Nazis? Schach matt!
Aktivierungskonferenz als Startschuss zur Mobilisierung nach Dresden 2011
Mit lautem Beifall endete am 9. Oktober in Dresden die Aktivierungskonferenz von No pasarán und Dresden Nazifrei. Gekommen waren rund 250 Menschen aus einem breiten Spektrum von Parteien, Gewerkschaften und antifaschistischen Initiativen. "Vielfalt ist unsere Stärke", bekräftigte man in einer gemeinsamen Resolution. "Auch aus diesem Grund stellen wir uns klar gegen den Versuch, linken und antifaschistischen Protest mittels des Extremismusansatzes zu diffamieren." Außerdem wolle man "die Debatte um die Dresdner Gedenkkultur kritisch und solidarisch miteinander führen". Für KonferenzteilnehmerInnen steht fest: "Auch 2011 werden wir den Naziaufmarsch verhindern!"
Die Massenblockaden in Dresden gegen den Naziaufmarsch im Februar dieses Jahres waren ein voller Erfolg - in diesem Punkt sind sich die Anwesenden der Aktivierungskonferenz einig. Nun geht es in die nächste Runde. Zum Auftakt wurde am 8./9. Oktober über Blockaden, zivilen Ungehorsam, rechte Demonstrationspolitik und den gesellschaftlichen Umgang mit der Erinnerung an die Bombardierung Dresdens diskutiert.
Eine ähnliche Konferenz fand bereits im vergangenen Herbst auf Initiative des bundesweiten antifaschistischen Bündnisses No pasarán statt, in unmittelbarer Folge hatte sich das Bündnis Nazifrei - Dresden stellt sich quer gegründet. Zu Beginn der Konferenz saßen Vertreter beider Bündnisse zusammen mit Thomas Voß (Landesbezirksleiter ver.di) auf dem Podium. Im Publikum waren auffällig viele DresdnerInnen, vor allem aus dem Gewerkschaftsspektrum.
"Damit hätten wir nie gerechnet", erinnert sich Florian von No pasarán und meint damit sowohl die Mobilisierung als auch die Breite des Protests. Stefan Thiele von Dresden Nazifrei ergänzt: "Dieses Jahr haben wir die Nazis Schach gesetzt. Jetzt gilt es, sie Schach matt zu setzen." Thomas Voß sieht sogar einen neuen Trend. "Wir sind keine radikale Minderheit, das haben wir überwunden." Seiner Meinung nach sei auch die Menschenkette, zu der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) aufgerufen hatte, ein niedrigschwelliges Angebot für diejenigen gewesen, die sich Blockaden (noch) nicht zutrauen, sich aber trotzdem gegen Nazis positionieren wollten. "Ich war auf beiden Seiten der Elbe und ich muss sagen: Die Stimmung war dieselbe."
Das sieht Stefan Thiele anders. "Viele Menschen haben gemerkt, dass die Menschenkette nicht das richtig Mittel ist." Auch für Florian war die Aktion nicht mehr als "reine Symbolpolitik". Außerdem habe sich die Menschenkette gegen Extremismus und somit auch gegen die Blockaden gerichtet. Zwar herrschte an diesem Punkt Uneinigkeit, doch die Kriminalisierungsversuche des Protests verurteilten alle gleichermaßen. Dass dieses Kapitel alles andere als abgeschlossen ist, zeigte sich Anfang Oktober: Der Justizausschuss des Thüringer Landtags hob die Immunität des Abgeordneten Bodo Ramelow (LINKE) auf Antrag der Dresdner Staatsanwaltschaft auf. Diese wirft Ramelow die Mitorganisation der Blockaden in Dresden vor.
Es ist dieses Vorgehen, mit dem Thomas Voß die teilweise Zurückhaltung seitens der Gewerkschaften erklärt: "Juristen haben mich gewarnt." Ein älterer Dresdner Gewerkschafter aus dem Publikum hält dagegen: "Ihr müsst offensiver zu dem Protest mobilisieren." Nicht nur er ist der Meinung, dass die Gewerkschaften deutlichere Worte finden müssen. Auch bei Voß scheint das anfängliche Zögern verschwunden zu sein. "Wir als Gewerkschaften haben eine gesellschaftspolitische Verantwortung und stehen Seite an Seite mit euch. Und wenn Sitzblockaden notwendig sind, dann machen wir eben Sitzblockaden!"
Die Blockaden in Dresden hatten Signalwirkung
Eine Frau im Publikum weist auf die Signalwirkung Dresdens hin, z.B. für die Proteste gegen Stuttgart 21: "In Stuttgart wurde der politische Preis bezahlt. Wir müssen uns daher auch auf eine andere Härte einstellen." Florian von No pasarán warnt darüber hinaus vor möglichen Auseinandersetzungen mit "freilaufenden Nazis". Zum Schutz der Blockaden sei die Antifa gefragt. "Wieso das denn?" entgegnet Stefan Thiele. Dieses Thema gehe schließlich alle an. "Ich würde mich auch über einen Gewerkschafter freuen, der sagt: ,Wenn die Nazis uns angreifen, sollen sie mal meine Arbeiterfaust spüren!`."
Am Samstag ging es in Workshops weiter. Unter dem Stichwort Geschichtspolitik diskutierten über 60 Leuten über politisches Gedenken, die alliierten Bombardements und Militarismus. "Es ist wichtig, dass wir uns den Nazis auch im nächsten Jahr massenhaft in den Weg stellen. Aber ich finde es auch gut, in der inhaltlichen Auseinandersetzung einen Schritt weiter zugehen", so Anja von No pasarán.
Diskussionen über Geschichtspolitik
Nach wie vor ist das Thema in Dresden sehr präsent. Erst Anfang September wurde auf dem Heidefriedhof ein neues Denkmal eingeweiht, die CDU hätte gern ein weiteres auf dem Dresdner Altmark. Stark umstritten ist hingegen das geplante Denkmal für britische Piloten des Zweiten Weltkrieges im Londoner Green Park. Dieses, so die OB-Sprecherin Heike Großmann, sei "aus Dresdner Sicht schwer zu verstehen". Man kann durchaus gespannt sein, zu welchen Ergebnissen der in der Resolution der Konferenz formulierte Wille zur Auseinandersetzung mit der Dresdner Gedenkkultur führen wird.
Ging es in der ersten Workshop-Phase um inhaltliche Punkte, wurde es in der zweiten Phase praktisch. Man beschäftigte sich nicht nur mit Pressearbeit, Buskonvois und Vernetzung. Durch die Fenster schallten die Rufe des Blockadetrainings vor dem Gewerkschaftshaus. Solche Trainings seien wichtiger Bestandteil in der Mobilisierung, hieß es in der Abschlussrunde - und offensichtlich machen sie auch jede Menge Spaß.
Momentan ist unklar, womit man im Februar 2011 rechnen muss. Ein "Vorbereitungskreis Dresden 2011", der u.a. aus NPD, Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) und sogenannten Freien Kräften besteht, lässt verlautbaren, "zusätzlich zum 13. Februar am 19. Februar 2011 mehrere unabhängig voneinander stattfindende Veranstaltungen durchzuführen". Was das bedeutet, bleibt abzuwarten. Die Konferenz hat jedoch gezeigt, dass es einen breiten Willen gibt, an die positiven Erfahrungen des 13. Februars 2010 anzuknüpfen. Fest steht schon jetzt: "Wir werden an dem Ort blockieren, wo die Nazis ihre zentrale Aktion planen."
Maike Zimmermann