Endlich mal abschalten!
Atomausstieg bleibt Handarbeit
Je dünner und dümmer die Ergebnisse, desto dicker trägt die politische Klasse auf: Die von der Atomindustrie durchgesetzte Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke bezeichnete Bundeskanzlerin Merkel als eine "Revolution". Für Außenminister Westerwelle ist die Entscheidung von "epochaler Bedeutung", und Umweltminister Röttgen schwärmte von einem "weltweit einzigartigen Konzept."
Beschlossen wurde eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre - was selbstredend einschließt, dass einige AKWs viele Jahre länger am Netz bleiben werden. Maßnahmen für mehr Sicherheit wurden hingegen verschoben oder als nachrangig eingestuft. Mehr als 500 Mio. Euro soll kein Betreiber für mehr Sicherheit ausgeben müssen.
Für die Sicherheitslage sieht es also düster aus: Keines der 17 deutschen Atomkraftwerke ist gegen Flugzeugabstürze geschützt, keines bietet im Falle einer Kernschmelze Schutz vor Verstrahlung, und keines wäre bei heutigem Stand der Technik genehmigungsfähig.
Aber nicht nur das: Atomkraft blockiert auch die Entwicklung alternativer Energien und wälzt die Kosten auf die Öffentlichkeit ab. Würden allein diese Kosten mit berücksichtigt, wäre der Atomstrom alles andere als billig.
Und wofür das alles? Laut einer Analyse des Öko-Instituts können die Energieversorger mit Zusatzgewinnen von ca. 100 Mrd. Euro rechnen. Die Aktien von E.on und RWE machen vor lauter Freude Kurssprünge.
Das alles ist eine Folge dessen, was Rot-Grün seinerzeit im Konsens mit den Energiekonzernen aushandelte, aber als "Atomausstieg" verkaufte. Diesen Vereinbarungen haben wir auch eine tolle Konstruktion zu verdanken, die uns bis heute begleitet: die Reststrommengen. Damals wurde nämlich keine Restlaufzeit in Jahren vereinbart, sondern die Strommenge, die jedes AKW noch erzeugen darf. Ist diese aufgebraucht, endet die Laufzeit. Das Irrsinnige daran: Störanfällige Kraftwerke können, weil sie oft vom Netz sind, länger als bis 2020 Strom produzieren.
Die zugebilligten Strommengen dürfen aber auch von einer Anlage auf die andere übertragen und sogar zwischen den Konzernen gehandelt werden. Damit war die Behauptung, dass 2020 das letzte Kraftwerk vom Netz gehen würde, das Papier nicht wert, auf dem sie stand. Seit Jahren gibt es in der Debatte um die Zukunft der Atomenergie keine neuen Argumente. Die Frage nach der Zukunft der Atomenergie ist und bleibt eine Machtfrage.
Diese wurde angesichts der Entscheidung von Schwarz-Gelb erneut gestellt und wird im Herbst auf den Straßen und Schienen gen Zwischenlager beantwortet. In diesem Sinne: Castor blockieren, Castor schottern! Atomausstieg bleibt Handarbeit!