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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 569 / 17.2.2012

Steuer auf den Spekulationserfolg

Wirtschaft & Soziales Deutschland und Frankreich wollen die Finanztransaktionssteuer - doch was würde das bringen?

Von Nick Sinakusch

Die Idee einer Besteuerung von Finanzmarktgeschäften ist alt. Lange sperrte sich die Bundesregierung dagegen. Doch auf einmal sind alle dafür: Grüne und Kirche, die Linkspartei sowieso, die SPD, nun auch CDU/CSU, und sogar die FDP gibt ihren Widerstand langsam auf. Nur eine Gruppe ist dagegen: die Besteuerten. Der deutsche Bankenverband agitiert weiter gegen eine Finanztransaktionssteuer (FTS). Doch langsam gehen ihm die Argumente aus.

Die Idee ist einfach: Auf Käufe/Verkäufe von Wertpapieren wird ein geringer Steuersatz erhoben - zwischen 0,5 und 0,01 Prozent des Transaktionswerts. Das bringt dem Staat erstens Einnahmen. Zweitens verteuert die Steuer Finanztransaktionen und macht so Strategien wie den sogenannten Hochfrequenzhandel tendenziell unattraktiv.

Bei diesem Handel nutzen die Akteure minimale Preisdifferenzen zwischen Wertpapieren aus. Diese Geschäfte haben nur eine minimale Gewinnspanne. Daher werden in kurzen Abständen Massen dieser Geschäfte getätigt, um aus der geringen Gewinnspanne einen hohen Gesamtgewinn herauszuholen.

Diese Spekulationsschwemme, so glauben viele, destabilisiert die Märkte und produziert Spekulationsblasen. Eine Steuer wiederum würde diese Transaktionen verteuern, dadurch vermindern und so für mehr Stabilität an den Märkten sorgen. Diesen Argumenten stehen die Regierungen Deutschlands und Frankreichs zunehmend aufgeschlossen gegenüber. Sie wollen eine FTS in der EU, wogegen sich die britische Regierung noch sperrt. Dies ist kein Zufall, da der Finanzsektor einen großen Teil der britischen und einen kleinen Teil der deutschen Wirtschaftsleistung ausmacht. (1)

Argumente gegen die FTS

Gegen die Einführung einer Finanztransaktionssteuer führten Banken und Politik jahrelang folgende Argumente an.

Abwanderung: Führt ein Land die Steuer ein, so wandern die Spekulanten einfach in ein Land ab, wo es keine Steuer gibt, insbesondere nach New York oder London. Damit verfehlt die FTS ihr Ziel. Schlimmer noch: Der Finanzplatz Deutschland erleidet einen Nachteil in der globalen Konkurrenz um Finanzkapital. Eine Einführung macht also nur global Sinn. Da die USA und Großbritannien aber nicht mitmachen, sollte man eine FTS bleiben lassen.

Gegenargument: Die EU-Kommission hat in ihrem FTS-Konzept vom September 2011 der Abwanderung eine Hürde in den Weg gelegt: das Sitzlandprinzip. Kauft die Deutsche Bank beispielsweise ein Wertpapier in New York, so wird sie dennoch besteuert, da sie ihren Sitz in Deutschland hat. Um die Steuer zu umgehen, müsste sie nach Amerika auswandern.

Liquidität: Eine FTS reduziert das Geschäftsvolumen an den Märkten. Es finden weniger Transaktionen statt. Folge: Die Kurse der Wertpapiere schwanken stärker.

Gegenargument: Ob dies zutrifft, ist nicht belegt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) plädiert daher für eine Umkehrung der Beweislast: »Gegner der Steuer sollten beweisen müssen, dass die Reduktion von Handelsvolumina zum Schaden der Volkswirtschaft ist.« Zudem ist der von der EU vorgeschlagene Steuersatz sehr gering, da die Politik den Finanzsektor nicht zu stark belasten will. (2) Daher ist es fraglich, ob die Märkte tatsächlich »austrocknen«.

Kapitalbeschaffung: Die Steuer macht Börsengeschäfte teurer. Dies trifft die gesamte Wirtschaft, zum Beispiel Unternehmen, die sich über Anleihe- oder Aktienausgabe Kapital beschaffen oder sich über Derivate gegen Kursschwankungen absichern wollen. Dies wird für sie teurer.

Gegenargument: Dass die heilige »Realwirtschaft« durch eine FTS Nachteile erleidet, dagegen hat der EU-Vorschlag Vorsorge getroffen, indem er eine Reihe von Finanzgeschäften von der Steuer ausnimmt. So zum Beispiel Geschäfte am »Primärmarkt«, also wenn ein Unternehmen Wertpapiere ausgibt, um sich neues Kapital zu besorgen; oder auch Derivatgeschäfte, solange die Derivate dazu dienen, Firmen gegen Währungs- oder Güterpreisschwankungen abzusichern. »Die Lenkungswirkung fokussiert sich also auf reine Finanzmarktgeschäfte und vermeidet weitgehend negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft«, so das DIW. (3)

Bleiben noch die beiden letzten Bedenken gegen die Steuer, denen nicht so einfach widersprochen werden kann: Erstens ist unklar, wer am Ende zahlt. Möglicherweise schlagen die Banken die gestiegenen Kosten für Finanzgeschäfte einfach auf ihre Preise auf. Folge: Die Steuer reduziert nicht den Gewinn der Bank. Stattdessen »kassiert der Staat beim Fonds-, Riester- und Lebensversicherungssparer ab«, so FDPler Frank Schäffler. Oder es kommt gar so weit, dass »am Ende die Unternehmen die Steuer mitfinanzieren«, warnt der Bankenverband.

Zweitens weist der Bankenverband darauf hin, dass eine FTS die jüngste Krise »weder verhindert noch den Krisenverlauf positiv beeinflusst hätte. Kurzfristig orientierte Spekulanten waren nicht der Auslöser der Erdbeben an den Märkten«, sondern »falsche« (= überhöhte) Preise für Wertpapiere. Diese Bildung von »falschen« Preisen würde durch eine Steuer noch verstärkt, so die Banker: »Wertpapierkurse, die unter dem Regime einer auf kurzfristige Transaktionen erhobenen Steuer entstehen, reflektieren nicht mehr den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert« der Wertpapiere.

Damit haben die Bankenvertreter einerseits recht. Die jüngsten Finanzkrisen entstanden tatsächlich nicht durch exzessive Spekulation mit US-Hypothekenpapieren (2008) oder griechischen Staatsanleihen (2009). Andererseits ist die Problemdiagnose »Kurse reflektieren nicht den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert von Wertpapieren« albern.

Finanzkrisen sind auch mit FTS möglich

Jahrelang hatten die Finanzmärkte auf eine Fortsetzung des US-Immobilienbooms bzw. auf eine anhaltende Zahlungsfähigkeit Griechenlands gesetzt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt jedoch glaubten die Märkte ihrer eigenen Spekulation nicht mehr. Sie zogen ihr Geld aus amerikanischen Hauskreditpapieren und Griechenlandanleihen ab und führten dadurch den Absturz dieser Papiere herbei. Ihr »Misstrauen« ließ die Spekulation die Richtung wechseln, und damit schrumpfte tatsächlich der »tatsächliche wirtschaftliche Wert« dieser Wertpapiere, der gar keinen anderen Maßstab kennt als die Spekulation auf ihn. Denn ein Wertpapier ist immer genau so viel wert, wie die Finanzanleger meinen. Anders gesagt: Die Spekulation findet nicht den »tatsächlichen Wert« von Wertpapieren, sondern sie legt ihn fest und bezieht sich anschließend auf diesen Wert als Datum, das weitere Spekulationen rechtfertigt.

Diesem Zirkel würde auch eine FTS kein Ende bereiten. (4) Finanzkrisen wären also weiter möglich. Und auch die viel kritisierte »Macht der Finanzmärkte« wäre durch eine Steuer nicht beschnitten. Schließlich will die Politik mittels einer FTS den Reichtum der Märkte nicht wegsteuern, sondern ihn als sprudelnde Geldquelle erschließen. Das setzt ein florierendes Spekulationsgeschäft voraus.

Der politische Streit um die Aufteilung der Einnahmen aus der FTS - laut EU-Kommission 57 Milliarden Euro pro Jahr - läuft bereits. Aus diesen erhofften Einnahmen erklärt sich wohl auch der Stimmungswechsel der Bundesregierung zu Gunsten einer FTS. Das Geld dürfte nicht - wie von Attac vorgeschlagen - den Entwicklungsländern zufließen, sondern Haushaltslöcher in Europa stopfen. »Diese Einnahmen braucht Europa zur Entlastung der öffentlichen Haushalte und zur Finanzierung drängender globaler Aufgaben«, so Grüne, SPD und Linkspartei.

Nick Sinakusch schrieb in ak 568 zusammen mit Anna Blume über Kredit und Macht und die Europäische Zentralbank.

Anmerkungen:

1) 34% des weltweiten Devisenhandels finden in London statt, rund 17% in den USA, 3% in Frankreich und 2,5% in Deutschland.

2) 0,01 Prozent auf Derivatetransaktionen und 0,1 Prozent auf fast alle anderen Wertpapiergeschäfte. Dabei ist es den EU-Staaten erlaubt, höhere Sätze zu verlangen.

3) www.diw.de

4) Dieser Zirkel geht so: Die Märkte spekulieren auf die Wertsteigerung eines Papiers, dadurch steigt sein Wert tatsächlich, was weitere Spekulationen auf Wertsteigerung nach sich zieht, bis das Ganze sich umdreht und aus der Aufwärts- eine Abwärtsspirale wird.