Block Dresden!
Aktion Der Naziaufmarsch in Dresden muss endgültig Geschichte werden
Interview: Maike Zimmermann
»Aller guten Dinge sind drei«, schreibt das Bündnis Dresden Nazifrei. Auch in diesem Jahr soll der jährliche Aufmarsch von Neonazis verhindert werden. Maike Zimmermann sprach mit Stefan Thiele und Paul Schirmer vom Bündnis über die diesjährige Mobilisierung.
In den letzten zwei Jahren hat es mit der Verhinderung der Naziaufmärsche ganz gut geklappt. Wie sieht es in diesem Jahr aus?
Stefan Thiele: Wir hoffen, dass wir es auch zum dritten Mal schaffen. Nach zwei Jahren großer und anstrengender Mobilisierung ist es nicht zu Ermüdungserscheinungen gekommen. Es gibt immer noch großen Zuspruch, wir haben jetzt schon Schwierigkeiten mit dem Nachdrucken von Infomaterial und Plakaten. Wir können also damit rechnen, dass es dieses Jahr wieder gelingen wird, weit mehr als 10.000 Leute nach Dresden zu kriegen, die alle die Nazis blockieren wollen.
Es war also definitiv keine Eintagsfliege?
S.T.: Auf keinen Fall! Und ich glaube, es hat die Form antifaschistischen Widerstands in einer Weise revolutioniert, die gar nicht vorstellbar war, als die Idee entstand, den Naziaufmarsch in Dresden zu blockieren. Man kann das unter anderem daran sehen, dass es in sehr vielen anderen Städten ähnliche Bündnisse gibt, die versuchen, das erfolgreiche Konzept von Dresden in ihren Regionen umzusetzen.
Momentan schwirren verschiedene Daten für einen eventuellen Naziaufmarsch durch den Raum. Wie geht ihr mit so einer Unklarheit um?
S.T.: Das Problem ist ja nicht neu. Wir haben im letzten Jahr große Schwierigkeiten gehabt, genau festzulegen, an welchem Wochenende wir demonstrieren. Es kamen zwei Samstage in Frage, aber es war klar, das man eine bundesweite Mobilisierung nicht an zwei Wochenenden stemmen kann. Dieses Jahr ist der 13. Februar, also der Tag, an dem traditionell in Dresden der Zerstörung der Stadt gedacht wird, ein Montag und der darauffolgende Samstag, der 18. Februar ist der Tag, an dem die Nazis wahrscheinlich ihren Großaufmarsch mit bundesweiter Beteiligung durchführen wollen. Deswegen mobilisieren wir für den 18. Februar nach Dresden bundesweit und versuchen am 13. Februar mit einer regionalen Mobilisierung den Nazis zu begegnen. In den letzten Jahren sind zwischen 1.000 und 1.500 Nazis unter der Woche aufmarschiert. Wir hoffen, dass unser Bündnis in den letzten zwei Jahren so stark geworden ist, dass man auch an diesem Tag auf eine gewisse lokale Kraft setzen kann.
Und was plant ihr konkret für den 13. Februar?
S.T.: Wir wollen natürlich, dass es an keinem der beiden Tage einen Naziaufmarsch gibt. Auch am 13. wollen wir mit vielen Menschen gemeinsam auf die Strecke der Nazis kommen, um den Aufmarsch zu verhindern. Es wird außerdem wieder eine Menschenkette geben und schon im letzten Jahr ist es uns gelungen, Menschen, die dort teilgenommen haben, davon zu überzeugen, dass es nicht ausreicht, einen großen Kreis um die historische Altstadt Dresdens zu bilden. Es sind dann mehrere tausend Menschen von der Menschenkette Richtung Naziaufmarsch gezogen und wir haben es geschafft, dass der Aufmarsch wenigstens verkürzt werden musste.
Es gibt ja einen starken Gegenwind für Dresden Nazifrei - Handygate, Überwachung und Hausdurchsuchungen bundesweit. Wie geht ihr mit diesem hohen Maß an Repression um?
Paul Schirmer: Wir haben es in Sachsen mit einem Geist zu tun, bei dem man das Gefühl bekommt, dass ein Protest, ein Widerstand oder ein Engagement der Zivilgesellschaft, der sich seiner Kontrolle entzieht und eventuell auch nicht die politische Leitlinie der Regierung bedient, ungern gesehen ist und deswegen auch mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen, kriminalisiert und verfolgt wird - bis in die rechtlichen Grauzonen. Sachsen bleibt da jedoch bundesweit relativ allein. Wir erleben bundesweit eine unglaubliche Solidarität. Die Leute greifen sich an den Kopf bei dem, was hier passiert. Sachsen ist mittlerweile zum Sprichwort geworden, jeder kennt die sogenannte sächsische Demokratie, die Wolfgang Thierse definiert hat: In Sachsen ist man vollauf damit beschäftigt, Nazis zu schützen. Diesen Spruch muss sich die sächsische Justiz und die sächsische Regierung nach dem, was im Jahr 2011 passiert ist, mit illegalen Hausdurchsuchungen, rechtswidrigen Festnahmen, Handyfunkzellenabfragen etc. auch gefallen lassen.
Lässt sich Dresden Nazifrei denn davon einschüchtern?
S.T.: Nein.
P.S.: Es hätte das Potenzial, Einschüchterung zu verursachen. Aber es kommt noch etwas hinzu: Seit November überzieht Sachsen ein politischer Skandal, der mit einer rechten Mörderzelle zusammenhängt. Seitdem ist offensichtlich geworden, dass in Sachsen jahrelang viel zu wenig getan wurde gegen Rechts. Im Gegenteil: Gerade zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich im Kampf gegen Rechts engagiert haben, wurden in ihrer Arbeit strukturell behindert - sei es durch die Extremismusklausel, sei es durch diese Funkzellenabfragen, sei es durch die Fördergeldpolitik. Dadurch wurde es möglich, dass drei mehrfache Mörder, die aus ideologischen Gründen mordend durch die Lande gezogen sind, nahezu ungestört und unverfolgt in Sachsen wohnen konnten. Da muss man sich schon die Frage stellen: Ist es vielleicht auch ein strukturelles Grundproblem, dass man dieses rechte Erstarken jahrelang ignoriert hat? Man muss die Regierung und die Ermittlungsbehörden und alle, die daran hängen, jetzt in die Pflicht nehmen und sagen: Jetzt muss Schluss sein!
Euer Bündnis gibt es seit Herbst 2009. Hat sich seitdem etwas verändert in der Stadt?
S.T.: Ja, auf ganz vielen Ebenen. Als wir vor zweieinhalb Jahren Dresden Nazifrei gegründet haben, war völlig unklar, wer sich an diesem Bündnis beteiligt. Die Initiative kam von einem bundesweiten Antifakongress, der von No pasarán organisiert worden war. Dazu hatten wir viele Leute eingeladen aus der Dresdner Zivilgesellschaft. Es gab große Vorbehalte gegenüber der Idee, ein breites Bündnis zu schaffen. Wenn man sich die Situation jetzt anguckt, ist es völlig anders. Wir werden unterstützt von Antifas, von Gewerkschaften, von kirchlichen Kreisen, von Landtagsabgeordneten mehrerer Parteien. Mittlerweile ist der Druck auf die Stadt und auf die politischen Parteien in Dresden so hoch, dass Ministerpräsident Tillich zu Protesten aufruft und die Dresdner sogar kritisiert, dass sie nicht früher auf die Straße gegangen sind. Natürlich ist das noch keine Zustimmung zu den Blockaden, aber man merkt, dass die politische Wahrnehmung des Naziaufmarsches eine andere geworden ist.
P.S.: Und wir haben einige Erfolge in der Gedenkkultur erzielt. In Dresden gab es immer dieses unsägliche Ritual am Heidefriedhof. Da wurden Gedenkkränze für die Opfer des Bombardements niedergelegt - von sämtlichen Parteien und von den Nazis. Dieses Ritual ist dieses Jahr abgeschafft worden. Das sehen wir als direkten Erfolg unserer Intervention in diese Gedenkkultur. Daneben rufen nun auch konservative Parteien zu Protest in Hör- und Sichtweite auf. Also das, was uns letztes Jahr noch untersagt wurde, scheint jetzt die offizielle Linie zu sein. Gleichzeitig muss man sagen, dass die Abgrenzung seitens der Regierung und CDU und FDP noch stärker geworden ist. Gerade die Blockaden sind für diese Kräfte ein rotes Tuch, weil sie darin einen Erfolg des gegnerischen politischen Lagers sehen.
Und was wünscht ihr euch für den Februar?
S.T.: Ich wünsche mir für den 18. Februar, dass tausende Menschen nach Dresden fahren und den Naziaufmarsch blockieren.
P.S.: Ich wünsche mir, dass diese Menschen erfolgreich blockieren unter dem Gesichtspunkt, dass wir tatsächlich alle gemeinsam begreifen, dass wir uns aktiv und solidarisch miteinander den Nazis in den Weg setzen müssen und dadurch endlich anfangen, tatsächlich den braunen Ungeist hier in Sachsen effektiv zu bekämpfen.
Aktuelle Informationen unter www.dresden-nazifrei.com