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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 553 / 17.9.2010

Widerstand gegen die Wasserprivatisierung

Ein Blick auf die Berliner Politik und den Protest dagegen

In vielen Berliner Kneipen und Läden liegen sie aus, die Unterschriftenlisten für das Volksbegehren zur Offenlegung der Geheimverträge über die Teilprivatisierung der Berliner Wasserversorgung. Diese Offenlegung zu erstreiten, ist ein erster Schritt auf dem Weg dahin, die Privatisierung anzufechten, die in Berlin für extrem hohe Wasserpreise sorgt und den privaten "InvestorInnen" ihre garantierte Rendite in die Kasse spült. Es ist ein Lehrstück über den Privatisierungswahn - und den möglichen Widerstand dagegen.

Die Teilprivatisierung des Berliner Wassers ist nicht vom Himmel gefallen. Es gibt eine Vorgeschichte, die hier kurz erzählt werden soll: Der schnelle Abbau der Bundeshilfen für Westberlin von 1992 bis 1994 ist bis heute hauptverantwortlich für die Haushaltsnotlage in Berlin. Um dem zu begegnen, wurde 1994 die Bankgesellschaft Berlin gegründet - und damit die gesunde Berliner Sparkasse mit der privaten Berlin Hypothekenbank unheilvoll verbunden. Danach wurden in Berlin öffentliche Aufgaben privatisiert, Vermögensbeteiligungen verkauft oder auch Sozialausgaben und Löhne der öffentlichen Bediensteten per "Solidarpakt" drastisch und über Jahre gekürzt.

Von 1994 bis 2007 wurde insgesamt durch Verkäufe des Stromunternehmens Bewag (heute Vattenfall Europe), des Gasunternehmens Gasag, von über 200.000 städtischen Wohnungen und der Hälfte der Wasserbetriebe insgesamt 13,6 Mrd. Euro eingenommen. Trotzdem lagen 2008 die Schulden des Landes bei etwas knapp über 59 Mio. Euro.

Gelddruckmaschine für RWE Aqua und Veolia Wasser

Dazu summieren sich die Lasten aus dem Verkauf der Sparkasse im Zuge des sogenannten Bankenskandals. Die durch den Bankenskandal in Berlin verursachte Bankenpleite endete 2007 mit dem Verkauf der Bankgesellschaft Berlin. 3,9 Mrd. Euro aus dem Gesamterlös von 4,6 Mrd. Euro wurden allein bis heute dafür verwandt, die Verbindlichkeiten, das heißt die Forderungen der FondszeichnerInnen, zu bezahlen. Diese Forderungen hatte das Land 2001, durch den Beschluss von Rot-Rot, übernommen. Heute sind aus dem Verkaufserlös nur noch 700 Mio. Euro übrig. Sie werden noch maximal ein bis zwei Jahre reichen, um die Forderungen der FondszeichnerInnen zu bedienen. Im schlimmsten Fall bürgt Berlin, das heißt bürgen die BerlinerInnen, bis 2033 mit bis zu 21,6 Mrd. Euro für die Risiken aus den korrupten Geschäften der bisher kaum bestraften Banker.

Das Paradoxe daran: Die Schulden sind durch diese Politik gewachsen. Trotzdem wird weitergemacht wie bisher. Privatisieren und Sparen, dass ist die Politik des Senats, trotz gegenteiliger Äußerungen und des Widerstands aus der Bevölkerung.

Die Geschichte der "Haushaltskonsolidierung" in Berlin ist durch vielfältige Proteste gegen Ausgabenkürzungen im Bildungs-, Sozial- und Kulturbereich geprägt. Den einzelnen Protesten gelang es aber bisher nicht, die vermeintlich alternativlose Sparlogik des Senats zu durchbrechen. Eine Verknüpfung der Arbeitnehmerproteste gegen den Verkauf der Bewag, der Gasag oder der Bundesdruckerei mit der Bevölkerung wurde nicht wirklich versucht.

Auch als unter der CDU und SPD-Regierung 1998 die Wasserbetriebe unter den Hammer kommen sollten, war der Widerstand der GewerkschafterInnen isoliert. Allein zogen die MitarbeiterInnen durch die Stadt. Auf den SPD-Parteitagen wurden zwar von überzeugten PrivatisierunsgegnerInnen harte Kämpfe ausgefochten. Doch die GewerkschafterInnen haben den Protest letztlich aufgegeben - 15 Jahre Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen waren das Bonbon, das sie dafür bekamen. Danach war der Weg frei für die Verkäufer Erhard Diepgen, Klaus-Rüdiger Landowsky, Dieter Ernst von der CDU und Ditmar Staffelt, Klaus Böger und Annette Fugmann-Heesing von der SPD.

2003/2004 stellte nur der Studierendenstreik eine Ausnahme dar. Hervorgerufen durch jährliche Kürzungen von 75 Mio. Euro an den drei Berliner Universitäten und den Versuch, mit Studienkonten verkappte Studiengebühren einzuführen, gelang es den Studierenden im Bündnis mit den Gewerkschaften verdi und GEW, mit attac und dem Berliner Sozialforum, die Folgen der Konsolidierungs- und Privatisierungspolitik zu problematisieren. Am Ende wurden zumindest die Studienkonten verhindert. Und es gelang, bei den Protestkundgebungen und Diskussionen die negativen Folgen der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Am 27. April 2004 titelte beispielsweise die taz: "Das Land soll zurückkaufen".

1999 fand in Berlin mit der Wasserprivatisierung die größte Teilprivatisierung innerhalb der EU statt. 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe wurden für 1,68 Milliarden Euro über eine Holding AG (nach dem Modell der Bankgesellschaft Berlin) verkauft. Der Vertrag darüber ist geheim. Heutige Profiteure dieser Teilprivatisierung sind die Konzerne RWE Aqua und Veolia Wasser, ein Strommulti aus Deutschland und ein Wassermulti aus Frankreich.

Die Folgen für die BerlinerInnen sind mittlerweile deutschlandweit bekannt. In Berlin zahlt man im internationalen Städtevergleich mit die höchsten Wasserpreise, im Betrieb wurde massiv Personal abgebaut, Investitionen und Instandhaltungskosten wurden drastisch abgesenkt. Und kürzlich wurden drei Wasserwerke geschlossen, mit der Folge, dass Berlin circa 30 Quadratkilometer ökologisch wichtiges Trinkwasserschutzgebiet verliert.

Bekannt ist auch, dass die privaten AnteilseignerInnen ihre Beteiligung in Höhe von 1,68 Mrd. Euro keineswegs aus eigenen Rücklagen finanziert haben. Das klassische Modell der "öffentlich-privaten Partnerschaft", englisch public-private-partnership (PPP), kam bei dem Verkauf zum Tragen. Die privaten "InvestorInnen" haben beim Kauf der 49,9 Prozent Anteile ihren Einstieg fremdfinanziert: Sie haben Kredite aufgenommen und so ihre Schuldenlast vergrößert. Diese privaten Schulden wurden in Folge in die Wassertarife einkalkuliert.

Also bezahlen wir doppelt. Warum? Wir bezahlen die Kreditzinsen der Privaten, aber ihnen gehört das bisher öffentliche Eigentum nun auf Dauer. Noch dazu speist sich die Rendite der Privaten aus dem Abbau von tariflich bezahlten Arbeitsplätzen, aus Arbeitsverdichtung, Senkung der Instandhaltungskosten und aus Gebührensteigerungen für die NutzerInnen, also uns. Die Wasserversorgung Berlins ist zur Gelddruckmaschine geworden.

Ein freiwilliger Rückzug der Giganten RWE und Veolia aus dem lukrativen Berliner Investment ist nicht zu erwarten. Gerade RWE hat in der Finanzkrise offenbaren müssen, dass es mit einer Schuldenlast von 20 Mrd. Euro zur Konsolidierung gezwungen ist. Da kommt die im geheimen Vertrag für mindestens 30 Jahre garantierte, sichere Rendite aus Berlin gerade Recht. Zum Vergleich: Die Mauer in Berlin stand nur 28 Jahre. Die Konzerne predigen den Wettbewerb, sie selbst aber lassen sich vom Staat über geheime PPP-Verträge die Rendite garantieren.

Die BerlinerInnen zahlen für die Privatisierung doppelt

Ab 2004 kehrte in der Öffentlichkeit keine Ruhe mehr über die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe ein. Das lag sowohl an den zunehmenden Berichten in der Presse, bei denen endlich auch PrivatisierungskritikerInnen zu Wort kamen, als auch an der Tatsache, dass die Regierung unter Klaus Wowereit (SPD) und Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) auf einen Schlag die Wasserpreise um 15,4 Prozent anhoben. Der Grund dafür liegt in den Renditegarantien, die den InvestorInnen im geheimen Teilprivatisierungsvertrag zur Wasserversorgung gegeben wurden. Diese Garantien erklären, warum auf Betreiben des Senats und durch den Beschluss des Parlaments 2003 in das Teilprivatisierungsgesetz Passagen aufgenommen wurden, die für die BerlinerInnen Gebührensteigerungen bedeuteten.

Den Broschüren des linken Donnerstagskreises der SPD ist es zu verdanken, dass über all das immer mehr Informationen an die Öffentlichkeit kamen. Der Film von Leslie Franke und Hermann Lorenz, "Wasser unterm Hammer", machte die Berliner Misere schließlich deutschlandweit bekannt.

Die "AG Argumente" von attac Berlin brachte schließlich die organisatorische Energie auf, den Berliner Wassertisch zu gründen. Dieser fasste 2007 den Beschluss, ein Volksbegehren zu beginnen. Es ist auf den Erlass eines Gesetzes über die vollständige Offenlegung der Verträge zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe gerichtet. Alle bestehenden und künftigen Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden sollen öffentlich bekannt gemacht werden. Durch die Offenlegung werden die Voraussetzungen für eine unabhängige und öffentliche Kontrolle geschaffen. Denn: Solange die Geheimverträge nicht angefochten werden, bestehen die Konzerne auf ihrem vertraglich garantierten Gewinn.

Die erfolgreich abgeschlossene erste Stufe des Volksbegehrens mit ca. 40.000 gültigen Unterschriften wurde 2008 vom Berliner Senat gestoppt. Begründung: Die Offenlegung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Gegen diese Entscheidung des Senats hat der Wassertisch erfolgreich mit Hilfe der Berliner Verbraucherzentrale geklagt. Es wurde erstritten, dass das Volksbegehren in die zweite Stufe eintreten darf, bei der 172.000 Unterschriften gesammelt werden müssen. Ist das erreicht, kann die Berliner Bevölkerung über den Gesetzesentwurf im Rahmen eines Volksentscheides abstimmen.

Erst unter dem Druck des vom Verfassungsgerichtshof für zulässig erklärten Volksbegehrens zur Offenlegung der Geheimverträge und der nahenden Abgeordnetenhauswahl vollzog der Senat Ende 2009 einen leichten Kurswechsel. Zwar verweigert er noch immer eine Offenlegung der Verträge mit dem Verweis darauf, dass die Privaten dem zustimmen müssten. Aber Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos) hat eine Konzessionsabgabe von 30 Mio. Euro ins Spiel gebracht - und verkauft das als Re-Kommunalisierungsstrategie. RWE und Veolia sind währenddessen laut Senat weiterhin nicht zu einer zeitnahen Offenlegung der Verträge bereit.

Seit den 1990er Jahren schöpft Berlin die Einnahmemöglichkeit der Konzessionsabgabe nicht aus und erhebt jährlich nur 14,8 Mio. Euro von den Wasserbetrieben, obwohl im Koalitionsvertrag von 2001 noch 68 Mio. Euro jährlich gefordert wurden. Der Verzicht auf diese Abgabe in voller Höhe begünstigt die InvestorInnen, wie auch der ehemalige stellvertretende PDS-Landsvorsitzende, Klaus Lederer, zugeben musste.

Das Volksbegehren bis zum 27.10. unterstützen!

Nun glaubt Nussbaum einen Weg gefunden zu haben, die Situation zu beruhigen. Er will eine Konzessionsabgabe erheben, die die WasserversorgerInnen nicht auf die Gebühren der Wasserkunden aufschlagen können sollen. So würde die Renditegarantie (als durchschnittliche Rendite zehnjähriger Bundesanleihen der letzten 20 Jahre plus zwei Prozent, bemessen auf das betriebsnotwendige Kapital) aus dem geheimen Vertrag niedriger ausfallen. Die Folge wären niedrigere Gewinne für RWE/Veolia. Damit will man den Unmut der BerlinerInnen über die hohen Wassergebühren befrieden und dem Volksbegehren das Wasser abgraben. Die Privaten bestehen aber darauf, die bisherigen Bilanzierungsregeln einzuhalten. Beide Seiten haben sich schon gegenseitig mit Gutachten überzogen.

Eine Offenlegung der Geheimverträge oder eine Re-Kommunalisierung der Wasserbetriebe, wie sie sogar in der Koalitionsvereinbarung der jetzigen Regierung verankert ist, wird dadurch nicht erreicht. Die BürgerInnen werden wieder mit Versprechen getäuscht.

Es bleibt dabei: Nur der stete, organisierte Druck des Wassertischs, von Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, weiteren Berliner Bürgerinitiativen, Wohnungsbaugenossenschaften, Mietervereinen, Gartenvereinen und Verbraucherorganisationen, hilft, das gemeinsame Ziel zu erreichen.

Wir wollen die kostengünstige Re-Kommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe, damit nicht mehr die Rendite bestimmt, was bei unserem Wasser geschieht. Dazu müssen als erstes die Verträge offen gelegt werden - und dafür muss unser Volksbegehren erfolgreich sein. Das Ziel ist längst nicht erreicht. In zwei Monaten sind 50.000 Unterschriften zusammen gekommen, gebraucht werden noch 120.000. Jede/r, der/die in Berlin gemeldet ist, kann eine Liste mit sechs Unterschriften füllen! Man findet sie unter www.berliner-wassertisch.net. Senden muss man sie an die grüne Liga oder in jedem Berliner Bürgeramt abgeben. Die Frist läuft am 27. Oktober ab.

Gerlinde Schermer, Vertrauensperson des Volksbegehrens "Unser Wasser"