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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 561 / 20.5.2011

Der Tag, der die Euphorie beendete

Proteste in Ägypten gegen Einschüchterung durch die Armee

Der 9. März war ein Schock für die ägyptische Bewegung. An jenem Tag räumte das Militär den Tahrir-Platz, verhaftete und misshandelte AktivistInnen. Der zweite Schock folgte einen Monat später: Am 9. April schoss die Armee auf DemonstrantInnen - zum ersten Mal. Doch die Proteste sind damit nicht beendet. Kritik am Militär wird lauter, die Zahl der Arbeitskämpfe nimmt zu, und im Alltag der Jugendlichen hat eine Kulturrevolution begonnen. Auch unter Soldaten wächst die Unruhe. Eindrücke aus einem Land im Umbruch.

Jetzt schauen sie wieder Fußball. Vor zwei Monaten, Anfang März, liefen auf den Fernsehbildschirmen in den Straßencafés der Kairoer Innenstadt noch ununterbrochen Nachrichten, und die Menschen standen in dichten Trauben davor, um das, was sie sahen, zu kommentieren. Nicht nur in den Cafés, an jeder Straßenecke dasselbe Bild: Gruppen von Männern, Frauen, die zusammenstanden, gestikulierten, die neuesten Entwicklungen in der Politik des Landes diskutierten. "Das ist wirklich das neue Ägypten", sagte damals mit strahlenden Augen Emu, einer der wenigen, die schon lange vor der Revolution politisch aktiv waren. "Eine Regierung auszutauschen, das ist eine Sache. Die wirkliche Veränderung findet in den Menschen statt." Und Hamid, ein junger Student, witzelte: "Früher war jeder hier Experte im Fußball. Jetzt ist jeder Experte in Politik."

Zwei Monate später, ist die Euphorie der ersten Wochen verflogen. Die Zeit, als aus jedem Fenster die ägyptische Flagge hing, ist vorbei, die Stoffbahnen, auf denen AnwohnerInnen in riesigen Lettern der ägyptischen Jugend für die Revolution dankten, sind eingeholt. Anfang Mai ist die Revolution in den Straßen der Innenstadt nur noch für jene sichtbar, die ihre Zeichen suchen.

Drei Monate nach der Revolution bewegen sich zwei Ebenen der Politik in unterschiedlichen Zeiten, zählen andere Tage, anderen Daten. Auf der Ebene der "offiziellen" Politik geht einiges voran. Höhepunkte der vergangenen Wochen: 12. April, die Festnahme Mubaraks und seiner zwei Söhne Alaa und Gamal, die seither in Untersuchungshaft sitzen. 19. April, Veröffentlichung der Ergebnisse einer Untersuchungskommission zu den staatlichen Gewalttaten während der Revolution, die belegt, dass mehr als 800 Menschen während der 18 Tage starben, mehr als 5.000 verletzt wurden. 5. Mai, Ex-Innenminister al-Adly wegen Geldwäsche und Betrug zu zwölf Jahren Haft verurteilt, am 21. Mai wird ein zweiter Prozess gegen ihn wegen der Tötung von DemonstrantInnen stattfinden. Für September sind Wahlen geplant, dann soll die Macht vom derzeit herrschenden Obersten Militärrat auf eine zivile Regierung übergehen. Die Präsidentschaftskandidaten befinden sich schon halb im Wahlkampf, sie ziehen durch die Fernsehshows, tauchen vor jeder Kamera und jedem Ort auf, wo etwas passiert.

Dort, wo die Politik weniger offiziell ist, wo sich all diejenigen, meist sehr jungen Leute treffen, die diese Revolution getragen haben, zählen andere Daten. Und es sind vor allem zwei, die für die AktivistInnen einschneidend waren und die die Bewegung und ihr Verhältnis zur offiziellen Politik nachhaltig verändert haben: der 9. März und der 9. April.

Der 9. März war der Tag, der die Euphorie beendete - und, symbolisch wie real, den Tahrir-Platz räumte. Bis zu jenem Tag hatte das Militär den Ruf, auf Seiten der Revolution zu stehen. Es hatte sich während der Proteste geweigert, auf die eigene Bevölkerung zu schießen. "Armee und Volk - Hand in Hand!" riefen die DemonstrantInnen, küssten Soldaten, fotografierten sich Arm in Arm mit diesen vor den Panzern.

Bis zu jenem Tag standen auf dem Tahrir-Platz, inmitten des vorbeirauschenden Verkehrs noch die Reste des großen Camps, das sich während der Revolution über den ganzen Platz erstreckt hatte. Die kleine Zeltstadt war mit Seilen abgetrennt, freiwillige OrdnerInnen kontrollierten alle, die eintreten wollten, auf gefährliche Gegenstände. Ein Hort der Unruhe, an dem Drogen gehandelt und PassantInnen belästigt wurden, schrieben die Zeitungen, und den AktivistInnen, die sich dort noch immer trafen, war wohl nicht klar, wie viel Strategie hinter diesen Artikeln steckte.

Am 9. März, um die Mittagszeit, stürmten bewaffnete Schlägertrupps das Camp, sogenannte Baltagiyyas, die schon unter Mubarak die Drecksarbeit erledigten: Wahlen fälschen, Leute einschüchtern, verletzen oder töten. Mehr AktivistInnen eilten herbei, um das Camp zu verteidigen. Die Baltagiyyas zogen sich zurück, griffen jedoch einige Stunden später erneut an. Dieses Mal sah das Militär nicht tatenlos zu. Panzer rauschten durch die Straßen in Richtung Platz und Soldaten stürmten das Camp. Aber sie verteidigten es nicht, wie die Protestierenden gehofft hatten, sondern rissen gemeinsam mit den Baltagiyyas die Planen von den Zelten, und nahmen, während die Schlägertrupps auf die Protestierenden einprügelten, über 200 Menschen fest. (siehe ak 560)

Die Festgenommenen brachte das Militär ins Ägyptische Museum, einen wuchtigen, blassrosa Bau, der sich hinter einigen Palmen am Rande des Tahrir-Platzes erhebt, für seine Kunstschätze weltberühmt ist und seit den Tagen der Revolution einen temporären Stützpunkt der Armee beherbergt. Was dort geschah, hat das Bild der Armee nachhaltig verändert: "Sie schlugen uns vom ersten Moment an brutal", erzählt Ramy Essam, ein 23-jähriger Student, der mit seinen selbstkomponierten Songs als "Singer of the Revolution" bekannt wurde. "Wir verstanden nicht, warum wir verhaftet wurden, und sie erklärten es nicht."

Er habe gar nicht erst mit den einfachen Soldaten diskutiert, so Essam, sondern auf die politischen Offiziere gewartet, im Vertrauen, dass sich die Sache rasch aufklären würde. "Das Gegenteil war der Fall! Die Offiziere gingen noch brutaler mit uns um. Sie warfen mich zu Boden und prügelten auf mich ein. Dann zogen sie mich aus und schnitten mir die Haare ab. Sie schlugen uns mit Stöcken, Stromkabeln, Gürteln und Drähten. Ein Soldat sprang mehrmals auf mein Gesicht. Danach schleiften sie mich auf den Hinterhof des Museums und schmierten mir Dreck ins Gesicht. Offiziere verabreichten mir Elektroschocks."

Essam hat nach seiner Freilassung ein Video produziert, auf dem er über seine Erlebnisse im Museum berichtet und seinen zerschundenen Rücken zeigt: Blutergüsse, blaurote Striemen und die schwarzen Verbrennungen der Elektroschocks. "Gott schütze mich vor dem ägyptischen Militär!" schließt er seinen Bericht. Weitere Betroffen folgten seinem Beispiel und gingen ebenfalls an die Öffentlichkeit.

Die Berichte der Betroffenen waren für die junge Bewegung ein Schock. Auch viele AktivistInnen hatten bislang ein positives Bild vom Militär. Das Militär wird mit der Unabhängigkeit von der Kolonialherrschaft und dem Krieg gegen Israel in Verbindung gebracht, durch die allgemeine Wehrpflicht war jeder selbst zumindest zeitweise Teil der Armee oder hat Brüder, Cousins, Freunde, die ihren Wehrdienst leisten. Umso schmerzhafter war die Erkenntnis für viele der jungen Aktiven, dass das jetzt herrschende Militär offenbar eigene Interessen verfolgte - die es gegen die weiterhin Protestierenden auch mit Gewalt durchsetzen würde.

Dies machten auch zwei Gesetze deutlich, die der Militärrat im März verabschiedete: Das erste, ein Gesetz, das sich offiziell gegen "Thugs", in etwa "Verbrecher" oder "Halunken" richtet (1), listet eine lange Reihe von Vergehen auf, die von Herumlungern in der Öffentlichkeit über Diebstahl und Waffenbesitz bis zu Mord reichen und mit hohen Strafen geahndet werden können. Es eröffnet somit eine weitere Möglichkeit für willkürliche Verhaftungen und Verurteilungen. Der Ausnahmezustand, der seit nunmehr 30 Jahren gilt und dessen Aufhebung eine Forderung der Revolution war, wird dadurch weiter verschärft.

Ende März trat ein weiteres Gesetz in Kraft. Es verbietet jede Art von Protest oder Streik, der das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft oder öffentlicher Institutionen beeinträchtigt. Bereits der Aufruf dazu wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Wenige Stunden nach dem Beschluss des Gesetzes wandte die Militärpolizei es bereits an und räumte die Kairoer Universität. Die StudentInnen hatten zu Semesterbeginn überall im Land die Universitäten besetzt, sie fordern den Rücktritt der Universitätsleitungen und der Professoren, die noch vom alten Regime eingesetzt waren, mehr Mitbestimmung und veränderte Stundenpläne.

Mehr noch als gegen die andauernden Proteste der Jugend richtet sich das neue Gesetz gegen die Streiks, die seit der Revolution enorm zugenommen haben. Viel bekommt man von ihnen nicht mit. Die Medien schweigen über sie, allein über die Gründung und das rasche Anwachsen unabhängiger Gewerkschaften ist auch in der ägyptischen Presse etwas zu lesen. Das Militär geht hart gegen Streikende vor und beendet Blockaden und Arbeitskämpfe häufig gewaltsam. Durchaus im eigenen Interesse: Das ägyptische Militär bestimmt nicht nur seit Jahrzehnten im Hintergrund, aber sehr nachhaltig, die Politik des Landes. Es ist auch der größte wirtschaftliche Akteur, geschätzte 25 Prozent des BIP laufen durch seine Hände. (siehe ak 559 und 560)

Der "Großkonzern" Militär ist von Streiks also direkt betroffen und hat daher großes Interesse, diese klein zu halten. Doch die Unterdrückung der Arbeitskämpfe ist für die Armee ein Balanceakt. Denn zugleich ist sie darauf bedacht, ihr positives Image in der Bevölkerung nicht zu verlieren. Das Militär verfolgt zunehmend eine Doppelstrategie: Harte Repression auf der einen Seite, gezielte PR-Arbeit und einzelne Zugeständnisse auf der anderen.

Wie das aussieht, zeigte sich am zweiten einschneidenden Tag für die ägyptische Bewegung, dem 9. April. Tags zuvor, am Freitag, den 8. April, hatte es die größten Demonstrationen seit der Revolution gegeben, allein auf dem Tahrir-Platz waren ein bis zwei Millionen Menschen zusammengekommen. Die Jugendorganisationen, aber auch die Muslimbrüder hatten zu den Großdemonstrationen aufgerufen, weil ihnen die Umsetzung der Forderungen der Revolution zu langsam ging. Der Tahrir-Platz war so voll, dass kein Drängeln durch die Menge möglich war. Volksfeststimmung an den Rändern und im Inneren, Musik dröhnte zugleich aus verschiedenen Lautsprechern, von mehreren Bühnen schallten die Reden. Trotz einer Warnung der Armee, kein Soldat dürfe sich den Protesten anschließen, waren etwa 40 Soldaten auf dem Platz. Sie wurden auf Händen getragen und gefeiert.

Die ausgelassene Stimmung wich Anspannung, als die Nacht über den Platz hereinbrach, die Massen nach Hause verschwanden und einige Tausend übrig blieben, die angekündigt hatten, den Tahrir erneut zu besetzen und zu bleiben, bis ihre Forderungen erfüllt seien. Um zwei Uhr nachts, als die Ausgangssperre begann, endete ein kleines Konzert, das Ramy Essam gegeben hatte, knisternde Stille breitete sich aus. Umschauen, Warten. Kein Militär zu sehen. Die ersten begannen zu rufen, zu tanzen: "Wir haben es geschafft! Der Platz ist wieder besetzt!"

Doch das war zu früh gefreut. Fast genau um drei Uhr morgens stürmten Tausende Soldaten auf den Platz, trieben die verbliebenen Protestierenden zusammen - und eröffneten das Feuer. "Ich bin um mein Leben gerannt", erzählt Fatima, "nur gerannt, gerannt, ich dachte meine Lungen platzen!"

Nicht alle kamen so glimpflich davon. Ein Militärkommando steuerte direkt das Zelt an, in dem sich die protestierenden Soldaten aufhielten, und zerrte sie heraus. Wie viele von ihnen direkt erschossen, wie viele totgeprügelt wurden, ist nicht eindeutig herauszubekommen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von acht Toten in der Nacht. In der ganzen Innenstadt waren bis zum Morgen Gewehrsalven zu hören, mindestens eine Person wurde an einer Straßenecke, nicht weit vom Tahrir-Platz, erschossen.

Der 9. April war der zweite Schock. An diesem Tag hatte das ägyptische Militär seinen Mythos widerlegt und auf die eigene Bevölkerung geschossen. Doch die ägyptischen Medien berichten über den Vorfall quasi nicht. Und das Militär setzt die Strategie der Einschüchterung zwar fort, verhaftete in den folgenden Tagen Leute auf der Straße, die wie Protestierende aussahen, stürmte eine Konferenz zu politischen Gefangenen im Kairoer Stadtteil Imbaba. Doch zugleich ist es peinlich darauf bedacht, dass diese Aktionen nicht in die Öffentlichkeit dringen. Stattdessen bepflanzten Armeeangehörige eines Abends öffentlichkeitswirksam den Tahrir-Platz mit neuem Gras und jungen Bäumen. Militärkapellen spielen auf öffentlichen Plätzen, verteilen Süßigkeiten und kleine Geschenke.

Und die Armee sorgt dafür, dass kritische Berichterstattung nicht mehr möglich ist: Anfang Mai erließ der Militärrat eine Verordnung, dass alle Artikel über die Armee vor der Veröffentlichung der Armee selbst zur Prüfung zugeleitet werden müssen. Kurz zuvor war der Friedensaktivist Maikel Nabil Sanad zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Auf seinem Blog hatte er geschrieben: "Armee und Volk gehen nicht Hand in Hand." (siehe ak 560)

Gerüchte kursieren, dass im Militär massive Spannungen herrschen, dass vor allem junge Soldaten der unteren Ränge sich mit den Protestierenden solidarisch fühlen und damit liebäugeln, sich den Protesten anzuschließen. Dass im Gebiet zwischen Kairo und Suez, wo zahlreiche Kasernen liegen, junge Soldaten desertiert und geflohen sind, weil sie fürchten, so wie jene bestraft zu werden, die am 9. April auf dem Tahrir-Platz ermordet wurden.

In der Protestbewegung hat seit dem 9. März schrittweise ein Umdenken stattgefunden - und auch eine Umstrukturierung: nicht mehr mit dem Militär, sondern gegen das Militär. Es ist eine mühsamere und gefährlichere Strategie. In der Bevölkerung findet Kritik an der Armee weiterhin wenig Beifall. Aber immerhin: Eine Kampagne, die sich gegen die Verurteilung von ZivilistInnen vor Militärtribunalen einsetzt, gewinnt an Fahrt, schon sind in der Innenstadt Flyer und Aufkleber mit dem Zeichen der Kampagne zu sehen. Das Militär hat seit der Revolution Hunderte, wenn nicht Tausende Festgenommener von Militärgerichten aburteilen lassen, in Prozessen, die oft keine zehn Minuten dauerten, in denen weder Anwälte noch die Öffentlichkeit zugelassen war. Über 100 der am 9. März Festgenommenen sind bis zu sieben Jahren Haft verurteilt worden.

Die Arbeit gegen das Militär, das derzeit quasi uneingeschränkt herrscht, ist einer der drei Stränge, an denen sich Proteste derzeit bewegen. Der zweite sind die Arbeitskämpfe, die zunehmend in den Vordergrund rücken: Am 1. Mai fanden zum ersten Mal in Ägypten große Demonstrationen statt; aufgerufen hatten die neu gegründeten, unabhängigen Gewerkschaften. Und drittens treten die Kämpfe auch stärker in den Alltag der Jugendlichen und werfen dort nicht nur politische, sondern auch kulturelle Brüche auf.

Die Revolution hat das Leben der jungen, jetzt Aktiven umgekrempelt. Die 18 Tage auf dem Tahrir-Platz haben ihnen gezeigt, dass ein anderes Zusammenleben, ein Mehr an Freiheit möglich ist. Und so ziehen nun junge Frauen bei ihren Eltern aus, diskutieren junge Menschen, welche Kleidung sie tragen dürfen und können, warum es keine Orte gibt, an denen sie sich ungestört treffen können, ob Männer lange Haare haben dürfen und Frauen kurze. Aus dem einen großen Kampf sind viele kleine Kämpfe geworden.

Mitte Mai campen vor dem TV-Gebäude am Nilufer in Maspiro einige hundert Leute. Sie haben aus Decken und Planen provisorische Zelte errichtet, in den Bäumen hängen Transparente, dahinter fließt träge das Wasser des Nil. Es sind Kopten, auch einige Muslime haben sich ihnen angeschlossen. Sie sind hierher gezogen, nachdem es im Stadtteil Imbaba zu Auseinandersetzungen zwischen Kopten und radikalen Muslimen kam. Inzwischen hat eine erste Untersuchung ergeben, dass auch dort Baltagiyyas beteiligt waren. Ob die ehemalige Staatspartei oder die aufgelöste Sicherheitspolizei dahinter steckt, darüber wird weiter spekuliert.

Der Protest vor dem TV-Gebäude hat mit Religion wenig zu tun, er richtet sich gegen das Militär. Wenn auf der Bühne jemand ans Mikrofon tritt, ruft die Menge dieselben Slogans wie auf dem Tahrir-Platz: "Christen und Muslime - Hand in Hand!" Oder: "Wir wollen, dass Tantawi geht!" Mohammed Hussein Tantawi, der Oberste des Militärrates, ist vielen in der Bewegung ein Dorn im Auge. Der General hat enge Verbindungen zum alten Regime. Taucht die Polizei in Maspiro auf, werden Rufe und Pfiffe laut, Steine fliegen, bis die Polizisten sich wieder zurückziehen.

Einige Straßen weiter, auf dem Tahrir-Platz, versammeln sich an diesem Morgen die Protestierenden, die zum Nakba-Tag, dem Tag der Gründung Israels, nach Palästina fahren wollen, um dort die PalästinenserInnen bei einem geplanten Aufstand zu unterstützen. Mehrere Tausend haben sich schon versammelt, einige Gruppen Religiöser ziehen mit lauten Rufen um den Platz, andere sitzen zusammen, an kleinen Ständen gibt es süßen Couscous, Kaffee und Tee. Freiwillige beginnen, die Demonstrationen für den Tag vorzubereiten, hängen Lautsprecher an den Laternenpfählen auf. Nicht nur eine Solidaritätsdemonstration für Palästina soll an diesem Freitag stattfinden, auch große Demonstrationen für die Einheit von Christen und Muslimen.

Im Gras, das das Militär gepflanzt hat, sitzt eine junge Frau, das blaue Kopftuch eng gezogen, die Lippen zusammengebissen, und weint. Es ist Salma Hosseini, eine junge Aktivistin, die am 9. März festgenommen worden war und nach ihrer Freilassung in einem Video berichtet hatte, wie die Frauen im Museum misshandelt wurden. Sie ist freigekommen, aber ihr Verlobter nicht. Er wurde ins Tora-Gefängnis gebracht, in dem auch zahlreiche Mitglieder der alten Regierung sitzen. Während der Folter haben sie ihm beide Arme gebrochen, Behandlung bekommt er nicht. Salma darf ihn zweimal die Woche sehen, aber wann er freikommt, ob in einem Jahr oder in mehreren, weiß sie nicht.

"Ich bleibe hier sitzen, bis er frei ist", sagt sie trotzig. Und weint. "Was für eine bescheuerte Idee, nach Palästina zu fahren", sagt Hussein, ein Aktivist, sieht zu der Demonstration mit den Palästina-Flaggen hinüber und setzt sich neben Salma ins Gras. "Es gibt doch hier noch genug zu tun."

Juliane Schumacher, 13. Mai 2011, Kairo

Anmerkung:

1) So wurden auch jene Schläger bezeichnet, die das Mubarak-Regime vor dem 11. Februar gegen die DemonstrantInnen angeheuert hatte.