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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 552 / 20.8.2010

Nur wer sich fügt bekommt Geld

Ein Blick hinter die Kulissen der UN-Klimaverhandlungen

Am 6. August ging in Bonn die zweite Arbeitskonferenz der UN-Klimaverhandlungen nach dem gescheiterten Gipfel von Kopenhagen zu Ende. Seit der von vielen als große Enttäuschung wahrgenommenen Klimakonferenz von Kopenhagen ist nichts mehr, wie es vorher war. Im Bonner Maritim Hotel kritisierten mehrere Regierungen von Ländern des Südens erneut die undemokratischen Verhandlungen, während die Industriestaaten den neuen Entwurf eines Vertragstextes für die Klimaverhandlungen in Cancun begrüßten.

Die Regierungen der Industriestaaten setzen alles daran, möglichst unverbindliche Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen zu verabschieden und den verbindlichen Mechanismus des Kyoto-Protokolls durch einen neuen Vertrag abzulösen. Die Leidtragenden werden die ärmsten Entwicklungsländer sein, die heute schon die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen: Überschwemmungen, Wirbelstürme und Dürren.

Für Lars Müller, in der Generaldirektion Umweltschutz der EU-Kommission zuständig für den Klimawandel, ist nach wie vor das Abkommen von Kopenhagen der wichtigste Referenzpunkt. "In Kopenhagen haben wir gute Fortschritte gemacht, auf denen es sich lohnt, weiter aufzubauen", erklärte er auf dem alternativen Klimaforum, organisiert von attac und dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), im Juni.

"Der Kopenhagen-Akkord killt das Kyoto-Protokoll"

Oberflächlich betrachtet hat er Recht: 131 Regierungen, weit mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten der UN-Klimaschutzkonferenz, haben mittlerweile den Kopenhagen-Akkord unterzeichnet. Darunter sind auch viele Staaten, die das von 26 Staaten ausgehandelte Hinterzimmer-Abkommen als Rückschritt gegenüber dem Kyoto-Protokoll betrachten. Im Kyoto-Protokoll haben sich die Industrieländer verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Einer der profiliertesten Kritiker des Kopenhagener Abkommens und Vertreter eines Staates, der sich bis jetzt weigert, dieses Abkommen zu unterzeichnen, ist der bolivianische Delegierte Pablo Solon.

"Wir waren und sind nicht nur gegen den Kopenhagen-Akkord wegen seiner undemokratischen Entstehungsgeschichte", so Solon, "sondern auch wegen seines Inhalts, denn dieses Abkommen killt das Kyoto-Protokoll." Bei den Verhandlungen in Bonn sollten eigentlich verbindliche Zielmarken über die Treibhausgasreduktionen der Industrieländer ab 2013, also für die zweite Phase des Kyoto-Protokolls, definiert werden. "Aber die Industrieländer wollen das nicht verhandeln, sie wollen dem Kopenhagen-Akkord folgen," beklagt sich Solon. Die dort erklärten Reduktionen seien jedoch nicht verbindlich, "jedes Land gibt einfach ein freiwilliges Versprechen ab".

Führende KlimaforscherInnen haben errechnet, dass die bisher vorliegenden freiwilligen Versprechungen der Industrieländer - wenn sie denn eingehalten werden - bis zum Ende des Jahrhunderts eine Klimaerwärmung um mehr als drei Grad bedeuten, also nicht einmal die anvisierten zwei Grad des Abkommens von Kopenhagen erreichen würden. Davor warnte auch der scheidende Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer. Allerdings haben mehr als 100 Vertragsstaaten mittlerweile das Maximalziel von 1,5 Grad ausgegeben, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Länder zu verhindern. Doch die Industrieländer üben Druck aus, um allen Staaten das Abkommen von Kopenhagen aufzuzwingen.

"Wissen Sie, was die USA mit uns und Ecuador gemacht haben?" fragte Pablo Solon die ZuhörerInnen des Klimaforums. "Sie hatten uns jährlich drei Millionen Dollar überwiesen, damit wir Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen können", so Solon - "weil wir das Abkommen von Kopenhagen nicht unterzeichneten, hat die US-Regierung uns das Geld gestrichen."

Die Industriestaaten erpressen die armen Länder

Nur wenige Staaten wie Bolivien sind in der Lage, diesem Druck zu widerstehen. Die anderen sind abhängig von Geldern aus den Industrieländern. Sie sind regelrecht erpressbar, meint auch Meena Raman, die für die Nichtregierungsorganisation Third World Network arbeitet und schon viele Regierungen aus dem Süden beraten hat. "In diesen Verhandlungen spielen auch die alten Kolonialstrukturen eine Rolle", meint Meena Raman. So habe das Vereinigte Königreich noch viele starke Verbindungen in die Länder des ehemaligen Empire. "Viele Entwicklungsländer haben sich bei uns beschwert", berichtet Raman, "ihnen wurde gesagt: Wenn ihr nicht unterzeichnet, bekommt ihr kein Geld."

Die Verhandlungsführer aus den Industrieländern können sich beruhigt zurücklehnen. Ihre wirtschaftliche Macht garantiert ihnen und den Konzernen, deren kurzfristige Profitinteressen sie vertreten, solide Mehrheiten. "Es gibt überhaupt keinen politischen Willen", kritisiert Raman. Die Industrienationen verletzten "die Menschenrechte, sie missachten das Recht auf Leben vieler Menschen, sie scheren sich nicht um ihre historische Verantwortung, geschweige denn um die bisherigen Vereinbarungen der Klimarahmenkonvention." 15 Jahre würde nun darüber verhandelt, aber bis jetzt bewege "sich nichts in die richtige Richtung".

Gerhard Klas
Rheinisches JournalistInnenbüro