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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 558 / 18.2.2011

Aufgeblättert

Wege aus der Ökokrise

Die Zerstörung der Umwelt bedroht weltweit die Grundlagen der Gesellschaften insgesamt, sie verschärft die Gegensätze zwischen Arm und Reich, Norden und Süden. Frank Adler und Ulrich Schachtschneider stellen in ihrem Buch elf "Konzepte für gesellschaftliche Wege aus der Ökokrise" vor, die sie in drei Gruppen einteilen. Da sind zunächst die Konzepte der fundamentalen Systemkritik: Den radikalen Abbau von Herrschaft und den Aufbau einer egalitären Gesellschaft mit dezentral wirtschaftenden, basisdemokratischen Gemeinschaften verlangen die BUKO, Ulrich Brand, Christoph Görg und andere. Für die Subsistenzperspektive und die volle Anerkennung der Reproduktionsarbeit in Haushalt und Familie bei Überwindung von Kapitalismus und Patriarchat argumentieren Maria Mies, Vandana Shiva und andere Autorinnen. Saral Sarkar und Bruno Kern treten ein für einen Öko-Sozialismus mit demokratischer Planung und bescheidenem Naturverbrauch. Die radikale Wertkritik von Robert Kurz und EXIT fordert bewusste Gesellschaftlichkeit statt Fetischismus der Wertform. Rudolf Bahro (1935-1997) und andere lehnen den Industrialismus und Konsumismus ab; Genügsamkeit und Beziehungsreichtum sollen die Grundlage einer neuen Gesellschaft werden. Konzepte, die eindeutig im Rahmen des Kapitalismus bleiben wollen, sind die ökologische Modernisierung nach Joseph Huber und Martin Jänicke sowie die evolutorische Sozialökonomik nach Rainer Land. Andere Konzepte sehen weiter gehende Veränderungen vor, wobei offen bleibt, ob man dann noch von Kapitalismus reden kann. Angestrebt werden eine reflexive Modernisierung (Ulrich Beck), eine reproduktive Ökonomie (Adelheid Biesecker), Marktwirtschaft ohne Wachstum (BUND/EED, Wuppertal-Institut), eine sozial-ökologische Phase des Kapitalismus mit der Möglichkeit eines Systemwechsels (u.a. Lipietz, Aglietta). Eine Gegenüberstellung der verschiedenen Konzepte mit der Betrachtung ihrer Stärken und Schwächen schließt das Buch ab. Es bietet viele Denkanstöße und kann helfen, die Öko-Debatte voran zu bringen.

Helmut Rehbock

Frank Adler, Ulrich Schachtschneider: Green New Deal, Suffizienz oder Ökosozialismus? Konzepte für gesellschaftliche Wege aus der Ökokrise. oekom verlag, München 2010. 318 Seiten, 24,95 EUR

Dänischer Widerstand

Jørgen Kieler, geboren 1919 im dänischen Horsens, schloss sich 1940 dem Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht an. Sein jetzt auch in deutscher Sprache vorliegendes Buch "Dänischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus" ist der Bericht eines Zeitzeugen, zugleich aber auch der Versuch, die dänische Widerstandsbewegung insgesamt darzustellen. Sein Buch ist als Einstieg in ein hierzulande kaum bekanntes Thema geeignet; er hat es der deutschen Widerstandsgruppe Weiße Rose gewidmet. Dass er selbst ein konservativer Antikommunist war und geblieben ist, wird schon am Anfang deutlich. Sein Beitrag zum Kampf gegen die Nazis wird dadurch nicht geschmälert - Kieler hat in diesem Kampf sein Leben riskiert, er wurde lebensgefährlich verletzt und ins KZ verschleppt. Allerdings sind ihm im ersten Kapitel, überschrieben "Zwischen zwei Weltkriegen", einige grobe Schnitzer unterlaufen. Da erscheint die Gründung von Mussolinis Kampfbünden als "in gewisser Weise nachvollziehbare" Reaktion auf eine drohende Diktatur des Proletariats und "der Kommunismus als weitaus größere Gefahr für den Frieden als der Nationalsozialismus"; oder das NS-Sozialwerk "Kraft durch Freude" muss als Beweis für "sozialistische Züge" der NSDAP herhalten. Hinzu kommen schlichte Geschichtsfälschungen. So behauptet Kieler, "dass eine Mehrheit der deutschen Wähler 1933 Hitler an die Macht brachte", oder dass die systematische Verfolgung von KommunistInnen und SozialdemokratInnen erst nach dem 30. Juni 1934 eingesetzt hätte. Wo der Autor offensichtlich überfordert ist - Kieler ist Mediziner, kein Historiker - hätten die LektorInnen korrigierend eingreifen müssen.

Js.

Jørgen Kieler: Dänischer Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Offizin-Verlag, Hannover 2011. 367 Seiten, 29,80 EUR

Suchen und scheitern

"Teilen Sie meine Hoffnung, dass dieser Bericht über Menschen wie uns helfen mag, das Vermächtnis der Tatsache zu erleichtern, dass Geschichte sonst vorwiegend geschrieben wird von den Siegern" - diese Aussage aus Alex Haleys Roman "Roots" ("Wurzeln") ist dem Erzählungsband "Kaffee trinken anderswo: Stories" von ZZ Packer vorangestellt. Die Autorin wurde 1973 in Chicago geboren. In ihren acht spannenden Geschichten stehen AfroamerikannerInnen im Mittelpunkt, überwiegend junge Frauen. Alles dreht sich um die Suche nach der eigenen Identität, einem eigenen Standpunkt in der Welt, der ein möglichst klarer und sicherer sein soll. Dabei scheitern alle mehr oder weniger, aber eigentlich spielt das keine Rolle. ZZ Packer schreibt sehr bildhaft und entwickelt unerwartete Szenarien: Da soll z.B. auf einem Protestmarsch mit Hehlerware Geld gemacht werden, allerdings handelt es sich um geklaute exotische Vögel, die verscherbelt werden sollen; nebenbei muss auch noch die Beziehung zum Vater geklärt werden. Oder die 14-jährige Tia bricht aus der ihren Alltag bestimmenden religiösen Enge aus, um ihre Mutter zu suchen. Schneller als sie denken kann, gerät sie auf unbekanntes Terrain und hat mit Prostituierten und Zuhältern zu tun. ZZ Packer gelingt es immer wieder, Erwartungen und Bilder zu brechen: ihre HeldInnen sind in ihrer Widersprüchlichkeit, ihrem Scheitern menschlich und sympathisch.

Raphaela Kula

ZZ Packer: Kaffee trinken anderswo. Stories. A1 Verlag, München 2009. 277 Seiten, 19,80 EUR

(Anti-)Imperialismus

Lenins Klassiker "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" stammt aus dem Jahr 1916, als die Widersprüche der kapitalistischen Großmächte in einem massenmörderischen Weltkrieg ausgetragen wurden. Die Frage, was Lenins Analyse heute noch taugt, zieht sich durch die Beiträge zum Schwerpunktthema der aktuellen Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung. Untersucht man die "Verschiebungen im Weltsystem", dann zeigt sich: "Das (von Lenin formulierte) Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung wirkt." (Editorial) Neue Widersprüche zwischen den kapitalistischen Zentren entstehen, "Schwellenländer" erleben ein rasantes Wirtschaftswachstum, und insbesondere das aufstrebende China verändert Weltwirtschaft und Weltpolitik. Mit China beschäftigt sich Theodor Bergmann. Sein Aufsatz ist überschrieben "Gedanken zur Politökonomie des sozialistischen Entwicklungslandes China". Die in der chinesischen Gesellschaft auftretenden Widersprüche seien nicht antagonistisch, sondern könnten "im System durch Verhandlung gelöst werden" - eine diskussionsbedürftige These. In einem theoretischen Aufsatz fragen Frank Deppe, David Salomon und Ingar Solty nach Begriff und Aktualität von Imperialismus und Antiimperialismus. Sie skizzieren "Facetten eines emanzipatorischen Antiimperialismus". Dessen Kern müsse in der "Forderung nach einer Verrechtlichung der menschlichen Beziehungen" bestehen. Ziel sei die "Etablierung von sozialen und universellen Menschenrechten, die sich mit kapitalistischer Verwertung auf Dauer nicht versöhnen lassen".

Js.

Z. Zeitschrift marxistische Erneuerung Nr. 84, Dezember 2010. 223 Seiten, 10 EUR. www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de