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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 548 / 19.3.2010

Nazis jagen, Nazis schlagen

Antifaschistische Strategien zwischen Volksfront und Inglorious Basterds

Blockaden - das ist das neue Ding, so wird jeder Naziaufmarsch zum Desaster. Um es mal realistisch zu betrachten: Wahrscheinlich stimmt das nicht so ganz. Und wie das mit dieser Politiksache so ist, gibt es immer mehrere Seiten, können gute Ansätze auch schnell mal kippen. Dresden war gut, keine Frage. Aber das Allheilmittel ist nicht gefunden worden.

Wenn man in verschiedenen Publikationen, auch aus linken Kreisen, lesen muss, dass auf den Blockaden Volksfeststimmung geherrscht habe, wird einem ganz schwummerig. Volksfeste, das waren doch die Dinger, um die man einen großen Bogen macht, weil man lieber gar nicht wissen will, wessen Frust sich auf welche Art und Weise entlädt. In Blockaden deshalb jedoch in antideutscher Manier sofort die Wiederkehr der Volksgemeinschaft zu wittern - schließlich stehen dabei mehr als drei Leute auf einem Haufen - ist absurd. Massenblockaden sind vor allem eins: in hohem Maße inklusiv, jeder und jede kann mitmachen. So effektiv professionalisierte Antifa-Aktionen zum Teil sein mögen, sie schließen eine große Zahl von Leuten aus.

Aber was ist denn die "richtige" Strategie gegen Naziaufmärsche? Das, was sich autonome Antifa nennt, fährt da seit Jahren - man möchte fast sagen: seit Jahrzehnten - einen sehr ähnlichen Schuh: Demo machen und/oder Kleingruppenaktionen, sprich: "irgendwie an die Nazis rankommen". Für Leute, die am liebsten eine "autonome Demo" haben würden, ist hier schon eine Anmelderin der LINKEN suspekt. Zusammenarbeit mit dem Parlamentarismus lehnt der Autonome von heute nach wie vor ab. Blöd nur, dass es nicht anders geht: Seinen eigenen Namen will man ja "wegen Repression und so" nicht rausrücken. Dass in der gesellschaftlichen Breite von Protesten eine große Stärke liegt, damit tun sich viele aus diesem Spektrum noch immer schwer. Ganz unberechtigt sind diese Sorgen nicht. Unabhängige Antifastrukturen sind oftmals organisatorisch und infrastrukturell äußerst gut aufgestellt. In der öffentlichen Wahrnehmung haben sie es als "Outsider" aber oft schwer. So gibt es sehr unschöne Beispiele dafür, dass bürgerlich-liberale Gruppierungen Erfolge für sich verbucht haben, die ohne die Antifa nicht möglich gewesen wären.

Daraus aber seine Ablehnung zu speisen, wäre politisch kurzsichtig. Vielmehr muss es darum gehen, nach Wegen zu suchen, wie man spektrenübergreifend zusammenarbeiten kann, ohne dass sich jemand über den Tisch gezogen fühlt. Das ist in Dresden versucht worden. Die Skepsis war in manchen Kreisen aus oben genannten Gründen zu spüren. Der Knackpunkt war jedoch noch ein anderer: das Konzept der Massenblockaden. Befürchten bürgerliche Kreise, dass die Antifachaoten alles kaputt kloppen, so gruselt es den Autonomen vor zahnlosem Ringelpiez mit Anfassen.

Durch einen im Vorfeld formulierten Aktionskonsens, unterstützt durch die Solidarität auslösende Repression, hielten sich die Befürchtungen bei ersteren in Grenzen. Doch gerade ein solcher Aktionskonsens bereitet so manchem Antifa Unbehagen. Reine Menschenblockaden, die von sich aus keine Eskalation suchen, passen nicht recht zur eigenen Vorstellung von Radikalität. Konsequenter Antifaschismus ist für viele noch immer verknüpft mit konkretem körperlichen Einsatz - der echte Kampf ist nur der, der auch danach aussieht. Das müsste eigentlich auch gar kein Problem sein. Gerade Dresden hat gezeigt, dass Eskalationen abseits von Massenblockaden durchaus den Druck erhöhen können.

Überlegtes politisches Handeln ist gut und richtig, doch drängt sich der Eindruck auf, dass hier das eine oder andere Mal eher die Suche nach Action, gepaart mit lange eingeübten Polit-Ritualen, im Vordergrund steht. Da wird dann lieber stundenlang nach potenziellen Feinden gesucht und von Blockadepunkt zu Blockadepunkt getingelt, als sich stundenlang an einer Stelle die Beine in den Bauch zu stehen. Doch wird wohl jeder Antifa-Hooligan eingestehen müssen: Ohne die, die bereit waren, den ganzen Tag an einem Fleck auszuharren, wäre der 13. Februar auf keinen Fall zu einem antifaschistischen Erfolg geworden.

Es ist gut gelaufen dieses Jahr in Dresden. Doch ist dies keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Die autonome Antifa sollte einsehen, dass auch sie für das Gelingen solcher Blockaden von zentraler Wichtigkeit sein kann. Gerade ihre Bereitschaft, Konfrontationen durchzustehen, kann in Situationen entscheidend sein, in denen sich die Polizei nicht für den "weichen Weg" entscheidet.

Es geht also nicht darum, dass wir alle ganz lieb und friedlich sein müssen. Vielmehr geht es um eine Infragestellung von Militanz als Selbstinszenierung. Geplante Verhinderungsaktionen sind hervorragend - wer freut sich nicht, wenn Nazibusse gar nicht erst losfahren können, wenn ein Nazimob nicht einfach mal so ungehindert zum Auftaktort flanieren kann?

Und auch das, was in den 1990er Jahren "antifaschistische Selbsthilfe" hieß, hat gerade abseits von neonazistischen Großveranstaltungen seine absolute Berechtigung. Die Erfahrung hat gezeigt, dass vehementes Auftreten Nazis dauerhaft den öffentlichen Raum streitig machen kann. Wenn es um den Einsatz von Gewalt oder - wie es Linke lieber nennen - Militanz geht, muss jedoch Reflexion an erster Stelle stehen. Ziel ist es letztendlich, den politischen Druck zu erhöhen. Geht diese Einsicht verloren, läuft Militanz logischerweise darauf hinaus, alle Nazis umzubringen oder zumindest einzusperren. Beides kann kein Weg sein. Rachefantasien à la Inglorious Basterds sind als Fiktion vielleicht nachvollziehbar, haben aber auf dem Feld politischer Auseinandersetzungen nichts zu suchen. Linkssein heißt eben auch, jemandem nicht den Kiefer zu zertreten, der am Boden liegt.

Ein schwieriges Feld, diese antifaschistische Politik. In Dresden hat sie erstmal funktioniert - erstmal. Der Aufgabenzettel lautet: 1.) Naziaufmarsch verhindern, 2.) Opfermythen kippen, 3.) Welt retten. Momentan sind wir noch bei Punkt eins.

Maike Zimmermann