwirtschaft in den Handel mit Emissionszertifikaten zu integrieren, wird durch veränderte Anbaumethoden und der Reduzierung der Emissionen von Methan und Distickstoffmonoxid gerechtfertigt. Erbracht werden soll die Reduzierung von Treibhausgasen durch die "bewahrende Landwirtschaft", die - grob gesagt - auf drei Grundregeln beruht: Direktsaat ohne große Bodenbewegung, ständige Bedeckung des Bodens und Anbauwechsel. Jedoch werden unter dem Namen der "bewahrenden Landwirtschaft" und mit der expliziten Zustimmung von FAO und UNFCCC sehr unterschiedliche Anbaumethoden zusammengefasst. Nämlich solche des ökologischen Anbaus bis hin zu einer Landwirtschaft, die mit genetisch modifizierten Organismen arbeitet und riesige Flächen bewirtschaftet. Auch letztere Form der Agrarwirtschaft kann sich folglich als "nachhaltig" bezeichnen und Emissionszertifikate "ausgeben".

Emissionsrechte für Sojamonokultur-Direktsaat?

Direktsaat ist eine Technik, die auf das Pflügen und Umgraben verzichtet. Durch Maschinen werden im Boden sogenannte "Säschlitze" geöffnet, in die das Saatgut abgelegt wird. Diese Technik soll die Mulchschicht des Bodens erhalten und die Bodenerosion reduzieren. Es ist eine Technik, die auch beim Ausbringen des genetisch manipulierten RR-Soja auf Monokulturplantagen benutzt wird.

In der Praxis könnte die Ausgabe von Emissionszertifikaten für Direktsaat eine weitgreifende ökonomische Unterstützung für die genetisch modifizierten Sojamonokulturen in Süd- und Nordamerika bedeuten und so zu der Verbreitung dieses spezifischen Agrarmodells in der südlichen Hemisphäre beitragen.

Genetisch modifizierte Sojamonokulturplantagen sind in keiner Weise nachhaltig. In Südamerika ist dieser Anbau die Hauptantriebskraft für Waldrodungen, veränderte Landnutzung bzw. Konflikte über Land, das sich große Unternehmen zum Anbau aneignen, sowie für die Zerstörung von Biodiversität und Menschenrechtsverletzungen. Noch dazu halten die Monokulturen die Mastfuttermittelindustrie am Laufen, die als große Verursacherin des Klimawandels gilt. Solche Anbaumethoden als "nachhaltig" zu bezeichnen, nur weil sie ohne Bodenpflügung auskommen, bedeutet, in die Falle von absurdem Reduktionismus und Blindheit zu tappen.

In Südamerika hat sich der Sojabohnenanbau auf 41 Mio. Hektar ausgeweitet. In immer mehr Fällen wird genetisch manipuliertes Soja vom Typ RR angebaut, auf das Monsanto ein Patent hält. Argentinien, Brasilien und Paraguay finden sich derzeit unter den sieben Ländern auf der Welt, die den Anbau genetisch modifizierter Organismen anführen.

Für den Anbau von genetisch modifiziertem RR wird vor allem die Direktsaat verwendet. Diese Technik hat es möglich gemacht, den Anbau unter Reduzierung des Einsatzes menschlicher Arbeitskraft auszuweiten. Auch auf Flächen, wo der Anbau vorher nicht möglich war.

Für das Agrobusiness ist die Kombination von RR und Direktsaat ein ökonomischer Erfolg. Wenn das ebenfalls von Monsanto hergestellte Herbizid Roundup mit seinem Wirkstoff Glyphosat auf Sojamonokulturen gesprüht wird, sterben alle Pflanzen außer dem genmanipulierten Soja. So kann der Unkrautwuchs effektiv kontrolliert werden. Das geschieht nicht mehr mechanisch, sondern chemisch. Man sollte deswegen eher von "chemischer Direktsaat" sprechen. Denn der Einsatz von RR-Soja und Direktsaat hat zu einem exponentiellen Anwachsen des Herbizid-Einsatzes geführt und beschert Saatgut- und Pflanzenschutzmittelherstellern Millionen-Dollar-Profite. Die Anbauflächen für genmanipuliertes Soja sind auf Tausende von Hektar angewachsen. Dabei werden pro 1.000 Hektar nur zwei Arbeitskräfte benötigt - denn das Unkrautmanagement geschieht nur noch über herbizid-versprühende Maschinen bzw. Flugzeuge.

Die Expansion dieser Art des RR-Anbaus führt zu massiven Umweltverschmutzungen. Dabei geht nicht nur biologische Vielfalt verloren. In Argentinien und Paraguay muss ein Teil der Landbevölkerung unter Bedingungen leben, die einem chemischen Kriegseinsatz gleichkommen. Die Rate an menschlichen Deformationen bei Neugeborenen ist in Gebieten des RR-Sojaanbaus höher als im nationalen Durchschnitt.

Im Jahr 2005 hat die argentinische Organisation der Direktsaat-Farmer AAPRESID auf einem Treffen mit dem argentinischen Umweltminister Atilio Savino, dem Direktor des argentinischen CDM-Büros, Hernan Carlino, sowie VertreterInnen von Agrobusiness und SojaproduzentInnen vorgeschlagen, Direktsaat-Mechanismen als Teil der CDM aufzunehmen. AAPRESID ist die wichtigste Plattform der argentinischen Industrie-GroßagrarproduzentInnen. Gegründet wurde sie 1998 unter der Ägide von Monsanto, Mitglieder sind unter anderem die Unternehmen BASF, Syngenta, Bayer und Dow.

Es ist nicht erstaunlich, dass AAPRESID Lobbyarbeit betreibt, um an den Klima-Subventionen teilzuhaben: Aktuell werden in Argentinien rund 17 Mio. Hektar Land mit genetisch modifizierten Sojabohnen und der Direktsaatmethode bestellt - das macht 20 Prozent der Gesamtfläche aus, die weltweit durch Direktsaat bestellt wird. Argentinien spielt in der internationalen Arena des Biotech- und Agrobusiness eine Schlüsselrolle.

Druck der großen Biotech- und Agrounternehmen

Lorenzatti, der Koordinatior von AAPRESID, war es, der die Idee aufbrachte, Umwelt- bzw. Emissionshandelszertifikate für Direktsaat-Systeme zu generieren. Seitdem bewirbt AAPRESID dieses Projekt in FAO-verbundenen Aktivitäten, wie z.B. dem Internationalen Kongress für bewahrende Landwirtschaft (International Congress of Conservation Agriculture). Dort wird das "Direktsaat-Wunder" von Argentinien gelobt, ohne auf den Anbau genetisch modifizierter Sojabohnen, den Einsatz der Herbizide und die sozialen und ökologischen Auswirkungen einzugehen, die der Sojamonokulturanbau mit sich bringt.

Auf der Konferenz der Klimarahmenkonventionsvertragsstaaten, der COP13 in Bali, wurde zum ersten Mal die Idee vorgebracht, Emissionszertifikate für Direktsaatmechanismen zu implementieren. 2007 wurde unter der Führung von Carlino ein erstes CDM-Methoden-Projekt auf kleinem Level aufgelegt, dass die Sojabohnenproduktion beinhaltete. Das Projekt besteht in der "Impfung" von Sojasaatgut mit Stickstoff-fixierenden Bakterien: Die Sojabohnen sollen so stimuliert werden, selbst Stickstoff zu produzieren. Der Einsatz stickstoffhaltiger Düngemittel, deren energieaufwendige Produktion enorm viel CO2 verursacht, könnte so reduziert werden. Das Projekt wurde von Becker Underwood entwickelt, einem Hersteller "bio-agronomischer Spezialerzeugnisse". Auch wurden bereits 2007 erste Schritte unternommen, um Sojamonokulturplantagen zu zertifizieren.

2007 trat Monsanto dem Chicago Climate Exchange (CCX) bei, dem freiwilligen Handelssystem für Emissionszertifikate und Treibhausgasreduzierung in den USA. CCX wurde von 28 großen Firmen entwickelt, darunter Ford, DuPont und BP Amoco. Monsantos Ziel ist es nicht nur, in den Markt für Emmissionszertifikate vorzustoßen, sondern Produkte zu entwickeln, die "Farmer darin unterstützen, Direktsaat zu betreiben und auf die wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Agrotreibstoffen zu reagieren, bei gleichzeitiger Erhaltung oder Verbesserung der Umwelt".

Im Oktober 2009 organisierten die FAO sowie das Conservation Technology Information Centre (CTIC) mit Unterstützung der UNFCCC in den USA eine Anhörung zum Thema bewahrende Landwirtschaft und Emissionsrechtehandel (Conservation Agriculture Carbon Offset Consultation). Man diskutierte, ob die Landwirtschaft in den Handel mit Emissionszertifikaten integriert werden sollte. CTIC ist ein agrarwissenschaftliches Forschungszentrum. In seinem Vorstand sitzen UnternehmensvertreterInnen von Monsanto, John Deere, Nature Convervancy, dem Fertilizer Institute, Syngenta und CropLife America.

Im Abschlussbericht des Treffens, verfasst von Theodor Friedrich (FAO) und Karen Scanlon (CTIC), gibt es eine indirekte Anerkennung der industriellen Landwirtschaft für den Bereich Emissionszertifikatehandel: "Mehr und mehr Menschen hängen von immer weniger Landwirten ab. Deswegen ist es wichtig, dass jede Farm nicht nur zur Erzeugung der global nötigen Nahrungsmittel und Energieträger beiträgt, sondern auch eine kritische Rolle in Bezug auf den Klimawandel einnimmt." Der Bericht endet mit einem Aufruf an die "Organisationen der Landwirte, Umwelt-NGOs, internationalen Entwicklungsbanken und nationalen Regierungen", ihre "Ressourcen zu mobilisieren, um die UNFCCC dazu zu bringen, bewahrende Landwirtschaft als realistische Option für die Abschwächung des Klimawandels anzuerkennen, in dem sie in den Handel mit Emissionszertifikaten im Rahmen der Post-Kyoto-Verhandlungen" aufgenommen wird.

WWF wäscht das Agrobusiness grün

2008 legte der US-Kongress ein neues Klimagesetz vor, das laut eines Analysten des Emissionshandelsmarktes als "Startschuss für die Erklimmung eines neuen Marktlevels" gilt. Dieses Gesetz öffnet die Tür für die Landwirtschaft im Emissionzertifikatehandel. Wenn sich die USA in den Verhandlungen für ein Kyoto-Folgeabkommen damit durchsetzen, dass die Landwirtschaft in den Emissionszertifikatehandel integriert wird, wäre das eine Überlebenshilfe für die Agrarwirtschaft nach der Finanzmarktkrise. Es wird erwartet, dass die Ströme der Finanzmarktspekulationen künftig vermehrt in den Markt für landwirtschaftliche Emissionshandelszertifikate fließen.

Eine wichtige Rolle im Poker um landwirtschaftliche Emissionshandelszertifikate spielen auch die Runden Tische: Seit 2004 erarbeitet der Runde Tisch für den verantwortungsvollen Sojaanbau (RTRS), eine weitgefächerte Koalition aus Industrie, darunter AAPRESID, und großen Umweltschutzorganisationen wie z.B. dem WWF, Nachhaltigkeitskriterien für den intensiven Soja-Monokulturanbau. Die RTRS-Kriterien schließen genetisch modifiziertes Soja nicht aus - was wenig erstaunt, saßen doch Monsanto und Syngenta im Februar 2009 mit am Runden Tisch.

Der WWF spielt eine Schüsselrolle darin, den größten Agrobusinessunternehmen dabei zu helfen, die Rolle von nachhaltiger und sozialer Verantwortung zu spielen und die globale Warenproduktion grün zu waschen. Es gibt eine große Kritik am RTRS-Ansatz unter sozialen Bewegungen und Umweltschutzorganisationen Südamerikas. Deswegen nimmt keine von ihnen am RTRS teil.

Im Juni 2009 erwähnte eine Presseerklärung des RTRS zum ersten Mal das Thema Emissionszertifikate im Zusammenhang mit Wald- und Bodenbewahrung. "Die Herausforderung ist es, jetzt Mechanismen zu finden, um Produzenten, die Wälder und die Erde schützen, zu erlauben, Emissionsrechte zu verkaufen", sagt Jason Clay, Experte für Sojaanbau beim WWF. Clay ist überzeugt: "Das wäre für alle eine win-win-Situation."

Vor dem COP15-Treffen in Kopenhagen muss noch viel recherchiert werden über den Run des Agrobusiness auf den Zugang zum Emissionshandelsmarkt. Es ist wichtig, dass zwischen Organisationen und sozialen Bewegungen eine kritische Debatte darüber beginnt und gegen die "Klimawandel-Offensive" des Agrobusiness Stellung bezogen wird. Es müssen jedoch nicht nur die Vorstöße von Unternehmen wie Monsanto und anderen identifiziert und bloßgestellt werden, sondern auch die Rolle, die große Naturschutzorganisationen wie der WWF, Nature Conservancy sowie die International Union for Conservation of Nature darin spielen.

Javiera Rulli, Grupo Reflexión Rural
Übersetzung: Eva Völpel

Anmerkung:

Siehe weiterführend: www.fao.org/ag/ca/, www.econexus.info/pdf/agriculture-climate-change-june-2009.pdf, www.grr.org.ar, http://cdm.unfccc.int/EB/025/eb25annagan3.pdf, www.carbontradewatch.org/pubs/skyeng.pdf

Der Artikel wurde für den Abdruck gekürzt und bearbeitet. Das spanische Original findet sich unter www.servindi.org/actualidad/18447