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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 566 / 18.11.2011

Medien von unten

Die Hälfte des »Handbuchs Alternativmedien« besteht aus Adressen von 700 Zeitungs- und Zeitschriftenprojekten aus dem gesamten deutschsprachigen Raum; hinzu kommen noch 300 Adressen von Verlagen, freien Radios und Archiven. Durch mehrere Register ist eine vernünftige Erschließung gewährleist - aber auch Blättern und Stöbern macht Spaß. Die 15 Beiträge im redaktionellen Teil behandeln verschiedene Aspekte der Theorie und Praxis alternativer Medien, auch jenseits der Gutenberg-Galaxis, z.B. feministische Videoarbeit (Anne Frisius) und zu der Zeitschrift Ohrenkuss, die von Menschen mit Down-Syndrom gemacht wird. Marisol Sandoval plädiert dafür, den Begriff der Alternativmedien neu zu definieren; Stefan Hebenstreit berichtet über Fanzines kritischer Fussballfans. Christoph Nitz und Mitherausgeber Bernd Hüttner untersuchen und kritisieren die Medienarbeit der LINKEN und ihres Umfeldes, während Elke Zobl ihre Forschungsergebnisse zu feministischen Fanzines vorträgt. Sind die Artikel ein Abbild der Debatte zu alternativen Medien in den sozialen Bewegungen? Falls ja, dann zeigen sie, dass es zwar viele Projekte, eine Reflektion der Mediengesellschaft aber nur an deren Rändern gibt. Aber vielleicht kann das auch nicht anders sein. Die Datenbank der Alternativmedien ist aktualisiert, sie wird weitergeführt, und über sie sind auch Korrekturmeldungen möglich: www.alternativmedien.org.

Moritz Zeiler

Bernd Hüttner, Christiane Leidinger, Gottfried Oy (Hrsg.): Handbuch Alternativmedien. Verlag AG SPAK, Neu-Ulm 2011. 280 Seiten, 22 EUR.

Zukunft der Wirtschaft

»Hat die Zukunft eine Wirtschaft?« Das ist nicht nur ein werbeträchtiger Titel, sondern auch eine interessante Frage. Aber gleich vorab - sie wird in dem Werk nicht beantwortet. Der im Umfeld von attac agierende Autor Norbert Nicoll beschränkt sich weitgehend auf die Wiedergabe von Werken ehemals den Grünen nahestehender Theoretiker. Für ihn ist die gegenwärtige Krise ausschließlich eine ökologische Krise. Ökonomische Gesichtspunkte belegen bei ihm nur das verderbliche Wirken der Finanzmärkte als Verantwortliche für Wirtschaftswachstum und Umweltzerstörung. Systemische Schuld sieht er nicht im Profitstreben, sondern im »Kredit«. Mit viel Fleiß versucht er, die Richtigkeit der 1972 erschienenen Studie »Die Grenzen des Wachstums« des Club of Rome anhand aktuellen Zahlenmaterials nachzuweisen. Mehr als ärgerlich ist sein positiver Bezug auf Robert Malthus. Er gibt zwar zu, dass dessen Theorie von der auseinanderklaffenden Schere zwischen Bevölkerungswachstum und Nahrungsmittelproduktion längst widerlegt ist. Nicoll unterstellt aber einen Zusammenhang zwischen Bevölkerungswachstum und Umweltzerstörung und meint, so könne Malthus auf andere Weise doch Recht behalten. Der Autor macht so die armen, aber bevölkerungsreichen Länder dieser Welt primär für die Krisen des kapitalistischen Systems verantwortlich. Und damit hat er die Grenzen linker Theorie deutlich überschritten.

Gerd Bedszent

Norbert Nicoll: Hat die Zukunft eine Wirtschaft? Das Ende des Wachstums und die kommenden Krisen. Unrast-Verlag, Münster 2011. 177 Seiten, 14 EUR.

Gegen die Arbeit

Michael Seidmann vergleicht in seinem Buch »Gegen die Arbeit« Arbeiterkämpfe in Barcelona und in Paris zwischen 1936 und 1938, der Zeit der revolutionären Volksfront in Katalonien und ihrer parlamentarischen Variante in Frankreich. In Barcelona hatte die anarchosyndikalistische CNT Probleme, in den von ihr kontrollierten Betrieben die Produktivität zu steigern, obwohl sich die ArbeiterInnen Kataloniens extremstem Druck durch den Bürgerkrieg ausgesetzt sahen. Seidmann untersucht die Geschichte nicht anhand der politischen Spaltungslinien der Linken. Er unterscheidet vielmehr zwischen Vertretern eines industriellen Produktivismus, welche die damalige Linke gleich welcher Richtung dominierten, und davon weitgehend autonomen ArbeiterInnen, die sich dem Diktat der Effizienzsteigerung widersetzten. Auch maßgebliche Figuren der CNT schauten mit Bewunderung auf die Autoproduktion in den USA. Man versuchte sogar, die Methoden von Taylor oder Ford zu nutzen. Die ArbeiterInnen reagierten mit Renitenz. In Paris brach unter der Volksfront die Produktivität ein. Mehr Beschäftigung durch kürzere Arbeitszeiten, der freie Samstag, Urlaub und Freizeit - auf diese gerade erkämpften Rechte wollten die ArbeiterInnen auch dann nicht verzichten, als die Kriegsgefahr immer größer wurde. Es ist dem Autor hoch anzurechnen, dass er auf Antworten verzichtet und bei einer nüchternen, fairen Untersuchung bleibt.

Heiner Stuhlfauth

Michael Seidmann: Gegen die Arbeit - über die Arbeiterkämpfe in Barcelona und Paris 1936-38. Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2011. 480 Seiten, 24,80 EUR.

Genua 2001

Zehn Jahre nach dem G8-Gipfel in Genua erinnert der Hamburger Laika-Verlag im Rahmen seiner Reihe »Bibliothek des Widerstands« an die Ereignisse von damals: den großen Mobilisierungserfolg der globalisierungskritischen Bewegung und die brutale Repression der Staatsmacht. Oliviero Pettenatis zeigt in seinem einleitenden Beitrag, dass der Staatsterror auf einem »Zusammenspiel von Chaos und gezielter Gewalt« basierte. Überschrieben ist sein Text mit einem Zitat: »Wir sind nicht nur als Verlierer, sondern als Opfer aus dieser Geschichte rausgekommen.« In einem Interview mit Simona und Michele, zwei aktiv beteiligten Linken, wird deutlich, was damit gemeint ist: Viele, die damals in Genua waren, haben bis heute das dort Erlebte nicht verarbeitet; der Niedergang der italienischen Linken hat auch mit der Ohnmachtserfahrung von Genua zu tun. Mehr noch als das gedruckte Interview belegen das die auf den zwei beigelegten DVDs gesammelten Filme. Die 45 Minuten lange WDR-Dokumentation »Gipfelstürmer - Die blutigen Tage von Genua« (Regie Maria-Rosa Bobbi und Hannes Böck) zeigt die systematische Gewalt gegen Wehrlose, auf den Straßen von Genua ebenso wie in der Diaz-Schule und der Bolzaneto-Kaserne, den Einsatz von Agents Provocateurs, die Fälschung von »Beweisen« gegen DemonstrantInnen. Buch und DVDs sind ein Muss für Linke, die wissen wollen, mit was für einem Gegner sie es zu tun haben.

Jens Renner

Bibliothek des Widerstands, Band 17: Die blutigen Tage von Genua 2001. G8-Gipfel, Widerstand und Repression. Laika-Verlag, Hamburg 2011. 200 Seiten, zwei DVDs, 24,90 EUR.