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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 547 / 19.2.2010

Bellizisten entlarven Kapitulanten

Kriegspropaganda von links: Jungle World und konkret im Kampfeinsatz

Während die Bundeswehr noch mehr SoldatInnen nach Afghanistan schickt, Außenminister Westerwelle erstmals offen von einem dort stattfindenden "bewaffneten Konflikt" spricht und die Bundeswehr damit zu offensivem Schusswaffengebrauch ermächtigt, bringen einige deutsche Linke es fertig, den westlichen Kriegsherren "Kapitulation" vorzuwerfen. Wer es nicht glaubt, lese die Kampfblätter des "linken" Bellizismus: Jungle World und konkret.

Im Unterschied zu den PropagandistInnen des Bundeswehrverbandes findet es die Redaktion der Jungle World angemessen, auch das Thema Krieg mal so richtig locker und unbefangen anzupacken: "Taliban zu Pflugscharen! Neue Strategie für Afghanistan" ist der drei Seiten umfassende Themenschwerpunkt in Heft 5/2010 vom 4. Februar überschrieben. Die voll witzige Headline kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine todernste Message transportiert wird. Zwei Artikel lesen sich wie die außen- und militärpolitische Ergänzung zu Henryk M. Broders islamfeindlichem Pamphlet "Hurra, wir kapitulieren!" (vgl. ak 510) Im Vorspann zu Jörn Schulz' Artikel "London calling to the underworld" wird das Ergebnis der Londoner Afghanistan-Konferenz so zusammengefasst: "Bei der Afghanistan-Konferenz in London wurden weitere Zugeständnisse an die Taliban beschlossen. Ob diese politische Kapitulation den Jihad beendet ist jedoch fraglich."

Merkel redet "wie eine linke Friedenspolitikerin"

Im Text folgen dann noch einige Differenzierungen - zwischen den beteiligten Militärmächten, namentlich den USA und Deutschland, weil "gerade in Deutschland die Abkehr vom Ziel der Demokratisierung (Afghanistans; Anm. ak) offenherzig gepriesen wird". Den Amis ist - vielleicht ein Relikt aus den Tagen der Anti-Hitler-Koalition? - immerhin noch ein Rest Idealismus geblieben. Zu wenig allerdings: "Denn unklar ist, wofür die Soldaten eigentlich kämpfen. Von einem ,Krieg der Ideen` kann kaum noch die Rede sein." Den hatte vor allem der Kommandant der US-Truppen in Afghanistan, General Stanley McChrystal, beschworen - womit bewiesen ist, dass "unter US-Offizieren auf einem höheren Niveau diskutiert wird als im Bundestag oder in der Friedensbewegung". Durchgesetzt hat sich gleichwohl die verhängnisvolle Linie des Zurückweichens: "Nun folgt ein Zugeständnis an die Islamisten dem anderen", und "zweifellos wird es sie (die Taliban; Anm. ak) und andere Jihadisten ermutigen, dass die ,internationale Gemeinschaft` politisch bereits kapituliert hat". (Was wirklich in London verhandelt wurde, ist auf Seite 4 dieser ak-Ausgabe nachlesbar.)

Schmachvolle Kapitulation diagnostiziert auch Magnus Klaue in seinem Artikel "Einigkeit im Streit". Wenn selbst die Bundeskanzlerin vom Ziel der Demokratisierung Afghanistans abrückt und "im Grunde wie eine linke Friedenspolitikerin redet", dann bestimmt offensichtlich die Linkspartei die Richtlinien der deutschen Außenpolitik - sie hat sich mit ihrer "scheinradikalen Forderung" durchgesetzt, ",die Menschen in Afghanistan` müssten ,selbst über den Frieden verhandeln`". Das "Prinzip afghanischer Eigenverantwortung" aber ist für Klaue nichts anderes als ein "genuin deutsches Beglückungsversprechen" und Ausdruck der "basisdemokratischen Argumentation der Linkspartei". Letzte deutsche Widerstandsnester gegen die Selbstaufgabe des Westens sieht Klaue am ehesten noch bei der CSU, deren Generalsekretär Dobrindt die - in der Tat höchst problematischen - Aussteigerprogramme für afghanische Kämpfer jüngst als "Abwrackprämie für Taliban" bezeichnete.

So eingestimmt, kann der Jungle-Leserschaft auch die letzte Zumutung präsentiert werden. "Die Taliban müssen militärisch besiegt werden", schreibt Thomas Becker. Erste Zeichen für eine falsche Zurückhaltung der westlichen Kriegskoalition sieht er schon kurz nach dem 11. September, als sie Afghanistan ein völlig "unverdientes" Ultimatum stellten, statt sofort loszuschlagen. Denn "der durch den Aufenthaltsort Ussama bin Ladens und die offene Komplizenschaft des Taliban-Regimes gegebene Kriegsgrund (war) so offensichtlich", dass selbst die rot-grüne Bundesregierung zu den Waffen rief. Noch schlimmeres Zögern sieht Becker im Vorfeld des Irak-Krieges, als man es für nötig hielt, "der Weltöffentlichkeit einen begreiflichen Kriegsgrund vorzutäuschen" - Saddam Husseins bis heute nicht gefundene Massenvernichtungswaffen.

Gleichwohl hat Becker den Siegeswillen nicht verloren: "Fakt ist, dass das Taliban-Regime nun die Konsequenzen seiner damaligen Entscheidungen zu spüren bekommen muss. Die Notwendigkeit dafür folgt keiner Pädagogik, sondern der Logik des Jihad selbst: der Notwendigkeit, den Glauben des Gotteskriegers an seine Allmächtigkeit zu widerlegen. Der Glaube ist Folge des Sieges der mit westlichen Waffen ausgestatteten afghanischen Mujahedin im Krieg gegen die Sowjetunion. Jetzt muss die Überlegenheit westlicher Waffen beweisen, dass ihr Glaube an ihre Allmacht ein gottverdammter Aberglaube ist." Dazu muss der Krieg intensiviert und ausgeweitet werden: "Mehr Truppen führen zu mehr Sicherheit."

"Die Taliban müssen militärisch besiegt werden"

Dass der von "links" betriebenen Kriegspropaganda auf der selben Seite heftig widersprochen wird, soll hier nicht verschwiegen werden. Peter Nowak, auch ak-Autor, müht sich zwar redlich, antimilitaristische Essentials in Erinnerung zu rufen. Die durch seinen Beitrag suggerierte Offenheit der Jungle-Debatte existiert aber in Wahrheit nicht. Auch wenn Beckers Kriegspropaganda eine Extremposition darstellt, die vermutlich nicht von der gesamten Jungle-World-Redaktion geteilt wird - die in dem Themenschwerpunkt vorgenommene Stoßrichtung ist eindeutig: Es geht gegen die Friedensbewegung, die Linke und die westliche, vornehmlich die deutsche angebliche Beschwichtigungspolitik.

Während in der Jungle World um Krieg und Frieden immerhin noch eine Scheindebatte geführt wird, ist man bei konkret (Februar 2010) schon einen Schritt weiter. Stefan Frank zählt nicht nur Merkel, sondern auch Obama zu den KapitulantInnen im War On Terror, weil er eine Verständigung mit der ", islamischen Welt` (lies: den dort herrschenden Tyrannen)" suche. Dahinter steckt eine bislang verborgene, nun aber von Frank aufgedeckte Verschwörung: "Wie ist Obamas Verhalten zu erklären? Er folgt, was die Wahrnehmung des Nahen und Mittleren Ostens betrifft, den Vorgaben, die die Orientalisten machen." Deren schlecht ausgestattete Institute hätten in den vergangenen Jahrzehnten viel Geld von den "reichen arabischen Staaten" erhalten und sich dafür durch die Steuerung der US-Politik erkenntlich gezeigt: "Da die akademische Lehre starken Einfluss auf die Medien und die Politik hat, ist es nicht erstaunlich, dass viele der dort für den Nahen und Mittleren Osten Verantwortlichen dem Dschihad gleichgültig oder sogar mit Sympathie begegnen. Seit der von den islamischen Ländern ausgehende Terror durch die Anschläge vom 11. September in den Blickpunkt geraten ist, verbreiten sie Ablenkungstheorien, die den Dschihadismus ausblenden sollen."

Frank glaubt auch nicht, Obama könnte inzwischen eine härtere Haltung gegenüber den "Dschihadisten" einnehmen, weil er weitere 30.000 SoldatInnen nach Afghanistan schickt und vielleicht den Jemen angreifen lässt: "Das alles wird nichts nützen, solange er nicht zur Kenntnis nimmt, dass es sich um einen Krieg handelt, der von den Dschihadisten weltweit geführt wird und auf die Eroberung der Weltherrschaft zielt." Auch Europa ist im Visier; ganz oben auf der Liste stehen Spanien und Portugal - weil die iberische Halbinsel bis 1492 zum "islamischen Herrschaftsbereich" gehörte und seitdem von den "Ungläubigen" kontrolliert wird. Wir sind gewarnt.

Js.