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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 563 / 19.8.2011

Geht nicht, gibt’s nicht

Der Widerstand gegen den Nazi-Aufmarsch in Dortmund wächst

Und dann kam die Datenantifa. Auf den Internet-Seiten logr.org und widerstand.info ging Mitte August nichts mehr, das extrem rechte Internetportal Altermedia war schon vorher dicht und musste umziehen. Das dürfte auch die Nazis geärgert haben, die am 3. September in Dortmund einen „Nationalen Antikriegstag“ abhalten wollen. Doch auch außerhalb der virtuellen Welt bekommen sie in diesem Jahr deutlich mehr Gegenwind.

Jetzt reicht’s langsam. Zum siebten Mal rufen Nazis in Dortmund nun schon zum „Nationalen Antikriegstag“ auf. Damit das endlich ein Ende hat, treten gleich drei Bündnisse auf den Plan. Das Bündnis Dortmund stellt sich quer orientiert sich dabei an dem „Konzept Dresden“: mit Massenblockaden den Aufmarsch verhindern. Das breite Bündnis aus Antifa-Gruppen, ParteienvertreterInnen und GewerkschafterInnen konnte dabei offensichtlich überzeugen: Auch das bürgerliche Bündnis Dortmund Nazifrei, das vom Dortmunder Oberbürgermeister Ulrich Sierau (SPD) unterstützt wird, spricht sich mittlerweile für friedliche Sitzblockaden aus.

Neu ist das Bündnis Alerta!, ein Zusammenschluss von linksradikalen und antifaschistischen Gruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen. „Sabotieren, blockieren, verhindern” lautet deren Motto. „Das ist nicht nur als willkürliche Aneinanderreihung von Schlagworten zu verstehen“, so Timo Steinke vom Alerta!-Bündnis. „Wir wollen damit deutlich machen, dass wir uns nicht auf eine einzelne Aktionsform festlegen wollen. Unser Ziel ist es, den Naziaufmarsch zu verhindern. Ob das mit Massenblockaden erreicht werden kann, ob überhaupt genügend Massen mobilisiert werden können, darüber gehen die Einschätzungen auch innerhalb des Bündnisses auseinander.“ Gleichwohl macht Timo deutlich: „Wenn der diesjährige Naziaufmarsch durch Massenblockaden verhindert werden kann, würden wir uns darüber selbstverständlich sehr freuen.“

Es gibt gleich drei Bündnisse gegen die Nazis

Dreifach hält besser, scheint man sich also in Dortmund zu denken. Erfreulich dabei ist, dass alle drei Bündnisse nicht gegeneinander, sondern in Kooperation arbeiten. Das ist ja leider nicht immer selbstverständlich, doch in Anbetracht der Situation bitter nötig: In den letzten Wochen und Monaten kam es immer wieder zu Übergriffen durch Neonazis.

Erst im Juli wurde die Frontscheibe des Wahlkreisbüros der Linkspartei eingeschlagen, wenige Tage später eine Gruppe Linker von vermummten Nazis attackiert. Auf die Hauswand eines Linkspolitikers wurde ein Hakenkreuz und das Wort „Jude“ gesprüht, ähnliche Parolen fanden sich auch auf Wohnhäusern von VertreterInnen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten (VVN-BDA), der DKP und des Bündnisses Dortmund gegen Rechts.

Personenstarke Gruppen sind vor allem der Nationale Widerstand Dortmund (NWDO) und die Skinheadfront Dortmund-Dorstfeld. Der NWDO unterhält einen eigenen VW-Bulli mit Soundanlage, im Stadtteil Dorstfeld gibt es etliche Nazi-Wohngemeinschaften.

Sogar ein eigenes „Nationales Zentrum“ befindet sich in der Nazi-Hochburg Dorstfeld. Das Haus in der Rheinischen Straße dient als Veranstaltungsort für Schulungen und interne Treffen. „Als die Nazis planten, das Haus zu kaufen, alarmierten lokale Antifaschistinnen und Antifaschisten die Stadt“, erzählt Timo. Die Stadt kaufte daraufhin im Juli letzten Jahres ihrerseits das Gebäude. Doch der Mietvertrag läuft noch, und die Nazis nutzen das Zentrum noch immer. „Das stört uns natürlich enorm“, meint Timo.

„Dortmund ist so beliebt, dass viele Neonazis aus umliegenden Städten hierher ziehen“, so Timo weiter. Die Dortmunder Naziszene ist jung, aktiv und wird dominiert durch sogenannte Autonome Nationalisten. Sie verteilen Flugblätter vor allem in Dorstfeld, basteln Sprühschablonen und mobilisieren auf anderen Naziveranstaltungen zum „Nationalen Antikriegstag“, wie zum Beispiel beim Pressefest der Deutschen Stimme oder beim „Tag der Deutschen Zukunft“.

Auffällig ist, dass man sehr bemüht ist, gerade jüngere Menschen anzusprechen. So gehören extra für den „Nationalen Antikriegstag“ komponierte Lieder mittlerweile zum Standardrepertoire der Mobilisierung. Im letzten Jahr fand am Vorabend des Aufmarsches ein Rechtsrock-Konzert statt. Das wollen die Nazis in diesem Jahr wiederholen. Oidoxie und Words of Anger haben sich angekündigt. Die 1995 gegründete Band Oidoxie tritt immer wieder bei Neonazi-Veranstaltungen auf, Words of Anger bezeichnen ihre Musik auf der eigenen Website als „Nazi Rock’n’Roll“.

„Insbesondere für Jugendliche, die bisher keine Möglichkeit hatten, an einem Rechtsrockkonzert teilnehmen zu können, bietet sich somit die Gelegenheit, kostenlos nationale Musik zu hören“, heißt es seitens der Veranstalter. Sollte es die „erstmalige Teilnahme an einer rechten Aktion“ sein, könne man dort außerdem „Informationen zum Verhalten auf Demonstrationen und gegenüber der Polizei“ erhalten.

Wie das dann aussehen soll, besingt die Band Dissidenten: „Wir gehen auf die Straße, demonstrieren für den einzig wahren Frieden, (…) auf die Straße demonstrieren, Zionisten provozieren“. Und die Gruppe Libertin ergänzt: „Der Kriegstreiber aus USrael hält die Welt in Atem mit seinem Kriegsbefehl“. Keine Frage also, gegen wen sich der „Antikriegstag“ der Nazis richtet.

Zweimal gegen Nazis: am 2. und 3. September

Als „treue Vasallen der angloamerikanischen Aggressoren“ stünden „die deutschen Politiker in Berlin den Kriegstreibern in Washington, London und Tel Aviv zur Seite“, heißt es in dem Aufruf der Neonazis. In der Anti-Kriegs-Rhetorik der Neonazis findet sich nicht nur eine gehörige Portion antisemitischer Verschwörungstheorien („die vorgetäuschten Anschläge auf das World Trade Center“). Hier wird zudem eine Linie gezogen vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis heute. Erst durch die Kriegserklärung Frankreichs und Großbritanniens habe sich „eine regional beschränkte Auseinandersetzung zu einem europäischen Konflikt und später zu einem Weltkrieg“ ausgebreitet. Die „wirklichen Weltbrandstifter“ von damals seien dieselben wie heute. Und so würden die USA und ihre Handlanger immer wieder versuchen, aus regionalen Konflikten „überregionale Kriege zu entfachen“ – aktuelles Beispiel sei Libyen.

Ob die Rechtsrock-Veranstaltung am 2. September wie von den Nazis geplant im Dortmunder Kreuzviertel stattfinden wird, ist momentan ungewiss. Es werde weder ein Rechtsrock-Konzert noch eine rechte Demo im Kreuzviertel geben, zitiert Der Westen (1.8.11) Polizeisprecher Wolfgang Wieland.

Gemeinsam rufen das Alerta!-Bündnis und Dortmund stellt sich quer zu einer antifaschistischen Vorabenddemonstration am 2. September durch Dorstfeld auf. „Wir wollen in diesem Jahr stärker eigene Akzente setzen“, erklärt Timo. Am nächsten Tag heißt es dann früh aufstehen – und den „Nationalen Antikriegstag“ verhindern.

Maike Zimmermann

Informationen:

Alerta! – DAB -amp; antifaschistische Gruppen aus NRW: alerta.noblogs.org; Dortmund stellt sich quer: dortmundquer.blogsport.de.