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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 550 / 21.5.2010

Alternativlos

Vom inflationären Gebrauchs eines dummdeutschen Unworts

Seit jeher gehören Phrasen und Floskeln zum Handwerkszeug von BerufspolitikerInnen. Sie lassen Banales bedeutend erscheinen, suggerieren Sachkompetenz und Entschlossenheit. Wer dick aufträgt, will den Eindruck erwecken, von seinem Anliegen besonders überzeugt zu sein. Ein Wort steht bei den rhetorischen NebelwerferInnen derzeit besonders hoch im Kurs: "alternativlos". Die Botschaft ist eindeutig: Was alternativlos ist, muss nicht mehr diskutiert werden - bitte keine lästigen Nachfragen, Schluss der Debatte!

Am Anfang war Margaret Thatcher. "There is no alternative" (TINA) - das war der Kampfruf der konservativen FundamentalistInnen des Marktes in Großbritannien. In gewisser Weise hatte das noch Stil. Was Thatcher alternativlos nannte, war immerhin eine in sich stimmige neoliberale Politik auf allen Gebieten. Dagegen ließ sich opponieren. Im aktuellen bundesdeutschen Diskurs wird dagegen so vieles für alternativlos erklärt, dass man kaum nachkommt.

Als alternativlos verkauft wurden in den vergangenen Wochen u.a.: das Krisenmanagement des Bundesverkehrsministeriums nach dem Vulkanausbruch in Island (Minister Ramsauer); die Haushaltskonsolidierung in NRW (die dortige CDU); der Kriegseinsatz in Afghanistan (Merkel); ein strikter Sparkurs (dieselbe); Finanzhilfen für Griechenland (Schäuble, Merkel und viele andere); Milliarden für die Rettung vom Kollaps bedrohter Banken (diverse); Bürgschaften für den Mittelstand (Brüderle); die Agenda 2010 (Steinmeier).

Letztere war übrigens, so der ehemalige Kanzleramtsminister im Rückblick, "schmerzhaft, aber alternativlos", Ramsauers Flugverbot "absolut alternativlos", die Vermögensanlage in Aktien dagegen nur "zunehmend alternativlos". Als Faustregel kann gelten: Je umstrittener eine politische Entscheidung ist, desto penetranter wird sie alternativlos genannt; siehe dazu fast gleichlautende Formulierungen u.a. von Merkel, Westerwelle und Künast zum Thema Afghanistan.

Wer sich - mit vollem Recht - über das Geschwätz von der Alternativlosigkeit lustig macht, sollte allerdings auf der Hut sein: Groß ist die Gefahr, dass die allgegenwärtige Dummdeutsch-Phrase gedankenlos übernommen wird - auch von denen, die sich gerade das Suchen nach und das Propagieren von Alternativen auf die Fahne geschrieben haben. Eine Vermögenssteuer sei alternativlos, verkündete jüngst die attac-Steuerexpertin Sybille Pirklbauer. Was offensichtlich Quatsch ist. Gemeint hat sie, dass attac eine gerechtere Besteuerung von Vermögen fordert und gegen die herrschende Steuerungerechtigkeit durchsetzen will. Als Alternative.

Js.